Eine Hamburger Firma tüftelt an einem Space-Shuttle, mit dem Passagiere in den Weltraum fliegen und kurz schwerelos sein können – für 150 000 Euro pro Ticket. Doch das Projekt hat mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen.
Hamburg. Plötzlich löst sich das Space-Shuttle vom Rücken des Flugzeugs und saust gen Universum. Der Wasserstoff-Antrieb schießt es höher und höher, über 100 Kilometer, bis es im Weltraum stoppt. Eine sonore Frauenstimme erklingt im Off, Sterne glimmen. Langsam fliegt der Gleiter mit den Panoramafenstern eine Parabel, stürzt nach fünf Minuten wieder senkrecht auf die Erde und landet sacht – soweit zumindest der ehrgeizige Plan. 150.000 Euro – so viel soll dieser Flug pro Person kosten. Ein Teil des Konzepts dazu stammt von v-plan, einer Hamburger Design-Firma für kleine Flugzeuge. Doch das Projekt kommt derzeit kaum voran.
Bislang spielt sich der Weltraumflug lediglich als Video auf einem Bildschirm ab. „Prinzipiell ist es simpel“, sagt Joachim Lau, Geschäftsführer von v-plane in seinem Büro in Hamburg-Bahrenfeld; neben ihm ein Modell des sogenannten suborbitalen Flugzeugs. Das soll den Weltraum mit maximal acht Passagieren erschließen, indem es auf dem Rücken eines Flugzeugs auf zwölf Kilometer Höhe gebracht wird, sich dann löst und in den Orbit fliegt. Für fünf Minuten Schwerelosigkeit – für Wissenschaftler und Touristen.
Booster, ein internationales Konsortium aus Belgien, hat die Hamburger Firma vor sechs Jahren beauftragt, dieses Projekt zu konzipieren. Mehr als 30 Firmen seien beteiligt, gebaut ist jedoch noch nichts. „Wir sind die Mission in einer Simulation geflogen“, erklärt Lau. „Nun muss sich der Markt öffnen.“
Just da liegt das Problem. Vor zwei Jahren hatte Booster-Gründer James Murray prognostiziert, dass 2016 die ersten Weltraumflüge möglich seien. Doch das Ziel war zu hochgesteckt. Höchstens am Ende dieses Jahrzehnts werde es klappen, heißt es nun.
Warum die Verzögerung? Schnell stößt man bei der Recherche auf das US-Unternehmen Virgin Galactic des Multimilliardärs Richard Branson, der ebenfalls suborbitale Flüge anbieten möchte. Doch seit 2009 wird die erste Mission immer wieder verschoben. Investoren würden aber auf den Erfolg dieses Projekts warten, sagt Murray. Es sollte „den Weg pflastern“. Bereits 600 Menschen haben Tickets für 250.000 Dollar gekauft. „Ich habe mir das anders vorgestellt“, sagt Murray.
Vor allem der Antrieb sei ein Problem, erklärt Ulrich Walter, ehemaliger Astronaut und Professor für Raumfahrttechnik an der Technischen Universität München. Nun stehe Virgin Galactic unter enormen Druck. Frühestens nächstes Jahr seien Flüge möglich, sagt Walter. In Europa fehle indes das Geld für Weltraumflüge, meint er. Hinzu kämen rechtliche sowie versicherungstechnische Bedenken. Walter rechnet nicht damit, dass ein Markt geschaffen wird, wenn Virgin Galactic die ersten Missionen gelingen: „Pustekuchen, die räumen dann den Markt ab.“
Fraglich ist auch: Wird das Booster-Projekt von der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) zugelassen? „Wir können niemanden deren Zertifizierung vorher versprechen“, sagt Jean-Bruno Marciacq, der seit sieben Jahren bei der EASA für die Entwicklung von Regeln und Gesetzen für diese Art von Luftfahrt zuständig ist. Die europäische Industrie meine, eine Lizenz von der Behörde sei essenziell. „Dadurch werden sie das Vertrauen der Investoren, Versicherungen und der potenziellen Passagiere gewinnen.“ Europa brauche ein Sicherheitskonzept für diese neuen Luftfahrtzeuge, sagt Marciacq, vergleichbar mit dem US-FAA (Federal Aviation Administration) Licensing System, das seit 2004 existiert. „Das in Europa zu entwickeln, ist komplizierter und kann länger dauern, weil die Europäische Kommission und das Parlament zustimmen müssen.“ Mittlerweile sei die Behörde aber bereit, mit der Industrie technische Kompromisse zu erarbeiten.
Ein Unterschied zu heutigen Passagierflügen sei, dass Fluggäste vorher trainiert und gesundheitlich untersucht werden müssten. Der Weltraumtourismus sei aber nur die „Spitze des Eisbergs“, sagt Marciacq. Auch die Wissenschaft sei interessiert an diesen Flügen: Es böten sich mehr und billigere Möglichkeiten, Experimente in der Schwerelosigkeit zu machen: „Moleküle und Kristalle bilden sich besser als auf der Erde, neue Medikamente und Metalle könnten so hergestellt werden.“
In ferner Zukunft sei es mit den suborbitalen Fliegern vielleicht sogar möglich, in eineinhalb Stunden von Hamburg nach New York zu reisen, sagt Murray. „Das könnte am Ende einer solchen Entwicklung stehen.“ Fünf Unternehmen weltweit tüfteln an vergleichbaren Projekten. Nun ist die Frage, wer die erste Mission wagt.