Kaufhauskonzern Karstadt will Revision im Krabbenbrötchen-Fall. Hamburger Richter halten Kündigung der Verkäuferin für unwirksam. Die Entlassung sei unverhältnismäßig gewesen, hieß es.
Hamburg/Erfurt. Der Kaufhauskonzern Karstadt ist wirtschaftlich angeschlagen und steht momentan vor allem wegen des Verkaufs an den österreichischen Investor René Benko in den Schlagzeilen. Die Tochterfirma Karstadt Feinkost GmbH scheint andere Sorgen zu haben: Das Unternehmen will im „Krabbenbrötchen-Fall“ nach Abendblatt-Informationen vor das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt ziehen. Der Hintergrund: Die Verkäuferin Songül Uludogan hatte Krabbensalat aus der Frischetheke der Feinkostabteilung von Karstadt an der Mönckebergstraße entnommen, ohne zu bezahlen, und damit die Hälfte eines selbst gekauften Brötchens belegt.
Zuletzt hat Karstadt in dem Fall Ende Juli in einem Berufungsverfahren vor dem Hamburger Landesarbeitsgericht eine Schlappe erlitten. Die Richter befanden die Entlassung von Uludogan wegen eines Krabbenbrötchens – angeblich geht es um 50 bis 100 Gramm Nordseekrabbensalat – für unwirksam.
Die Kündigung sei unverhältnismäßig gewesen, hieß es. Das Gericht ließ eine Revision nicht zu. Deshalb bleibt Karstadt als einziges Mittel die Nichtzulassungsbeschwerde beim BAG. Diese wurde von der renommierten Kölner Anwaltskanzlei CMS Hasche Sigle eingereicht, die Karstadt vertritt. Eine Gerichtssprecherin bestätigte auf Anfrage: Die Nichtzulassungsbeschwerde sei Ende August eingegangen, die Bearbeitung könne bis zu fünf Monate dauern.
Die Anwälte legen ihre Argumente für eine Revision in einem 17-seitigen Schreiben dem Gericht dar. Dabei geht es vor allem um die Frage des „Vertrauenskapitals“. Das hatte vor Gericht auch eine größere Rolle gespielt. Denn Uludogan arbeitete bereits seit 1999 für das Unternehmen. Allerdings – und das führen die Juristen in ihrer Begründung an – mit Unterbrechungen: „Die Klägerin befand sich im Rahmen des seit dem 1. September 1999 bestehenden Arbeitsverhältnisses insgesamt knapp acht Jahre in Elternzeit.“ Daher habe überhaupt nur sechs Jahre faktisch die Möglichkeit bestanden, Vertrauen aufzubauen, so die Anwälte weiter. In ihren Ausführungen verwiesen die Juristen auch auf den „Fall Emmely“. Hier habe die Betriebszugehörigkeit 26 Jahre ohne erhebliche Unterbrechungen betragen. An diesem Fall hatte sich auch das Hamburger Landesarbeitsgericht orientiert.
Der Fall Emmely hatte bundesweit für Schlageilen gesorgt. Im Juni 2010 hatte das BAG die umstrittene Kündigung einer Berliner Supermarktkassiererin wegen Unterschlagung von zwei Pfandbons im Wert von 1,30 Euro aufgehoben. Das Gericht hatte damals entschieden, dass das Vertrauen durch das einmalige Delikt nicht vollkommen zerstört sei. Es liege lediglich eine „erhebliche Pflichtwidrigkeit vor.“
Die Nachricht, dass der Krabbenbrötchen-Prozess womöglich höchstrichterlich aufgerollt wird, bereitet Heiko Hecht keine Sorge. Der Hamburger Fachanwalt für Arbeitsrecht vertritt Uludogan: „Es verwundert mich, dass Karstadt trotz eindeutiger Urteile nun mit aller Macht vor das BAG ziehen will“, sagte Hecht dem Abendblatt. Der Jurist geht davon aus, dass das BAG sich nicht mit dem Fall beschäftigen werde: „Für eine Revision gibt es keine triftigen Gründe.“
Für seine Mandantin, die sich momentan von einer schweren Erkrankung erholt, sei die Situation trotzdem belastend. Denn: „Frau Uludogan fühlt sich zu Unrecht von ihrem Arbeitgeber an den Pranger gestellt und dachte, dass sie nun nach der eindeutigen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts rehabilitiert sei und wieder positiv in die Zukunft schauen kann. Aber das ist nicht möglich, da Karstadt keine Ruhe gibt.“
Dabei hätte schon Ende Juli vor dem Landesarbeitsgericht ein Schlussstrich gezogen werden können. Der Vorsitzende Richter hatte den beiden Parteien damals einen Vergleich vorgeschlagen. Karstadt sollte 11.000 Euro Abfindung an Uludogan bezahlen. Anwalt Hecht forderte dagegen 15.000 Euro, was das Unternehmen ablehnte.
Noch ist Uludogan krankgeschrieben, könnte jedoch danach laut Anwalt Hecht an ihren Arbeitsplatz zurückkehren. Aber: „Wir sind nach wie vor gesprächsbereit. Wenn Karstadt die Abfindung bezahlt, die wir fordern, dann kann das Arbeitsverhältnis aufgelöst werden“, sagt Hecht.
Der Kanzlei CMS Hasch Sigle und Karstadt ist offensichtlich daran gelegen, dass der Fall möglichst für wenig öffentliches Aufsehen sorgt. Ein umfangreicher Fragenkatalog des Abendblatts wurde nicht beantwortet. Auf telefonische Anfrage sagte Rechtsanwalt Alexander Bissels lediglich: „Wir werden keine Stellungnahme abgeben.“