Vor zehn Jahren kam das Schiff zum ersten Mal nach Hamburg und löste einen Boom bei Kreuzfahrten und Tourismus aus
Als die „Queen Mary2“ am 19. Juli 2004 erstmals am Terminal in der HafenCity festmachte, ahnte wohl kaum einer der Beobachter, dass Hamburg einmal so etwas wie ein heimlicher Heimathafen dieses mittlerweile legendären Kreuzfahrtschiffs der britischen Cunard Line sein würde. Ein Datum, das sich an diesem Sonnabend mit dem inzwischen 41. Anlauf der „QM 2“ zum 10. Mal jährt. Und ein Datum, das als Symbol für einen ungeheuren Aufschwung der Kreuzfahrtbranche und des Tourismus in Hamburg steht.
Die überraschend hohe Zahl von gut 400.000 Zuschauern, die damals den Transatlantik-Liner bestaunten, deutete schon darauf hin: Jetzt nimmt die Kreuzfahrtbranche in Hamburg Fahrt auf. Ein Jahr später säumten sogar eine halbe Million Menschen die Elbufer bei einem erneuten Besuch der „Queen Mary 2“ – in jener Stadt, in der Albert Ballin (1857–1918) als Hamburger Reeder die Kreuzfahrt überhaupt erfunden hatte.
Die Bilder von dem eleganten Schiff vor der Kulisse von Michel, Landungsbrücken und Hafen gingen um die Welt. Man sah die Begeisterung der Hamburger, die sich auch bei späteren Ankünften der „Queen Mary2“ zu Tausenden an die Elbkante stellten und das Schiff und seine Passagiere winkend und lächelnd immer wieder empfingen. Ein großer Hafen, mitten in einer schönen Stadt – das gibt es nicht oft. „Viele internationale Touristen nahmen so Hamburg erst als Ziel wirklich wahr“, sagt Sascha Albertsen, Sprecher der Hamburg Tourismus GmbH.
Zwar sind die eigentlichen Übernachtungszahlen von „QM“- und anderen Kreuzfahrt-Passagieren im Verhältnis gering, doch gerade dieses Image einer fröhlichen Hafenstadt mit langer Tradition ließ die Gesamtzahlen geradezu explodieren. Vor allem bei den Übernachtungen, die als harte Währung im Tourismusgeschäft gelten. Im Jahr des ersten „QM2“-Anlaufs registrierte die Hamburg Tourismus knapp sechs Millionen Übernachtungen. Aktuell liegt die Zahl nach jüngster Erhebung für 2013 bei rund 11,6 Millionen. Eine Steigerung um mehr als 90 Prozent.
Gut sechs Milliarden Euro erwirtschaftet der Tourismus in Hamburg im Jahr in den Bereichen Gastgewerbe, Einzelhandel und Dienstleistungen. Das entspricht gut sieben Prozent der gesamten Wertschöpfung der Hamburger Wirtschaft. Für etwa 97.000 Hamburger Haushalte ist der Tourismus hauptsächliche Einkommensquelle. Und das breite Angebot an Kultur, Unterhaltung und Gastronomie wäre wohl lange nicht so groß ohne die Touristenströme. Auch das ist ein Gewinn für die Stadt und seine Bewohner, wie Albertsen sagt.
Zunächst wollte Cunard seine Schiffe gar nicht nach Hamburg schicken
Ein direkter Zusammenhang zwischen Schiff und Statistik lässt sich zwar nicht auf Kommastellen genau belegen – doch Tourismusexperte Albertsen sieht da schon eine hohe Korrelation. „Die maritime Identität mit allen ihren Facetten ist Grundlage dieser Erfolgsgeschichte“, sagt er. Hamburg verfüge so über einen international wahrgenommenen Reiseanlass, der enorm positiv besetzt sei. Albertsen: „Und das ist wiederum eng mit dem im Jahr 2004 begonnenen Engagement der Cunard Line verbunden.“ Die „Queen Mary 2“, so Albertsen, sei nun so etwas wie ein schwimmendes Wahrzeichen der Stadt.
Am Anfang zweifelte die Cunard-Reederei allerdings noch, ob ein Anlauf in Hamburg sinnvoll sei. Aber Anja Tabarelli, die Direktorin des Hamburger Cunard-Büros, blieb hart. Mit Erfolg. Die britische Traditionsreederei konnte ihre Passagierzahlen auf dem deutschen Markt in den vergangenen zehn Jahren durch die Hamburg-Anläufe verfünffachen, sagt Cunard-Sprecher Ingo Thiel.
An diesem Sonnabend, 19.Juli, trifft das 345 Meter lange Schiff bereits zum 41. Mal in der Hansestadt ein; neunmal wird sie allein 2014 in Hamburg Station machen. Zur Anlaufbilanz gehören allein fünf Werftaufenthalte. Für die Cunard Line hat der Werkstatt-Check einen guten Grund. Denn die Zusammenarbeit mit Blohm + Voss Repair klappt ausgezeichnet, heißt es. In den ganzen zehn Jahren war das Schiff deshalb noch nirgendwo anders auf der Welt im Trockendock – außer in Hamburg.
Für Firmen, Einzelhändler und Arbeitskräfte in der Hansestadt zahlt sich der „QM2“-Boom in bare Münze aus. Cunard-Sprecher Thiel schätzt, dass alle bisherigen Hamburger Anläufe und Werftaufenthalte zu Umsätzen, Gebühren und Dienstleistungen in einer Gesamthöhe von rund 300 Millionen Euro geführt haben. Allein beim Erstanlauf vor zehn Jahren mit dem großen Touristenstrom kam es zu einem Umsatzplus im Einzelhandel von 50 Millionen Euro.
Längst fahren die „QM2“-Passagiere nicht mehr zum überwiegenden Teil in die Bundeshauptstadt. Vor zehn Jahren war es noch fast 90 Prozent, die unbedingt Berlin – und nicht die Hansestadt – sehen wollten. Mittlerweile bleiben rund 70 Prozent gleich hier, 15 Prozent machen einen Landausflug nach Lübeck oder Lüneburg, und nur noch zehn Prozent zieht es nach Berlin. Im Schnitt geben die Passagiere pro Landgang 120 Euro aus.
Dass Hamburg bei den Reisenden so beliebt ist, hat auch mit einem Umdenken in der Politik zu tun. „Die Stadt“, sagt Ingo Thiel, „hat sich sehr ins Zeug gelegt, weil man erkannt hat, was Kreuzfahrt für Hamburg und die Wirtschaft bedeuten kann.“
Erkannt haben diese wechselseitige Befruchtung aber auch viele andere Kreuzfahrt-Reedereien. Bilder von begeisterten Menschen vor dem eigenen Schiff – das wollten sie auch. Immer mehr Unternehmen laufen daher Hamburg an. Hier lassen sie ihre Neubauten taufen, und die Stadt baut nach HafenCity und Altona im früheren Freihafen auf Steinwerder das mittlerweile dritte Kreuzfahrtterminal. In Zahlen liest sich das so: 2004 kamen noch etwa 50 Passagierschiffe nach Hamburg, in diesem Jahr werden es nach Angaben des Branchenverbands Hamburg Cruise-Center knapp 190 sein. Die Passagierzahlen kletterten in diesem Zeitraum von deutlich unter 100.000 pro Jahr auf die Rekordmarke von 600.000, die bis Endes 2014 erwartet werden. Längst hat Hamburg Warnemünde-Rostock als größter Passagierschiff-Hafen Deutschlands überholt.
Viele Spezialunternehmen sind in dieser Zeit mitgewachsen. SeeLive Tivoli Entertainment GmbH an der Seilerstraße etwa liefert vom Kostümzuschnitt über Choreografie bis zur Aufführung das komplette Showprogramm für die Aida-Flotte. Das Unternehmen Dauerflora in Moorfleet hat sich mit seinen künstlichen Grünpflanzen auf die Ausstattung von Kreuzfahrtschiffen spezialisiert.
Der Boom der Kreuzfahrt hat aber auch dunkle Seiten. Darauf verweisen in jüngster Zeit verstärkt Umweltverbände, wenn sie die hohen Schadstoffgehalte wie Schwefel und Ruß in den nahezu ungefilterten Schiffsabgasen kritisieren. Die Stadt diskutiert daher seit Jahren schon über Landstromanlagen oder eine Gasversorgung der Kreuzfahrer, die oft einen Energieverbrauch wie kleine Städte aufweisen. Doch die Begeisterung in Hamburg scheint ungebrochen – wie wohl auch die Bilder von dem Jubiläumsanlauf der „Queen Mary 2“ an diesem Sonnabend wieder zeigen dürften.