Bundesländer diskutieren auf einer Konferenz über die Folgen des Klimawandels für die Region. Der Tourismus könnte profitieren. Die Landwirtschaft könnte sich künftig über zwei Ernten im Jahr freuen.
Hamburg/Lübeck. Die norddeutschen Küstenländer und das Bundesumweltministerium wollen gemeinsam Strategien zur Anpassung an den Klimawandel entwickeln. „Die Erderwärmung ist Realität und wird auch Natur, Landwirtschaft und Wälder – unsere Heimat – verändern“, sagte Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck (Grüne) auf einer Regionalkonferenz am Donnerstag in Lübeck. Die globale Erwärmung sei dabei nicht nur ein Naturphänomen, sondern berühre auch Fragen des gesellschaftlichen Zusammenhalts – und hat auch nicht zwingend nur negative Folgen. Den Tourismus in den Norden könnte er etwa ankurbeln.
Zu Beginn der Konferenz hatte der Klimaforscher Mojib Latif vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel die Aussichten skizziert. Danach wird die Temperatur auch in Norddeutschland innerhalb der nächsten 100 Jahre um etwa drei bis fünf Grad Celsius ansteigen. „Das bedeutet nicht nur, dass wir höhere und bessere Deiche bauen müssen. Wir werden auch andere Pflanzen und Tiere im Land haben, unser Ackerbau wird sich verändern“, sagte Habeck.
Auf der vom Bundesumweltministerium und den Fachministern der Länder Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg, Niedersachsen und Bremen veranstalteten Konferenz ging es um die möglichen Auswirkungen des Klimawandels auf die Land- und Forstwirtschaft.
„Die niedersächsische Landesregierung hat sich die Entwicklung naturnaher Wälder und den Schutz der Moore als Kohlenstoffspeicher als wichtiges Ziel gesetzt“, sagte Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne). Rund 70 Prozent der Hochmoore Deutschlands lägen in Niedersachsen, deshalb sei der Schutz der Moore ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz, sagte er. Zugleich forderte Wenzel verstärkte Anstrengungen zur Energieeinsparung. „Durch effizienteren Einsatz könnten wir rund 50 Prozent der heute verbrauchten Energie einsparen. Das muss der Bund stärker als bisher fördern“, sagte er.
Absolute Gewissheit zum Klimawandel gibt es bisher noch nicht
Hamburg integriert nach Angaben von Umweltsenatorin Jutta Blankau (SPD) die Anpassung an den Klimawandel in die Stadtentwicklung. „Wir investieren in Hochwasserschutzanlagen, aber zugleich passen wir auch die Infrastruktur an größere Niederschlagsmengen an. Mehr Grünflächen, Gründächer und die Entsiegelung von Flächen sollen helfen, mit Starkregen besser umzugehen“, sagte Blankau.
Alle norddeutschen Küstenländer stehen aber vor dem Problem, nicht genau zu wissen, wie sich das Klima verändern wird. „Es kann ja auch positive Effekte geben, zum Beispiel für den Tourismus“, sagte die Staatssekretärin für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Ina-Maria Ulbrich. „Wenn es in Zukunft heißere Sommer gibt, könnten Ostseeküste und Müritzregion davon profitieren“, sagte sie.
Über einen solchen Effekt würde sich auch die Tourismuswirtschaft in Schleswig-Holstein freuen. „Wärmere Sommer mit stabilem Wetter wären für uns schon positiv, das würde unsere Übernachtungszahlen steigern“, sagte der Pressesprecher der Tourismus-Agentur Schleswig-Holstein, Marc Euler. „Unbeständigeres Wetter mit mehr Regen und Stürmen durch den Klimawandel wäre allerdings kontraproduktiv. Wer reist schon gerne in ein Überschwemmungsgebiet“, sagte Euler.
Für die Landwirtschaft könnten wärmere Sommer bedeuten, dass künftig zwei Ernten im Jahr möglich wären. „Das würde aber womöglich bedeuten, dass wir dann genverändertes Saatgut in Kauf nehmen müssten. Die Frage ist, ob wir das wirklich wollen“, sagte Habeck. Zugleich müsse man sich aber auch klarmachen, dass das ein Luxusproblem sei. „Bei uns diskutieren wir um eine oder zwei Ernten, während es in anderen Teilen der Welt gar keine Ernten mehr geben wird, weil sich dort die Wüsten immer weiter ausbreiten.“
Auch die Pflanzenforschung muss sich nach Meinung von Experten verstärkt mit den Auswirkungen des Klimawandels beschäftigen. So müssten mehr nachwachsende Rohstoffe als bisher produziert werden, um von den fossilen Energien wegzukommen, sagte der Vorsitzende der Gemeinschaft zur Förderung der privaten deutschen Pflanzenzüchtung, Reinhard von Broock. Gleichzeitig müssten Pflanzen dem immer stärker werdenden Klimaschwankungen angepasst werden.