Die arabische Fluggesellschaft will 70 Langstreckenjets im Katalogwert von knapp zwölf Milliarden Euro nicht mehr haben. Mit der Stornierung fallen knapp neun Prozent des Orderbuchs für dieses Programm weg.
Hamburg. Für den neuen Hoffnungsträger von Airbus, den Langstreckenjet A350, ist es ein empfindlicher Rückschlag: Der Großkunde Emirates hat eine Bestellung über 70 Jets dieses Typs zurückgezogen.
Der im Jahr 2007 erteilte Auftrag hatte seinerzeit – auf Basis der offiziellen Listenpreise – einen Wert von 16 Milliarden Dollar (11,8 Milliarden Euro), nach aktuellen Katalogpreisen hätte er ein Volumen von 22 Milliarden Dollar. Allerdings sind bei derartigen Bestellungen Rabatte im deutlich zweistelligen Prozentbereich üblich.
Die Entscheidung sei in den laufenden Gesprächen mit der Airline über die Anforderungen an ihre Flotte gefallen, teilte Airbus mit und verwies in diesem Zusammenhang auf einen Auftrag von Emirates aus dem November 2013 über 50 doppelstöckige A380-Maschinen; diese Order hat einen Katalogwert von 23 Milliarden Dollar.
Entscheidend für die Abbestellung dürfte aber ein anderer Faktor gewesen sein: Emirates-Chef Tim Clark gilt seit geraumer Zeit als Kritiker des nun abbestellten Airbus-Modells. Er hatte sich unzufrieden mit der versprochenen Leistung gezeigt und ebenfalls im November vergangenen Jahres bei Boeing 150 Exemplare des A350-Konkurrenzmodells 777-X geordert. Dies war mit einem Wert von 76 Milliarden Dollar die größte einzelne Flugzeugbestellung in der Geschichte der Branche.
Mit der Stornierung der 70 Maschinen des Typs A350 fallen immerhin knapp neun Prozent des Orderbuchs für dieses Programm weg. Der A350 wird zwar in Toulouse endmontiert, Airbus Deutschland ist aber mit rund einem Drittel an der Entwicklung und Produktion des Fliegers beteiligt. In Hamburg werden große Teile des Rumpfs gefertigt, außerdem wird auf Finkenwerder die Kabinenausstattung entwickelt.
„Airbus ist bisher immer geschickt darin gewesen, solche Stornierungen auf offener Bühne zu vermeiden“, sagt der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt. „Wenn ein Leitkunde wie Emirates so sichtbar abbestellt, ist das ein Hinweis darauf, dass es zwischen dem Kunden und dem Hersteller tiefer gehende Probleme gibt.“ Großbongardt geht zwar nicht davon aus, dass nun auch andere Fluggesellschaften von ihren A350-Aufträgen zurücktreten. „Die Entscheidung von Emirates ist aber ein Signal, das es Airbus nicht leichter macht, weitere Kunden für dieses Flugzeug zu gewinnen.“
Tim Clark habe im Vorfeld offenbar gegenüber dem europäischen Hersteller „Druck aufgebaut“, leistungssteigernde Veränderungen am A350 vorzunehmen, worauf sich Airbus nicht einlassen wollte, vermutet der Experte. Er sieht aber auch eine generelle Schwäche im Airbus-Produktprogramm: Während Boeing im Sektor der zweistrahligen Langstreckenjets mit den beiden Typen 787 und 777 künftig den Bereich von 200 bis 400 Passagierplätzen abdecken kann, reicht die Spanne beim Airbus A350 nur von etwa 250 bis 350 Sitzen. „Damit ist die Lücke bis zum A380 für 500 Passagiere zu breit“, sagt Großbongardt. Boeing hatte zuletzt mit dem geplanten Typ 777-X für bis zu rund 400 Fluggäste, der Anfang des nächsten Jahrzehnts auf den Markt kommen soll, großen Zuspruch gefunden. „Das ist ein Problem, für das Airbus in den nächsten zwei Jahren eine Lösung finden muss“, so der Hamburger Branchenkenner.
In der Airbus-Produktion reißt die Abbestellung nicht unmittelbar ein Loch auf, denn die Maschinen für Emirates sollten erst in den Jahren 2019 bis 2023 ausgeliefert werden. „Das bringt uns jetzt keine finanziellen Belastungen“, sagte Airbus-Verkaufsschef John Leahy. Die Storno-Entscheidung habe auch keine Auswirkungen auf die die Arbeitsplätze in Deutschland, hieß es von dem Unternehmen. „Wir sind sehr zuversichtlich, dass sich die Orderliste des A350 in diesem Jahr unter dem Strich verlängert“, so ein Firmensprecher. Allerdings will auch die Lufthansa, die 25 Jets des Typs geordert hat, aufgrund der Nachfrageschwäche sämtliche Flugzeugbestellungen überprüfen.