Die Revisionsgruppe Justizvollzug geht mit neun Schäferhunden in den Hamburger Haftanstalten auf Drogensuche. Oft werden die Spürnasen fündig. Zahl der Drogen laut Justizbehörde rückläufig.

Hamburg. In der Anstaltsnäherei herrscht gute Laune. Trotz des wolkenverhangenen Himmels, der durch die vergitterten Fenster auf die Gemüter drückt. Odin und Steffen raufen um ein Plastikrohr. Odin hat die Lefzen gehoben, zeigt seine spitzen Zähne, die die Beißwurst halten. Steffen P., 35, zieht auf der anderen Seite. „Gut gemacht! Gut angezeigt!“ So viel Freude herrscht hier selten. Odin hat einen Bilderbucheinsatz hingelegt, und die Begeisterung muss raus. Auch damit der neunjährige Hund nicht die Lust verliert.

Schnurstracks war er von der schweren Tür mit den vielen Schlössern in die Näherei gelaufen, hatte die Ohren gespitzt, die feucht glänzende Nase in die Luft gereckt, und erst vor einem Wäschekorb haltgemacht. Dann hatte er seine Schnauze zwischen die Lacken und Tücher gesteckt und wild an dem blauen Plastikkorb gekratzt. Er hatte etwas gefunden. Ein Tütchen mit Haschisch lag darin, versteckt zwischen den Stoffbahnen.

Odin ist ein stattlicher Deutscher Schäferhund, vor allem ist er ein Drogenspürhund. Er wittert, was nach dem Betäubungsmittelgesetz verboten ist: Heroin, Kokain, Cannabis, Amphetamine und vieles mehr. Für den Rüden reichen wenige Geruchsmoleküle, die durch die Luft schwirren, um die Drogenpäckchen aufzuspüren, die bei den in der Untersuchungshaftanstalt am Holstenglacis hinter Mauern und Nato-Draht-Zäunen eingesperrten Menschen mitunter heiß begehrt sind.

Nicht nur hier: Die nach dem Göttervater benannte Spürnase und ihre acht tierischen Kollegen der Revisionsgruppe Justizvollzug finden jedes noch so verborgene Drogenversteck in den Gefängnissen der Hansestadt, darunter fünf Strafvollzugsanstalten und die U-Haft-Anstalt – jedenfalls ist das die Hoffnung hinter ihrem Einsatz. Regelmäßig schnüffeln sie sich durch Zellen, Gefängnisbibliotheken, Anstaltsküchen, Werkstätten und über die Höfe für den täglichen Freigang, in denen immer wieder Drogen landen, insbesondere hier am Holstenglacis.

Seit die Türme im Zuge der Modernisierung der Anstalt „geschliffen“, also abgebaut wurden, hinter deren Scheiben schon mal ein Bewacher schlafend gesichtet wurde, werden wieder mehr Päckchen von den Wallanlagen aus über die Außenmauer geschmissen. „Es ist deutlich mehr geworden, und die Leute werden immer skrupelloser“, sagt Olaf S., Sicherheitschef der U-Haft-Anstalt. „Teils werden die Sachen in die laufende Freistunde geworfen, während unsere Leute daneben stehen.“

Wie die braunen Haschischkrümel ihren Weg in die Näherei fanden, ist allerdings schnell geklärt: in einer Hosentasche von Kai L., dem Chef der Revisionstruppe. Die harzigen Klumpen hat der 50-Jährige für Übungszwecke gebunkert, in einer luftdichten Dose, „eine, wo nichts rauskommt“. Andernfalls würden die Hunde ständig bei ihm anschlagen.

Für die Arbeit eignen sich nur Hunde, die ein gutes Sozialverhalten und ein gutes Umweltverhalten zeigen. Zum einen müssen sie ihr Leben auch außerhalb der Gefängnismauern an der Seite der Hundeführer führen und sich in deren Familien integrieren. Das Umweltverhalten ist für die Drogensuche unabdingbar: Die Vierbeiner dürfen nicht schreckhaft sein, müssen auch auf schwierigen Oberflächen, glatten Tischen etwa, sicher stehen können und einen gewissen Ehrgeiz an den Tag legen. Sie dürfen nicht aufgeben, wenn sie nicht gleich erfolgreich sind. „Die machen das alles freiwillig, aus Eigenmotivation“, sagt Kai L., der seit 21 Jahren Diensthundeausbilder ist. Stichwort: Spiel-Beute-Trieb.

Letztlich sei die Drogensuche für die Vierbeiner ein großes Spiel: In der Ausbildung werden sie darauf trainiert, ihre nach Drogen duftenden Spielzeuge zu suchen. Dafür werden präparierte Gegenstände benutzt, zur Belohnung gibt es eine Beißwurst. In der Praxis ist dann alles, was nach Drogen riecht, ein potenzielles Spielzeug. „Und dafür müssen die Hunde dann durchs Feuer gehen“, sagt Kai L.

Piet, der zweite Schäferhund, der an diesem Nachmittag im Einsatz ist und der mit seinen dreieinhalb Jahren am Anfang seiner Karriere steht, springt mit den Vorderläufen auf das Waschbecken im engen Werkstattbad, schnüffelt an der Klobürste und am Seifenspender, springt auf die Holztische, auf denen Nähmaschinen aufgeschraubt sind, springt wieder hinunter, kriecht unter die Bänke, überall dorthin, wo sein Herrchen Harald M., 47, mit dem Finger zeigt. Etwa 20 Minuten hält ein Hund diese Suche durch, abhängig von Luftfeuchtigkeit und Raumtemperatur. Dann ist er erschöpft.

„Wir suchen hier nach Kleinstmengen, deshalb müssen unsere Hunde besonders gut ausgebildet sein“, sagt Kai L. Mit einem Jahr werden die Hunde in Dienst gestellt, mit etwa zehn Jahren ist Schluss. Odin wird deshalb bald entlassen, wird dann nur noch bei Steffen P. in Haus und Garten herumschnüffeln. „Wir sondern nur aus, wenn der Hund körperliche Einschränkungen hat. Der Wille ist jedoch meist noch da, bis zum Ende“, sagt Kai L. Mit Odin endet in Hamburg auch eine Epoche.

Der Neuneinhalbjährige ist der letzte Aktivhund der Einheit, alle anderen arbeiten passiv. Heißt: Während seine vierbeinigen Kollegen „einfrieren“, wenn sie etwas gefunden haben, und stocksteif stehen bleiben, fängt Odin erst richtig an. Schabt, kratzt, schiebt, rüttelt. Die Arbeit mit Passivhunden habe sich in den letzten Jahren durchgesetzt, sagt Kai L. Warum? Dass eine Art besser sei, könne er nicht sagen. Allerdings lassen Passivhunde den Fundort unangerührt, was bei der Spurensuche helfen und auch den Lack eines Wagens bei der Durchsuchung schonen kann.

Auch wenn beide Hunde an diesem Nachmittag ihr Erfolgserlebnis haben – die Näherei ist clean. Alle Funde stammen aus Kais Cannabis-Box. „Uns interessiert natürlich, ob sich die Gefangenen schon zu sicher fühlen und ein Versteck angelegt haben“, das wäre ein schlechtes Zeichen. In der Sozialtherapeutischen Anstalt hat Piet vor drei Wochen vier Gramm Haschisch unter einem Kühlschrank der offenen Küchen entdeckt, ebenso viel hat Odin im Türknauf der Werkstatt einer anderen Anstalt gefunden.

„Wir haben den Laden gut im Griff“, sagt Kai L., der 15 Jahre beim Zoll arbeitete, bevor er zur Revisionsgruppe wechselte. Seit 1996 gibt es die Truppe. Bei Einsätzen sind sie immer zu dritt. „Und wir haben keine Zeit im Nacken, das ist gut“, sagt Kai L.

Zahl der in den Haftanstalten gefundenen Drogen ist rückläufig

Er meint, im Gegensatz zu den Stationsbeamten, die die Einschlusszeiten und anderen Regelmäßigkeiten eines weggesperrten Lebens dirigieren. Eine Struktur, die auch von der Revisionsgruppe nicht durcheinandergebracht werden sollte. Jede Veränderung birgt Gefahren: Wenn sich durch eine Kontrolle etwa die Essensausgabe verschiebt, ist das für das Knastklima überhaupt nicht gut.

Die Zahl der Drogen, die in den Hamburger Haftanstalten gefunden wurden, sei rückläufig, heißt es aus der Justizbehörde. 40 Gramm Drogen, zumeist Cannabis, habe die Revisionsgruppe 2014 bisher sichergestellt, dazu 15 Handys, 13 Chipkarten, vier USB-Sticks und 925 Euro Bargeld, sagt Sprecher Thomas Baehr. „Die Beamten kommen von außen in die Anstalten, oft unangekündigt. Sie haben deshalb schon einen ganz anderen Blick darauf.“

Allerdings ist das nur ein Teil dessen, was insgesamt gefunden wird: 2013 waren es 86 Mobiltelefone, USB-Sticks und Chips, 24 Liter Alkohol, fast 640 nicht zugelassene Tabletten und 62 Rauchgeräte – selbst gebaute Wasserpfeifen, mit denen man etwa Cannabis konsumieren kann. Außerdem 97 Klingen, teilweise auch Messer, 35 gefährliche Gegenstände wie einen selbst gebauten Schlagring, 27 meist selbst gebaute Werkzeuge, darunter auch Hammer oder Meißel und mehr als 1900 Euro Bargeld. Auch sechs Tattoo-Geräte waren dabei – mit Tätowieren können die Insassen im Gefängnis Geld machen. Gut 1,5 Kilo Hefe wurden sichergestellt, die die Häftlinge zum Herstellen von Alkohol nutzen. Die Drogenfunde dagegen bewegten sich im Grammbereich. So wurden fast 16 Gramm Heroin, knapp 30 Gramm Kokain und gut 130 Gramm Cannabis entdeckt.

Von den Hunden erwartet Kai L. 100 Prozent Einsatz: „Wir brauchen keine schönen Hunde, sondern Gebrauchshunde. Wir können uns nicht erlauben, dass ein Hund nicht funktioniert.“ Schon deshalb, weil die Integration in die Familien der Hundeführer dauert und die Ausbildung kostet. Doch bislang hätten sie bei der Auswahl ein gutes Händchen bewiesen. Odin jedenfalls darf bald in den Ruhestand. Für seinen Einsatz bekommt er eine kleine Pension ausgezahlt – so wie jeder andere gute Staatsdiener auch.