Im Interview mit dem Abendblatt spricht Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) über den neuen Haushalt, die Beteiligung an Hapag-Lloyd und warum die Stadt unbedingt die Rote Flora zurückkaufen will.

HamburgIn den kommenden Tagen beginnt die Bürgerschaft mit der Beratung des Haushalts 2015/2016. Kurz vorher wurde bekannt, dass der Etat Mitte 2014 sogar im Plus ist. Über diese und andere Themen sprach das Abendblatt mit Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD).

Hamburger Abendblatt: Hamburg hat im ersten Halbjahr 2014 einen Überschuss von mehr als einer halben Milliarde Euro erzielt, wohl der größte Überschuss in der Geschichte der Stadt. Was haben Sie gedacht, als Sie die Zahl gehört haben?

Peter Tschentscher: Das gesamte Jahr läuft schon sehr gut, daher hat mich das Ergebnis nicht überrascht. Das Halbjahresergebnis ist aber im Vergleich zum Gesamtjahr immer deutlich besser, weil sich in Hamburg die Einnahmen und Ausgaben nicht gleichmäßig über das Jahr verteilen.


Wie viel Prozent davon ist dem Zufall, also der Konjunktur, und wie viel der Politik des Senats zuzuschreiben?

Tschentscher: Beides hat seinen Anteil. Wir sind im vierten Jahr des Finanzkonzepts des Senats und haben den jährlichen Ausgabenanstieg planmäßig auf unter ein Prozent pro Jahr begrenzt. Die Steuereinnahmen schwanken konjunkturell, steigen aber im Durchschnitt um zwei Prozent pro Jahr. Es wird von Jahr zu Jahr deutlicher, dass unser Konzept greift.

Wie wahrscheinlich ist es, dass die Stadt schon 2014 erstmals seit 2008 ohne Neuverschuldung auskommt?

Tschentscher: Wenn die gute Konjunktur anhält, wird es immer wahrscheinlicher. Das Defizit wird sicher geringer ausfallen als geplant. Es kann sein, dass wir schon in diesem Jahr keine neuen Schulden mehr machen müssen. Und ich würde auch nicht mehr ausschließlich, dass wir das Jahr sogar mit einem Überschuss abschließen. Alles ist möglich.

Vorausgesetzt, es bleibt etwas übrig: Was macht der Senat mit dem Geld? Zurücklegen für schlechte Zeiten, Wahlgeschenke finanzieren oder Schulden tilgen?

Tschentscher: Auch in den letzten Jahren haben wir unvorhergesehene Mehreinnahmen nicht für zusätzliche Ausgaben verwendet, sondern die Neuverschuldung gesenkt. Für Wahlgeschenke gibt es keinen Spielraum. Der Haushaltsplan 2014 steht seit zwei Jahren und wird nicht geändert. Wenn es aufgrund der guten Konjunktur tatsächlich zu einem Überschuss kommt, müssen wir als Erstes Kredite tilgen.

Ihre Planung für den Haushalt 2015/2016 sieht eine Steigerung der Ausgaben um drei Prozent vor. Versprochen hatten Sie maximal 0,88 Prozent.

Tschentscher: Nein, es bleibt bei unserer Ein-Prozent-Linie. Wir stellen aber den gesamten Haushalt auf die Doppik, also einen kaufmännischen Haushalt um. Unter anderem veranschlagen wir unsere Ausgaben jetzt anders als bisher und verzichten auf viele sogenannte Leertitel. Die hatten wir bislang dort, wo die Einnahmen und zugehörigen Ausgaben nicht genau absehbar waren. Auch durchlaufende Posten wurden oft nicht in voller Höhe ausgewiesen –zum Beispiel Mittel aus dem Hochschulpakt, die wir vom Bund erhalten und den Hochschulen in gleicher Höhe auszahlen. Die neuen Haushaltspläne enthalten hierzu realistische Ansätze, am tatsächlichen Ausgabevolumen ändert sich dadurch aber nichts.

Wie das? Diese Leertitel wurden auch bislang irgendwann gefüllt und das Geld ausgegeben. Wenn das den Haushalt nicht ausgedehnt hat, muss an anderer Stelle gespart worden sein. Die Opposition unterstellt dem Senat daher, dass er die Umstellung trickreich nutze, um die Ausgaben zu erhöhen.

Tschentscher: Wir tricksen nicht, wir haben auch keinen Grund dafür. Wir wollen den Haushalt konsolidieren. Die Unterstellungen der Opposition sind nicht neu und haben sich auch bisher nie bestätigt. Das Wirtschaftsprüfungsunternehmen PwC hat die Hamburger Haushaltskonsolidierung im Ländervergleich gerade als sehr erfolgreich eingestuft.

Zu Ihrem Ressort gehören auch Beteiligungen wie Hapag-Lloyd. Die Reederei fährt länger Verluste ein als erwartet. Das belastet auch den Haushalt. Inwiefern bereuen Sie die Aufstockung der städtischen Anteile?

Tschentscher: Gar nicht. Das war eine wichtige und weitsichtige Entscheidung. Der Containerumschlag im Hafen entwickelt sich gut. Die hohen Steuereinnahmen sind vor allem auf die gute Hamburger Wirtschaft zurückzuführen. Der Boom im Hafen ist ohne Hapag-Lloyd nicht denkbar, weil die Reederei mit mehr als 50 Prozent zum Containerumschlag in Hamburg beiträgt.

Dennoch macht sie Verluste...

Tschentscher: Sicher hätten wir lieber ein Unternehmen, das eine Dividende zahlt. Aber das war nicht der Grund für den Einstieg der Stadt bei Hapag-Lloyd, den schon der Vorgängersenat beschlossen hat. Bei unserer Entscheidung 2012 ging es darum, Hapag-Lloyd aus einer Vertragslage zu befreien, die das Ende der Reederei in Hamburg bedeutet hätte. Wir haben Hapag-Lloyd damit eine gute Zukunft in Hamburg ermöglicht und auch die Grundlage für den Zusammenschluss mit CSAV gelegt, der eine große Chance bedeutet.

Kann man sagen, dass die Einnahmen, die Hapag-Lloyd der Stadt direkt oder indirekt beschert, größer sind als die Verluste, die die Beteiligung der Stadt einbrockt? Schließlich muss die städtische HGV 15 Millionen Euro Zinsen im Jahr für den Kredit bezahlen, mit dem sie die zusätzlichen Anteile finanziert hat.

Tschentscher: Ja. Die positiven gesamtwirtschaftlichen Effekte überwiegen bei Weitem. Die Stadt hat viele Beteiligungen, deren Ergebnisse sich gegenseitig ausgleichen. Es gibt keine Eins-zu-Eins-Wirkung auf den Haushalt, wie gelegentlich vorgerechnet wird. Der Verlustausgleich, den unsere Konzernholding HGV 2013 von der Stadt bekam, war deutlich geringer als im Haushalt geplant und er wird auch 2014 nicht höher sein als veranschlagt.

Aber er könnte noch geringer sein, wenn da nicht die 15 Millionen wären...

Tschentscher: Stimmt, aber man kann es eben nicht eins zu eins vergleichen. Im Übrigen haben CDU und Grüne, die Hapag-Lloyd jetzt auf einmal kritisieren, den größeren Teil der städtischen Anteile 2009 zu einem höheren Preis und deutlich höheren Zinsen selbst gekauft. Die finanzielle Belastung aus diesem ersten Schritt ist deutlich höher als aus dem zweiten, mit dem wir einen Mehrheitsverkauf von Hapag-Lloyd endgültig abgewendet haben.

Ende der Woche stellt die HSH Nordbank Zahlen vor. Wie sehr beunruhigt Sie diese städtische Beteiligung?

Tschentscher: Die HSH kommt mit ihrem Umbau und dem neuen Geschäftsmodell immer besser voran. Die Bilanzsumme wurde seit 2009 fast halbiert, die Gewährträgerhaftung der Länder ist von 65 auf 25 Milliarden Euro gesunken, und die von der Ländergarantie abgesicherten Risiken wurden von 185 auf 60 Milliarden Euro abgebaut. Damit sind die Risiken aus den früheren Geschäften der Bank deutlich zurückgegangen, aber sie sind immer noch bedrückend hoch. Obwohl die Bank jedes Jahr Hunderte Millionen Euro an Garantiegebühren für die Länder aufbringen muss, zeigt vor allem die Kernbank gute Ergebnisse. Trotzdem sind wir noch nicht durch und müssen die Neuausrichtung der HSH weiter begleiten.

Die Stadt könnte bald eine weitere riskante Beteiligung bekommen – die Rote Flora. Noch gehört sie Klausmartin Kretschmer, der sie der Stadt 2011 für umgerechnet 190.000 Euro abgekauft hatte. Seit der Gläubigerversammlung ist die Flora offiziell auf dem Markt, die Stadt ist der einzige Interessent. Was sind Sie bereit zu bezahlen?

Tschentscher: Das besprechen wir mit dem Insolvenzverwalter. Es bleibt dabei: Herr Kretschmer hat keinen Anspruch mehr auf die Rote Flora und wir wollen sie zurück. Wir wollen an der Nutzung der Immobilie und des Geländes nichts ändern und auch keine weiteren Polizeieinsätze, nur weil Herr Kretschmer die Stadt mit Verkaufs- und Umbauandrohungen in Aufruhr versetzt.

Wie sicher sind Sie, das Gebäude zurückzubekommen?

Tschentscher: Wir gehen davon aus, dass Herr Kretschmer schon jetzt nicht mehr rechtmäßiger Eigentümer ist, weil er seine Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag verletzt hat. Wir sind auch bereit, etwas dafür zu bezahlen und verhandeln darüber mit dem Insolvenzverwalter.

„Verhandeln“ heißt aber auch, dass Sie mehr als die 190.000 Euro zahlen würden, für die die Stadt das Gebäude laut Vertrag zurückkaufen kann?

Tschentscher: Es gibt drei Handlungsebenen: Erstens das Angebot Anfang des Jahres, das Gelände für 1,1 Millionen Euro zu kaufen. Das hat Herr Kretschmer abgelehnt, so dass es hinfällig ist. Zweitens gibt es die vertragliche Regelung, wonach wir die Immobilie für 190.000 Euro zurückkaufen können. Diesen Anspruch haben wir wegen des Insolvenzverfahrens zurückgestellt, aber nicht aufgegeben. Das Insolvenzverfahren ist die dritte Ebene, auf der wir derzeit verhandeln, aber nicht über die Zeitung.