Als größte Herausforderungen bezeichneten die fünf SPD-Politiker die Anbindung der Seehäfen sowie den Bau der Stromtrassen. Infrastrukturprojekte seien eine „nationale Aufgabe“.

Hamburg. Wenn sich fünf Ministerpräsidenten zum Gespräch treffen und danach gemeinsam an die Öffentlichkeit treten, haben sie entweder Großes zu verkünden – dann wollen alle dabei sein –, oder sie haben eigentlich nichts zu sagen. Dann müssen alle dabei sein. Auf das Treffen am Mittwoch in Hamburg traf zwar eher Letzteres zu. Aber eine klare Botschaft gab es dennoch, und diese bediente sich immerhin großer Worte. „National“ sei die Aufgabe, vor der man stehe. Eine „nationale Herausforderung“, die im „nationalen Interesse“ bewältigt werden müsse.

Dass die Regierungschefs Torsten Albig (SPD, Schleswig-Holstein), Jens Böhrnsen (SPD, Bremen), Olaf Scholz (SPD, Hamburg), Erwin Sellering (SPD, Mecklenburg-Vorpommern) und Stephan Weil (SPD, Niedersachsen) nach dem Treffen im Hamburger Rathaus das Wort „national“ so strapazierten, hatte weniger mit Übertreibung zu tun, sondern darf wohl einer Mischung aus innerer Überzeugung und Notwendigkeit zugeschrieben werden. Denn die fünf Nordländer haben mehr denn je erkannt, dass sie erstens als Einheit auftreten müssen, um ihre Probleme im Bereich der Verkehrsinfrastruktur und bei der Energiewende in den Griff bekommen zu können, und zweitens, dass sie dafür die – vor allem finanzielle – Unterstützung der Bundesregierung brauchen. Als größte Herausforderungen bezeichneten die fünf SPD-Politiker die Anbindung der Seehäfen über Straßen und Schienen sowie den Bau der Trassen, die künftig den durch Windkraftanlagen an Land und auf See erzeugten Strom aus dem Norden in den Rest der Republik transportieren.

„Wir vertreten nationale Interessen, wenn wir darauf hinweisen, dass die Exportnation Deutschland darauf angewiesen ist, dass man über See erfolgreich Güter abwickeln kann“, sagte Niedersachsens Ministerpräsident Weil. Auch der Kieler Regierungschef Albig beschwor die Unterstützung des ganzen Landes: Die norddeutschen Häfen seien „der Eingang für bayerisches Wachstum“, die Hinterlandanbindung sei für Baden-Württemberg wichtig, und vom Anschluss ans Baltikum profitiere auch Nordrhein-Westfalen. „Wir sind Lobbyisten für den Wirtschaftsstandort Deutschland“, sagte Albig.

Als Beispiele für dringend benötigte Verkehrsprojekte nannte Hamburgs Bürgermeister Scholz die Anbindung von Bremerhaven (Amerika-Linie), den Ausbau des Güterbahnhofs Maschen sowie die Bahnstrecke zwischen Stendal und Uelzen. Scholz: „Das erschließt uns eine neue große Bahnverbindung, die Ostroute.“ Auch alle bekannten Autobahnprojekte wie die A 20 und die A 26 hätten weiterhin Priorität.

Bei einem Gespräch mit Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) am 13. Juni wollen die Nord-Regieringschefs ausloten, welche Projekte mit einer Finanzierung durch den Bund rechnen können. Theoretisch geht es da um Milliardensummen. Dobrindt habe bei einem früheren Treffen die „Notwendigkeit eines besonderen weiteren Programms für die Seehafenhinterlandanbindung“ bereits erkannt, sagte Bremens Bürgermeister Böhrnsen. In Bremerhaven sei das Wachstum im Containerverkehr „so gewaltig“, dass der erst für 2020 erwartete Verkehr auf der Schiene jetzt schon da sei. „Wir sind dringend auf kurzfristige Maßnahmen angewiesen, damit unsere Häfen besser erreichbar sind.“

Melsheimer: 1,25 Milliarden Euro pro Jahr „völlig unzureichend“

Hamburgs Handelskammer-Präses Fritz Horst Melsheimer, der als Vorsitzender des Unternehmerkuratoriums Nord an dem Treffen teilnahm, wies allerdings darauf hin, dass die vom Bund insgesamt für die Infrastruktur zur Verfügung gestellten 1,25 Milliarden Euro pro Jahr „völlig unzureichend“ seien. „Wir wissen, dass wir allein zum Erhalt der Infrastruktur sieben Milliarden Euro pro Jahr bräuchten“, so Melsheimer. „Hier klafft eine große Lücke.“ Von der „Ahrensburger Liste“, auf der der Norden seit Jahren Wünsche formuliere, sei bislang „nichts“ umgesetzt worden.

Grundsätzlich zeigte sich Melsheimer daher erfreut, dass Albig eine Debatte über die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur angestoßen habe. Albig hatte eine Sonderabgabe aller Autofahrer gefordert (Schlaglochsteuer), um die nötigen sieben Milliarden Euro jährlich aufbringen zu können. Inhaltlich konnte sich der oberste Wirtschaftsvertreter Melsheimer aber nicht mit einer neuen Steuer anfreunden.

Olaf Scholz sagte auf die Frage, wie die Runde über Albigs Vorschlag denke: „Wir sind alle einig, dass es uns im Laufe der nächsten Jahre gelingen muss, die Investitionsmöglichkeiten der Bundesrepublik für die Verkehrsinfrastruktur auszuweiten.“ Wie das gelingen könnte, ließ Scholz offen.

Beim Thema Energiewende zeigten sich die SPD-Politiker überzeugt, dass ihre Zusammenarbeit bereits gefruchtet habe. „In bemerkenswert guter Art und Weise“ habe man die Bundesregierung überzeugt, dass die für den Norden so bedeutende Windkraft künftig „die wichtigste Säule der deutschen Energiewirtschaft“ sein müsse, sagte Stephan Weil. Sein Kollege Erwin Sellering drückte es so aus: „Die Energiewende ist eine große nationale Aufgabe.“