Der Einzelhandel erwartet vom ersten Ikea-Möbelhaus in einer Fußgängerzone einen Schub für den Stadtteil Hamburg-Altona. Ohnehin rechnet die Branche mit steigenden Umsätzen – auch dank neuer Angebote.
Hamburg. Die Aufregung war groß. Jahrelang. Schließlich plante Ikea ein Pilotprojekt. In der Fußgängerzone an der Großen Bergstraße in Hamburg-Altona sollte das weltweit erste City-Möbelhaus entstehen. Die einen fürchteten einen Verkehrskollaps – doch der blieb seit der Eröffnung am Montag bisher aus. 65.000 Kunden zählte das Unternehmen an den ersten Tagen, 94 Prozent davon kamen ohne Auto.
Andere fürchteten die Verdrängung kleiner, lokaler Geschäfte – doch weist der schwedische Möbelriese sogar auf das Sortiment benachbarter Händler hin. Wer durch das 18.000 Quadratmeter große Möbelhaus läuft, hört fast nur Positives von Kunden. Und wer die Einrichtungswelt auf sieben Stockwerken verlässt, kehrt häufig noch in ein benachbartes Café oder Geschäft ein.
„Eröffnung hat Sogwirkung auf die anderen Geschäfte“
Der Einzelhandelsverband erwartet für die Region einen kräftigen Schub. „Die Ikea-Eröffnung hat eine Sogwirkung auf die anderen Geschäfte in Altona“, sagt der Hamburger Geschäftsführer Wolfgang Linnekogel. Die Frequenz werde stark nach oben gehen. Wer seine Schaufenster attraktiv gestalte, locke Kunden in sein Geschäft. Bei einem längerfristigen Mietvertrag sei ein Laden gegenüber dem schwedischen Möbelhaus wie ein Lottovolltreffer. „Wer ein Geschäft in dem Umfeld hat und ein gutes Sortiment anbietet, hat im Prinzip eine Lizenz zum Geldverdienen“, sagt Linnekogel.
Nicht nur in Altona, generell erwartet der Branchenexperte für Hamburg ein gutes Jahr. „1,5 Prozent Umsatzwachstum ist ein realistischer Wert“, prognostiziert Linnekogel für 2014. Die Hansestadt werde 0,1 bis 0,2 Prozentpunkte besser abschneiden als der Bund. Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) stützt seinen Optimismus. Die deutschen Verbraucher sind so konsumfreudig wie seit 7,5 Jahren nicht mehr.
Der GfK-Konsumklimaindex für Juli stieg von 8,6 auf 8,9 Punkte. Nachdem die Europäische Zentralbank den Leitzins noch weiter auf das Rekordtief von 0,15 Prozent senkte, sind die Anreize zum Sparen erneut gesunken. Im Umkehrschluss geben die Menschen wieder gern ihr Geld aus. Zumal die inländischen Rahmenbedingungen sehr günstig seien, sagte GfK-Experte Rolf Bürkl. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt sei seit Längerem gut, die Inflationsrate niedrig und die Investitionsbereitschaft hoch.
Kauflust in Deutschland gestiegen
Zudem ließen sich die Deutschen nicht mehr von weltweiten Krisen einschüchtern und profitierten von angemessenen Lohnerhöhungen, so Linnekogel. „Die Bereitschaft, sich selbst etwas zu gönnen, wirkt wie ein kleines Konjunkturprogramm.“ Die starke Inlandsnachfrage war einer der Gründe dafür, dass das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland im ersten Quartal um 0,8 Prozent zulegte – so stark wie seit drei Jahren nicht mehr.
Auch dadurch befeuert hätten die Erlöse im ersten Halbjahr höher gelegen als im Vorjahreszeitraum. Zwar sei der Sommer bisher einen Tick zu kühl ausgefallen, aber generell würden Jahreszeit und Wetter dieses Mal gut zusammenpassen. Davon profitierten vor allem Mode- und Schuhgeschäfte. Auch im Freizeitbereich, für Fahrräder oder Campingartikel beispielsweise, werde viel Geld ausgegeben. „Bei Hobbys achtet man nicht auf den Preis“, sagt Linnekogel.
Der erwartete Impuls durch die Fußball-WM – in Vorjahren von mehr als 20 Prozent – blieb bei den Flachbildfernsehern hingegen aus. Offenbar habe es eine Marktsättigung gegeben, nachdem zur Europameisterschaft 2012, im vergangenem Sommer und im letztjährigen Weihnachtsgeschäft der Bereich florierte. Auch im Buchhandel liefen die Geschäfte im Verhältnis eher mau, weil der elektronische Markt weiterhin stark zulegt.
Immer mehr Modelabels und Designer mit eigenen Geschäfte
Mit neuen Ideen wappnet sich der stationäre Handel gegen den boomenden Onlinehandel. Der Shoppingcenterbetreiber ECE kündigte in dieser Woche eine Smartphone-App an, mit der Kunden im Alstertal-Einkaufszentrum auch außerhalb der Öffnungszeiten shoppen können. In mehr als 40 Geschäften kann die Ware geordert und noch am selben Tag dort abgeholt werden.
Für die City bringt Linnekogel eine Kooperation mit Fahrradkurieren ins Gespräch, die die Einkäufe am gleichen Tag nach Hause bringen. Dass der Einzelhandel lebe, zeige auch der City-Monitor der Handelskammer. Die Zahl der Geschäfte in der Alt- und der Neustadt sowie der HafenCity legte von 2010 bis 2013 sogar um fünf Prozent auf 1017 zu, ergab die Untersuchung. „Die große Nachfrage kommt insbesondere von international agierenden Unternehmen und von Markenartikelherstellern aus der Modebranche“, sagt der Handelskammer-Hauptgeschäftsführer Hans-Jörg Schmidt-Trenz.
Immer häufiger eröffnen global agierende Unternehmen ihre eigenen Geschäfte. Neben zahlreichen Modelabels und exklusiven Designern unterhalten beispielsweise die Sportartikelhersteller Nike und Adidas bereits sogenannte Flagshipstores, die japanische Marke Asics folgt in den nächsten Wochen. Zum einen können sie dann die Händler-Marge selbst einstreichen, wichtiger sei den Unternehmen aber, dass sie ihre Produkte erlebbar machen können, sagte Linnekogel: „Diese Markenpflege lassen sich die Konzerne etwas kosten.“ Selbst ein regionales Unternehmen wie der Elmshorner Haferflockenproduzent Kölln eröffnete vor Kurzem ein eigenes Geschäft am Speersort.
Outlets keine Gefahr für Händler
Eine generelle Gefahr für die lokalen Händler sieht der Hamburger Einzelhandelschef darin nicht, nur in Einzelfällen könne es zur Verdrängung eingesessener Geschäftsleute kommen. Auch die Factory-Outlet-Center auf der grünen Wiese sprächen eine spezielle Zielgruppe an – die Schnäppchenjäger.
Weil die Ware nicht aus der aktuellen Kollektion stammen dürfe, schieden Modebewusste als Käufer aus. Die Benzinkosten für die Fahrten nach Neumünster oder Soltau würden für viele Kunden die Preisvorteile zudem wieder aufwiegen. Eine ernsthafte Konkurrenz zu Innenstädten mit einem breiten Angebot seien sie daher nicht.
Ob Onlinehandel, Outlet-Center oder Flagshipstores – Linnekogel bleibt für Hamburg optimistisch. Nicht zuletzt sei Handel immer auch Wandel, wie man an dem neuen Konzept von Ikea in Altona sehe. Nach wie vor gelte: „Die Konkurrenz belebt das Geschäft.“