Die Hamburgerin hat es innerhalb weniger Jahre von der Schülerin zum international gefragten Topmodel geschafft. Entdeckt wurde sie 2006 auf dem Jungfernstieg. Heute engagiert sie sich als Plan-Botschafterin.

Sie ist der Typ, der in Pulli und Jeans umwerfend aussieht. Toni Garrn wartet in der Lobby des Hotels The George auf ihre Gesprächspartner, schnell wird noch eine Nachricht ins Smartphone getippt, dann ist sie voll da, knipst ihr Topmodel-Lächeln an und bricht gleich mal das Eis, indem sie Tee für den Gast bestellt.

„Lass uns du sagen“, sagt die 21-Jährige und schlägt ihre superlangen, schlanken Beine im Ledersessel übereinander. Normalerweise dauert es Monate, um einen Termin mit Toni Garrn zu bekommen. Schließlich pendelt das international gefragte Model für ihre Jobs ständig zwischen Hamburg, New York und Los Angeles hin und her. „Und eigentlich mag ich Interviews auch nicht besonders“, sagt Toni Garrn. „Da geht’s dann darum, wie ich mich schminke und was ich morgens zum Frühstück esse – total uninteressante Sachen.“ Aber auf dieses Interview habe sie sich gefreut, denn jetzt hat sie endlich mal wirklich etwas zu sagen.

Im Juni hat die Hamburgerin in ihrer neuen Funktion als Botschafterin der Kampagne „Because I am a Girl“ von Plan International Burkina Faso besucht. In einem der fünf ärmsten Länder der Welt unterstützt Toni Garrn ein Projekt, das jungen Frauen eine Ausbildung zur Grundschullehrerin ermöglicht. „Aus meiner eigenen Erfahrung weiß ich: Einen Schulabschluss zu haben, ist das Allerwichtigste“, sagt das Topmodel, das 2010 am Gymnasium Ohlstedt sein Abitur mit einem Schnitt von 2,8 gemacht hat. „Jetzt habe ich die Freiheit zu wählen: Ich könnte studieren, ich spreche mehrere Sprachen. Ich finde, unabhängig davon, wo wir geboren sind, sollten Mädchen frei darüber entscheiden dürfen, welchen Weg sie gehen. Diese Erkenntnis möchte ich weitergeben.“ Die prekäre Situation vor allem von Mädchen in Burkina Faso habe sie sehr erschüttert. „Dort geht es jeden Tag ums blanke Überleben. Mädchen werden zwangsverheiratet und müssen hart arbeiten, um die Familie zu versorgen. Ein Schulbesuch ist für die meisten undenkbar“, sagt Toni Garrn. Um das Vertrauen der Mädchen zu gewinnen, ist sie mit ihnen auf den Spielplatz gegangen, hat Seilspringen mit ihnen gemacht – „Sachen, die Spaß machen“. Natürlich hat das Topmodel auch von seinem Leben erzählt. „Aber es hat mir viel mehr gegeben, den Einheimischen zuzuhören.“

Zur Plan-Botschafterin wurde sie durch ein Charity-Projekt der Hamburger Modefirma Closed: „Ich habe zwei Jeans und drei T-Shirts gestaltet, der Erlös geht zum größten Teil an die Hilfsorganisation. Im Oktober sind die Sachen im Handel, ich hoffe, dass sie voll abgehen“, sagt Toni Garrn. Soziales Engagement war bei ihr immer schon ausgeprägt. Seit sie 15 ist, hat sie mehrere Patenkinder in unterschiedlichen Ländern. „Ich bin mir bewusst, dass ich in eine Blase hineingeboren wurde und großes Glück habe, weil ich als Model sehr viel Geld verdienen kann.“ Dass sie ihre Bekanntheit und ihre Stimme nun für eine sinnvolle Sache einsetzen kann, gebe ihrem Leben mehr Halt. „Jetzt weiß ich, wofür ich die ganzen Modeljobs mache.“ Es sei nie ihr Ziel gewesen, berühmt zu werden. Ganz im Gegenteil: „Viele Aufträge, zum Beispiel fürs Fernsehen, habe ich aus dem Grund abgesagt.“

Entdeckt wurde Toni Garrn bei einer Veranstaltung während der Weltmeisterschaft 2006 auf dem Jungfernstieg, als sie kurz vor ihrem 14. Geburtstag gerade aus dem Kino kam. Über Tisch und Biergartenbänke soll Claudia Midolo, Chefin der großen Hamburger Agentur Modelwerk, gestiegen sein, um ihr eine Visitenkarte in die Hand zu drücken. Ein paar Tage später stellt sich das Mädchen in der Agentur vor, es werden erste Fotos gemacht.

Mit 17 verbringt sie ihren ersten Sommer in Big Apple

„Es war auf dem Laufsteg bei einer Modenschau eines Versandhauses, als ich zum ersten Mal ihre besondere Anmut spürte“, erinnert sich Claudia Midolo in einem Artikel des „Zeit-Magazins“. „Da war mir klar, dass sie eine große Karriere vor sich hat.“ Schon zwei Jahre später schafft Toni Garrn den internationalen Durchbruch: 2008 eröffnet sie die Calvin-Klein-Show in New York und wird das neue Gesicht der Marke. Mit 17 verbringt sie ihren ersten Sommer allein im Big Apple. Es folgen große Kosmetik-Kampagnen und hoch bezahlte Laufsteg-Jobs für Dior, Fendi und Dolce & Gabbana.

„Wie kann ein so junges Mädchen so elegant und souverän sein?“, fragte sich Karl Lagerfeld, als er die noch jugendliche Toni Garrn fotografierte. Er war der Erste, der das Hamburger Model in einen Bikini steckte und ihm sagte: „Zeig deinen schönen Körper!“ Ein Glück für Toni Garrn, dass sie seinen Ratschlag befolgte: 2011 schaffte sie den Sprung in den Modehimmel und wurde ein verführerischer Engel des Unterwäsche-Labels Victoria’s Secret.

Vom „Garrn-Faktor“ sprach das Männermagazin „GQ“ und zitierte neben „den Traummaßen 86-60-89 bei 1,81 Metern“ die nordische Schönheit des Models, sein ebenmäßiges Gesicht mit den hellblauen Augen und den blonden Haaren. Party-Exzesse und leicht bekleidete Selfies kämen bei ihr nicht vor. Sie wirke „seriös und unkapriziös“ zugleich. In nur acht Jahren ist aus dem Mädchen mit dem gewissen Etwas eine junge Frau geworden, die Modestrecken in „Vogue“ und ein millionenschweres Bankkonto hat. Von der Star-Fotografen wie Peter Lindbergh und Steven Meisel schwärmen. Die in New York lebt und nicht zuletzt wegen ihrer Liaison mit dem Schauspieler Leonardo di Caprio aus keinem Klatschmagazin der Welt mehr wegzudenken ist.

Dabei hätte sie nie im Leben gedacht, „etwas mit Mode zu machen“. Während andere Mädchen vom Modeln träumten, wollte Toni Garrn Kellnerin oder Sekretärin werden. Und selbst, als sie von Modeljobs aus den USA direkt auf den Pausenhof des Gymnasiums Ohlstedt eilte, empfanden ihre Mitschüler sie als „normales, freundliches Mädchen aus der Oberstufe“. Ungeschminkt, in Jeans, Pullover und Schal.

Dass die Jungs in ihrer Schule sie heiß finden könnten, daran glaubte Toni Garrn nicht. Dass sie als 21-Jährige mal mit Hollywoods begehrtestem Junggesellen ausgehen würde, hätte sie sich nicht mal zu hoffen gewagt. Doch schon ziemlich früh bekam das Mädchen einen ersten Eindruck vom Jetset-Leben: Durch den Job des Vaters als Erdölmanager lebte die Familie abwechselnd in Hamburg, London und Athen. Dass sie trotz ihres frühen Starts in den Modeljob das Abitur machte, sei für sie wichtig gewesen, um „ein Stück Normalität als Teenager zu haben“.

Wann immer es ihre Aufträge zulassen, ist Toni Garrn in ihrer Heimatstadt Hamburg, „eigentlich jeden Monat“, sagt die 21-Jährige. Gerade hat sie eine Eigentumswohnung in Eppendorf gekauft, die sie einrichtet. Dort wohnt sie zusammen mit ihrem älteren Bruder Niklas, der auch eine Zeitlang als Model gearbeitet hat. „Wir sehen uns leider nicht so häufig, er studiert Ingenieurswesen und ist auch viel in der Welt unterwegs.“ So oft es geht, besucht Toni Garrn Freunde und ihre Großeltern. Und auch ihre Mutter, Anja Garrn, spielt eine wichtige Rolle im Leben des Model: Sie kümmert sich um Steuern und Finanzen ihres Nachwuchses, koordiniert Termine und Presseanfragen. In Hamburg genieße Toni Garrn es, zwar erkannt, aber nicht von Paparazzi belästigt zu werden wie in L.A. „Hier fragen die Leute höflich nach einem Foto, das mache ich dann natürlich gern.“

Toni Garrn hofft, langfristig als Botschafterin für Plan International arbeiten zu können. „Ich bin durch das Modeln finanziell unabhängig und kann nun meine Energie in so sinnvolle Projekte wie die Kampagne stecken.“