Der Chiphersteller expandiert in Hamburg und baut ein neues Gebäude an seinem Sitz in Lokstedt. Harter Kampf mit der Konkurrenz wie Samsung oder Infineon um die besten Spezialisten.
Hamburg. Ruediger Stroh sitzt praktisch mehr im Flugzeug als an seinem Schreibtisch. „200 Flüge waren es im letzten Jahr“, sagt der Geschäftsführer von NXP lachend. Er reist zwischen den Welten, vom Silicon Valley nach Korea, von China um den halben Erdball in die Niederlande. Er trifft die Spitzenmanager von Google oder Samsung, tourt mit der Bundeskanzlerin durch Asien. Am Ende landet Ruediger Stroh aber immer wieder in Hamburg, er fährt nach Lokstedt und checkt in den Hochsicherheitstrakt bei NXP ein. Der 51-Jährige ist Geschäftsführer des Chipherstellers mit 1700 Mitarbeitern in der Hansestadt und fährt hier den Kurs, den die Weltmärkte ihm vorgeben.
Auf den Businesstrips von Stroh geht es um nichts weniger als die Zukunft. Um die Frage, wie wir künftig bezahlen, ohne umständlich eine PIN-Nummer einzugeben. Wie wir unsere Rollläden zu Hause aus dem Urlaub steuern, um es Einbrechern schwerer zu machen. Ob wir schon bald das Auto mit dem Smartphone öffnen anstatt mit dem Schlüssel. Die Chips für alle diese Anwendungen werden in Hamburg entwickelt, und schon bald soll die Forschung rund um diese Produkte bei NXP noch einmal deutlich ausgebaut werden.
Ein neues Bürogebäude auf dem Gelände des Unternehmens im Norden der Stadt soll Platz schaffen für das Wachstum, das NXP in den nächsten Jahren plant. In den vergangenen fünf Jahren hat sich die Mitarbeiterzahl im Bereich Sicherheitschips bereits mehr als verdoppelt auf heute 330. Insgesamt will der Konzern in Hamburg 130 zusätzliche, feste Stellen bis Ende 2015 schaffen. Nächstes Jahr sollen auf dem Betriebsgelände die Bauarbeiten für das 8000 Quadratmeter große Gebäude beginnen, das 550 Arbeitsplätze bietet. Schließlich war der Bereich bei NXP zuletzt aus allen Nähten geplatzt. Neue Mitarbeiter waren in zugemieteten Flächen außerhalb des NXP-Geländes untergebracht oder arbeiteten sogar in Containern auf dem Parkplatz.
Das einst zu Philips gehörende Unternehmen mit Zentrale im niederländischen Eindhoven ist nach eigenen Angaben inzwischen zum weltweit größten Anbieter von Sicherheitschips gewachsen. Mit großem Abstand folge Infineon auf Platz zwei, sagt Stroh, der nicht nur Sprecher der Geschäftsführung für NXP Deutschland ist, sondern das Geschäft mit den Halbleitern als Konzernvorstand in der NXP-Gruppe auch weltweit verantwortet. Dass der Bereich der Sicherheitschips, deren Abnehmer wie Apple, Samsung oder China Inc. auf der Welt verteilt sitzen, nun ausgerechnet in Hamburg ausgebaut wird, ist für Stroh nicht verwunderlich. „Hier hat dieses Segment eine lange Tradition“, sagt der Wirtschaftsingenieur. Und nun gelte es, international mit exzellenten Elektrotechnikern, Mathematikern oder Physikern die Nase vorn zu behalten.
„Wir brauchen die Besten der Besten“, sagt Stroh, der die Belegschaft bei NXP mit Sätzen wie „Nichts ist unmöglich“ oder „alles, was nicht die Nummer eins ist, gefällt uns ganz und gar nicht“ in zwei Lager spaltet: Manche Mitarbeiter verehren den Visionär, nicht wenige lehnen die direkte Art und den unverblümten Ehrgeiz des Formel-1-Fans allerdings auch ab.
Als Stroh 2009 an die Spitze bei NXP wechselte, nach Stationen bei Siemens, Infineon und kalifornischen Start-ups, stand der Standort Hamburg aus seiner Sicht am Wendepunkt. „Schließen oder wachsen“, sagt der Manager, seien die beiden einzigen Alternativen gewesen. „Ich bin die ersten sechs Wochen ausschließlich bei den Kunden unterwegs gewesen“, erinnert sich Stroh an den Start an der Elbe. „Wir waren ihnen zu langsam, zu teuer, zu arrogant“, hat Stroh in den Gesprächen hören müssen. Wieder daheim in Lokstedt habe er Kritikern seines neuen Kurses dann schnell klargemacht, dass er weniger auf den Job angewiesen sei als sie selber und habe auch bei unflexibleren Gemütern manche Neuerung durchgesetzt.
Inzwischen ist die Sicherheitstechnik mit Chips, die vor Hacking und Manipulation schützen, vom kleinsten zum wichtigsten Bereich im Konzern gewachsen. 48 Prozent aller Bezahlkarten, die 2013 weltweit in Umlauf gebracht wurden, sind nach Angaben der Firma mit NXP-Chips ausgestattet. Mit den an der Alster entwickelten Halbleitern kaufen also täglich 400 Millionen Kunden ein, denn die Chips sind Teil ihrer EC- oder Kreditkarte. Mit Chips, die in Hamburg entwickelt wurden, reisten heute zudem 1,2 Milliarden Menschen um die Welt: Die Produkte schützen Pässe vor der Fälschung, aber auch Gesundheitskarten oder elektronische Führerscheine, die in den USA, in Deutschland, China, Russland oder Indonesien im Einsatz sind.
Um in diesen sensiblen Anwendungen weiter zu den Innovationsführern zu gehören, investiert NXP 15 Prozent seines Umsatzes in die Forschung und Entwicklung. „Hier kommt es einzig und allein auf die Spitzenkräfte an“, sagt Stroh. Manche Spezialisten seien weltweit so rar, dass er sogar verheimliche, wer bei NXP arbeitet, aus Angst vor Konzernen wie Apple oder Samsung, die die Leute abwerben. „Wir haben hier Koreaner und Amerikaner – die Kunden verlangen, dass die Experten ihre Sprache sprechen und den Markt verstehen“, weiß Stroh. Der Manager selber unterhält auch aus diesem Grund zwei Lebensmittelpunkte. Er lebt in Kalifornien und in Hamburg-Eppendorf.