Der Hamburger Polizei und Staatsanwaltschaft ist ein beispielloser Schlag gegen die sogenannten Enkeltrickbetrüger gelungen. Drahtzieher soll auch für zahlreiche Betrugsdelikte in Hamburg verantwortlich sein.
Hamburg. Es ist eine miese Masche und sie betrifft vor allem arglose Senioren. Ein vermeintlicher Verwandter gaukelt älteren Herrschaften eine Notlage vor und bittet um kurzfristige finanzielle Hilfe. Die Opfer heben Geld, häufig mehrere Tausend Euro von ihrem Sparkonto ab, und übergeben es einem Freund des angeblichen Verwandten. Von ihrem Geld sehen sie natürlich keinen Cent wieder. Und wenn der Betrug auffliegt, sind die Täter meist schon über alle Berge. Nur sehr selten sind bisher die Enkeltrickbetrüger, im kriminellen Jargon „Abholer“, gefasst worden und vor Gericht gelandet. Noch viel schwieriger war es für die Ermittler, die Hintermännern zu fassen.
Bis jetzt. Denn der Hamburger Polizei und der Hamburger Staatsanwaltschaft ist ein beispielloser Schlag gegen die sogenannten Enkeltrickbetrüger gelungen. In Polen wurde jetzt der mutmaßliche Drahtzieher einer Vielzahl von Enkeltrickbetrügereien im gesamten Bundesgebiet gefasst. Er soll auch für zahlreiche Betrugsdelikte in Hamburg verantwortlich sein.
Beim mutmaßlichen Kopf der Bande handelt es sich um Arkadiusz L., der ein ganzes Netzwerk von Enkeltrickbetrügern in Deutschland, Österreich und der Schweiz steuerte. Sein kriminelles Imperium dirigierte er von Polen aus. Er gilt als das Oberhaupt mehrerer südosteuropäischer Familienclans, die mit der Masche im gesamten Bundesgebiet, vor allem auch in Hamburg, arglose Senioren hereingelegt und ihnen einen immensen finanziellen Schaden zugefügt haben. Mit dem Geld soll sich Arkadiusz L. ein luxuriöses Leben finanziert haben.
Von Polen aus gezielt ältere Menschen in Deutschland angerufen
Neben Arkadiuzs L. ermittelten die Beamten in Polen auch Marcin K., 27, und Adam Miroslaw P., 44. Die Haupttatverdächtigen sollen von Polen aus gezielt ältere Menschen in Deutschland, Luxemburg und der Schweiz angerufen haben. In vielen Fällen durchkämmten sie das Telefonbuch nach „alt“ klingenden Vornamen. Am Dienstagmorgen nahmen die Ermittler in Warschau den „Boss“ Arkadiuzs L. fest. Er versuchte noch den Beamten zu entkommen, indem er über das Dach seiner Villa flüchtete – vergeblich.
Clanchef Arkadiusz, der von seinen Leuten respektvoll Hoss genannt wird, gilt zudem als Erfinder des Enkeltricks. Auch deshalb wird Boss „Hoss“ von anderen in dem „Geschäft“ tätigen Clans geachtet und gefürchtet. 1999 soll Arkadiuzs L. versucht haben, einem Hamburger Billigware als vermeintlich teuren Orientteppich aufzuschwatzen. Der ältere Herr dachte aber, sein Enkel sei am Telefon. Das soll der Zündfunken für die perfide Masche gewesen sein: Arkadiusz L. gab sich als Enkel aus und bat seinen „Opa“ um Geld. Seither ist der Enkeltrickbetrug in der Welt.
Seit November 2012 ermitteln die Hamburger Staatsanwaltschaft und die Abteilung für Organisierte Kriminalität gegen die polnische Tätergruppierung wegen gewerbsmäßigen, bandenmäßigen Betrugs. Hinweise auf die Kriminellen hatten sich durch bekanntgewordene Taten ergeben. Ihre Opfer waren zwischen 55 und 99 Jahre alt. Die Organisation des Betruges lief immer nach dem gleichen Muster: Die Anrufer, sogennannte „Keiler“, tischten den Opfern die Lügengeschichte auf. Sobald sie merkten, dass die älteren Damen und Herren auf die Lüge hereingefallen waren, kontaktierten die „Keiler“ die Logistiker („Zwischenkeiler“), die ihrerseits die sogenannten „Abholer“ zu den Opfern schickten. Dort nahmen sie das Geld und die Wertsachen dann an sich. „Die Beute wurde dann über Boten nach Polen zu den Hinterleuten gebracht“, sagt Polizeisprecher Andreas Schöpflin. „Mit jetzigem Ermittlungsstand ergibt sich für Staatsanwaltschaft und Polizei ein entstandener Schaden in Höhe von fast einer Million Euro und fast 700.000 Schweizer Franken in 97 Fällen.“
Inzwischen, so Schöpflin weiter, richten sich die Ermittlungen gegen 48 Beschuldigte im Alter von 16 bis 63 Jahren, die überwiegend in Polen und Deutschland leben. Drei der Beschuldigten seien als „Keiler“, dreizehn als „Logistiker“ und der Rest als „Abholern“ einzustufen. 35 Abholer seien nach Enkeltrickbetrügereien bereits festgenommen worden. Dabei stellten die Ermittler 350.000 Euro sicher, die Opfer erhielten ihr Eigentum zurück. Zudem vollstreckten 170 deutsche und polnische Beamte 14 Haftbefehle und 30 Durchsuchungsbeschlüsse in Hamburg, Essen, Duisburg, Gelsenkirchen, Limburgerhof, Warschau, Posen, Legionowo und Lodz. Bei den Durchsuchungen seien zahlreiche Schmuckstücke, Bargeld und hochwertige Autos sichergestellt worden.