Erzbischof von Mossul besucht die Katholische Akademie Hamburg und berichtet von seinen Erlebnissen mit der IS in der nordirakischen Großstadt. Dabei kritisiert er die muslimische Öffentlichkeit.
Hamburg/Mossul. Sie haben Häuser besetzt, Gelder und Heilige Schriften geraubt, aus Kirchen Moscheen gemacht und Menschen brutal ermordet: Aus erster Hand schilderte am Montagabend der vertriebene syrisch-orthodoxe Erzbischof von Mossul (Nordirak), Mor Nikodemus Daoud Matti Sharaf, das brutale Vorgehen der Terrormilizen des „Islamischen Staates“ (IS). Der jetzt im kurdischen Gebiet lebende Geistliche berichtete gemeinsam mit Jeziden in der Katholischen Akademie Hamburg über die aktuelle Lage im Orient. Scharfe Kritik übte der Erzbischof am Verhalten der internationalen muslimischen Öffentlichkeit, die Vertreibung und Vernichtung von Christen, Jesiden und Schiiten weitgehend ohne erkennbare Proteste hinnehmen würden. „Warum demonstrieren die Muslime nicht?“, fragte Sharaf mit Hinweis auf die weltweiten Demonstrationen vor einigen Jahren. Damals waren Hunderttausende aufgebrachter Muslime aus Protest gegen die Veröffentlichung von Karikaturen des Propheten auf die Straße gegangen. „Uns dagegen hilft seit zwei Monaten niemand“, betont er. An einem Tag seien mehr als 125.000 Menschen aus der Region Mossul in die Flucht getrieben worden. Sie lebten jetzt auf der Straße und in Flüchtlingslagern. „Ich appelliere an die Weltöffentlichkeit, sich einzumischen, damit es Schutzgebiete für Jesiden und Christen gibt. Sonst werden wir alle aus dem Irak auswandern.“
Der frühere Direktor des Deutschen Orientinstituts, Professor Udo Steinbach, sagte auf der Veranstaltung, dass jetzt eine internationale militärische Intervention notwendig sei. „Der Krieg ist unvermeidlich.“ Keiner wisse allerdings, wie er ausgehen werde. Wichtig sei es, eine Allianz von Kräften aus der Region gegen den IS zu schaffen.
Als einen Grund für das Entstehen des Islamischen Staates nannte Udo Steinbach das Machtvakuum, das durch das Ende des Saddam-Hussein-Regimes entstanden sei. Das Kalifat der radikalen sunnitischen Extremisten sei nun eine „Gefahr für die gesamte Menschheit“. Die Terror-Miliz des Islamischen Staates habe den Islam zu einer Ideologie umfunktioniert. „Die Religion wird auf diese Weise zu einer Ideologie des Tötens gemacht.“ Zudem habe der Westen, insbesondere die USA mit Präsident Obama, im Syrienkonflikt versagt. Es seien staatsfreie Räume entstanden, die von radikalen Ideologien genutzt worden seien.
Dem Abendblatt sagte Erzbischof Sharaf, die vergangenen Monate seien die härtesten seines Lebens gewesen. "Ich fühle mich beleidigt und gedemütigt." Seit 1800 Jahre habe es das Christentum in Mossul gegeben – jetzt aber nicht mehr. "In Wahrheit kann kein Mensch, der irgendeine menschliche Eigenschaft besitzt, die Gewalt, Grausamkeit und Brutalität, mit der die Terroristen mit anderen umgehen, beschreiben."