Jetzt hat sich auch am Universitätsklinikum Eppendorf der Verdacht auf einen Verstoß bei einer Organtransplantation bestätigt. Allerdings gibt es keinen Hinweis auf eine bewusste Manipulation. Auch kam kein Patient zu Schaden.

Hamburg/Berlin. Der Verdacht auf eine Unregelmäßigkeit bei einer Organtransplantation hat sich nun auch am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) bestätigt. Allerdings habe es keine Hinweise auf eine bewusste Manipulation gegeben, teilten die Prüfer der Bundesärztekammer am Dienstag in Berlin mit. Zudem sei kein Patient zu Schaden gekommen.

UKE-Sprecherin Christine Trowitzsch bestätigte, dass es bei einer Nierentransplantation ein Versehen gegeben habe. „Festgestellt wurde in einem Fall, dass es zwei unterschiedliche Angaben externer Dialysepraxen zu einem über zehn Jahre zurückliegenden Startdatum einer Dialyse gab.“ Die Abweichung habe etwa acht Monate betragen und sei von der Kommission als Versehen bewertet worden. „Sie hatte keinerlei Auswirkung auf den Dringlichkeits-Status und damit auf den Transplantationsablauf.“

Die Prüfungs- und Überwachungskommission der Bundesärztekammer überprüfte nach UKE-Angaben 42 Nierentransplantationen sowie zehn Pankreas- bzw. kombinierte Nierenpankreastransplantationen aus den Jahren 2010 bis 2012. Das Gesamtergebnis sei sehr positiv gewesen, erklärte Trowitzsch. „Die Kommission hob hervor, dass alle „erbeteten Angaben und Unterlagen (…) unverzüglich und umfassend erteilt und vorgelegt“ worden sind.“ Zudem sei attestiert worden, dass die Anmeldung der Patienten „ordnungsgemäß“ erfolgt sei und es „keinen Anlass zur Beanstandung“ gebe.

Auch bei der Überprüfung anderer deutscher Transplantationszentren wurden keine weiteren Manipulationen entdeckt. Nach den Angaben der Prüfungs- und Überwachungskommission gibt es im Bereich der Nierentransplantation keine Anhaltspunkte für systematische Richtlinienverstöße oder Manipulationen. Die Kommissionsvorsitzenden Anne-Gret Rinder und Hans Lippert sagten, es seien lediglich vereinzelte unrichtige Mitteilungen gegenüber der Vermittlungsstelle Eurotransplant festgestellt worden.

Rinder zog ein „positives Fazit“ der bisherigen Überprüfung. „Bis auf das Herzzentrum Berlin wiesen die im Berichtszeitraum abgeschlossenen Herzprüfungen keine Auffälligkeiten auf“, ergänzte sie. Allerdings seien noch nicht alle Prüfungen abgeschlossen. Auch in nachträglichen Prüfungen zweier Lebertransplantationsprogramme hätten sich keine Hinweise auf eine systematische Vorgehensweise oder auf Manipulationen ergeben.

Das Berliner Herzzentrum hatte sich nach einer Überprüfung der Kommission im Sommer selbst angezeigt. Die Prüfung ergab Verstöße in 14 Fällen, was nach Rinders Worten auf eine systematische Manipulation schließen lässt. Durch eine kurzfristig veränderte Medikation oder falsche Angaben zur Medikation habe man Patienten in mehreren Fällen als Hoch-Risiko-Fälle eingestuft, um ihnen bessere Chancen bei der Organvergabe zu ermöglichen.

Die Kommission beschloss zugleich, Berichte über fehlerhaft durchgeführte Hirntoddiagnostiken näher zu überprüfen. Nach Angaben der Leiterin der Vertrauensstelle „Transplantationsmedizin“, Ruth Rissing-van Saan, handelt es sich um bis zu zehn Einzelfälle. Nach Angaben des Vorsitzenden der Ständigen Kommission Organtransplantation, Hans Lilie, hat es bei den bisher überprüften Fällen keine Unregelmäßigkeit gegeben. Es gehe um Details. In keinem Fall seien Organe entnommen worden, bevor der Hirntod feststand.

Im Auftrag von Bundesärztekammer, Deutscher Krankenhausgesellschaft und Spitzenverband der Krankenkassen kontrollieren die Prüfungs- und Überwachungskommission derzeit alle 47 Transplantationszentren in Deutschland und fahnden nach Auffälligkeiten bei der Vergabe von Spenderorganen.

Die Kommissionen haben bisher 33 Transplantationszentren beziehungsweise 60 Transplantationsprogramme kontrolliert. Die Prüfungen sind Teil des im Sommer 2012 ausgeweiteten Kontrollsystems im Transplantationswesen und erfassen die Jahre 2010 bis 2012. Die Prüfer gingen nach eigenen Angaben die Akten von 1090 Empfängern durch. Die Kontrollen für den Zeitraum sollen in einem Jahr abgeschlossen sein.

Berichte über Manipulationen hatten in den vergangenen Jahren zu einem drastischen Rückgang bei den Organspenden geführt. Laut Deutscher Stiftung Organtransplantation (DSO) wurden 2011 noch 1200 Organspender registriert, 2012 waren es 1046. Im vergangenen Jahr erreichte die Zahl mit nur noch 876 Organspendern einen historischen Tiefstand. 2014 setzte sich diese Tendenz fort: Von Januar bis Juli gab es 513 Spender (Vergleichszeitraum 2013: 548). Die Zahl der verpflanzten Organe (ohne Lebendspenden) ging von 4932 (2011) und 4555 (2012) auf 4059 (2013) zurück. Etwa 11 000 Patienten warten auf ein Spenderorgan.

Unterdessen forderte die Deutsche Stiftung Patientenschutz eine Professionalisierung der Kontrollen; sie sollten zudem in staatliche Hände übergehen. „Schon jetzt brauchen wir Jahre, um allein die Fälle 2010 bis 2012 aufzuarbeiten“, erklärte Vorstand Eugen Brysch. „Wie soll bei diesem Arbeitstempo zeitnah bis in die Gegenwart aufgeschlossen werden?“