Sechs Standorte wollen Unterricht und Nachmittagsbetreuung miteinander verzahnen – ein Modell für ganz Hamburg
Hamburg. An den meisten Grundschulen ist der Tag eng getaktet: Vormittags steht der Unterricht auf dem Programm, von 13 Uhr an gibt es Mittagessen, dann folgen die Hausaufgabenbetreuung und schließlich Kursangebote wie Klavierspiel oder Töpfern. Inhaltlich greifen diese Angebote selten ineinander und personell schon gar nicht: Die Lehrer sind für den Unterricht zuständig, Erzieher für die Betreuung am Nachmittag. Aus Sicht des Paritätischen Wohlfahrtsverbands ist das eine wesentliche Crux der Ganztägigen Bildung und Betreuung an Schulen (GBS). Er hat deshalb eine Initiative gestartet, die die Angebote sehr viel enger miteinander verzahnen und so den Ganztag verbessern soll. „Wir gehen aufs Ganze“ heißt das Modell, an dem sich die Schule auf der Uhlenhorst, die Schulen Tonndorf und Traberweg sowie die Grundschulen Turmweg, Lohkampstraße und Arp-Schnitger-Stieg mit ihren jeweiligen Kooperationspartnern der Jugendhilfe beteiligen.
Die sechs Schulen wollen zeigen, wie guter Ganztag gelingen kann, und so wegweisend für ganz Hamburg sein. Der Schlüssel ist nach Überzeugung von Martin Peters, Referent für Frühe Bildung, Betreuung und Erziehung beim Paritätischen Wohlfahrtsverband, eine engere Zusammenarbeit von Lehrern und Erziehern, die durch eine gemeinsame Stunde am Mittag ermöglicht werden soll. Statt wie bisher nach Unterrichtsende um 13 Uhr zu übernehmen, kommen die Erzieher bereits um 12 Uhr und gestalten eine Stunde gemeinsam mit den Lehrern. „Damit die beiden Professionen – Lehrer und Erzieher – an einem Strang ziehen und den Ganztag aus einem Guss gestalten können, brauchen sie mehr gemeinsame Zeit. Diese Basis fehlt bisher“, sagt Peters. Die gemeinsame Stunde werde die Bruchstelle am Nachmittag schließen. „Wir wollen Hamburg zeigen, wie großartig Ganztag sein kann.“
Miteinander statt nacheinander ist die Devise. Und durch eine bessere Verzahnung, so glaubt er, entstünden ungeahnte positive Effekte. Wenn beispielsweise im Unterricht am Vormittag der Zahlenraum von 1 bis 1000 Thema ist, könnte am Nachmittag für die Kinder der Einkauf im Stadtteil, das gemeinsame Wiegen und Abmessen der Zutaten und das Backen auf dem Programm stehen. Lernten die Kinder im Deutschunterricht einen Brief zu schreiben, könnten sie ihn nachmittags mit den Erziehern richtig frankieren und zur Post bringen. Auch für eine gute Hausaufgabenhilfe sei es wichtig, sich abzustimmen. „Erst so wird der Ganztag für die Kinder, aber auch für die Eltern und Pädagogen zum Gewinn“, so Martin Peters. Ziel sei es, den Ganztag vom Kind aus zu denken und nicht von den verschiedenen Systemen Schule, Mittagsversorgung und Nachmittagsbetreuung. Um die bessere Verzahnung zu ermöglichen, gehen vor allem die Kinder- und Jugendhilfe-Träger, die den Ganztag an den Schulen organisieren, finanziell in Vorleistung. Die Schulen stellen ihre Mittel für die sogenannten Kooperationszeiten zur Verfügung, die Träger aber tragen den größten Teil der Kosten für die zusätzliche Arbeitsstunde der Erzieher und Erzieherinnen am Mittag. Das allerdings ist angesichts der Budgets der Träger nur für ein Jahr denkbar. Die Beteiligten hoffen, dass ihr Modell eine solche Strahlkraft entwickelt, dass es Nachahmer findet – und sich auch die Schulbehörde an den Mehrkosten beteiligt. An der Schule Traberkamp, wo die stärkere Verzahnung seit Beginn des Schuljahrs Wirklichkeit ist, hat man bereits positive Erfahrungen gesammelt. „Was das für eine Qualitätssteigerung bedeutet merken wir schon jetzt“, sagt Schulleiter Jörg Behnken. „Kinder lernen auch wenn sie nicht am Tisch sitzen. Sie sollen Mathe und Deutsch im Alltag begegnen und erfahren, wie sie Wissen praktisch anwenden.“ Die Erzieher nähmen Impulse vom Vor- in den Nachmittag mit, sagt Inge Schröder vom Jugendhilfeträger Hamburger Schulverein von 1875 e.V., der mit der Schule Traberweg kooperiert.
Der Vorsitzende der Elternkammer Hamburg, Gerrit Petrich, begrüßt die Initiative. „Die mangelhafte Verknüpfung von Vor- und Nachmittag, inhaltlich wie personell, ist seit der Einführung von GBS einer unserer Hauptkritikpunkte. Dass der Paritätische hier ansetzt, zeigt, dass nicht nur wir Eltern diesen Mangel empfinden. Mit dieser Initiative verbinde ich die Hoffnung, dass durch eine stärkere Verknüpfung die Qualität des Ganztagsangebots verbessert werden kann.“ Ein besseres Ineinandergreifen der Angebote sei auch das Anliegen der Schulbehörde, versichert deren Sprecher Peter Albrecht. Man werde sich das Modell der sechs Schulen genau anschauen.