Wohin soll Hamburg sich künftig entwickeln? Darum ging es bei der 6. Stadtwerkstatt an der Bucerius Law School. Diskutiert wurde aber auch darüber, wie weit Bürgerbeteiligung gehen kann.
Der Hörsaal der Bucerius Law School ist an diesem Feiertagsvorabend gut gefüllt. Das mag daran liegen, dass mit Hamburger Erstem Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), Stadtentwicklungssenatorin Jutta Blankau (SPD) und Oberbaudirektor Jörn Walter die drei Top-Entscheider in Sachen Stadtentwicklung zu Diskussion geladen haben. Schließlich soll es bei der Veranstaltung an diesem Mittwochabend um Hamburgs Perspektive als „grüne, gerechte und wachsende Stadt am Wasser“ gehen.
Dass so viele Zuhörer gekommen sind, mag auch daran liegen, dass manchem Bürger die Beteiligung des Volkes bei Wohnungsbauprojekten nicht ausreicht. Als Senatorin Blankau angesichts des Baus von 6400 Wohnungen im vergangenen Jahr - was ein Erfolg ist - von „behutsame Verdichtung, dort, wo es städtebaulich passt“, spricht, erhebt sich im Publikum merklich Unruhe und etwas Gelächter.
Es liegt in der Natur der Sache, dass eine Diskussionsrunde mit derart prominenten Teilnehmern für Bürgerinitiativen die Möglichkeit bietet, öffentlichkeitswirksam ihren Widerstand kund zu tun. Und seit der Senat den (notwendigen) Bau von Wohnungen derart priorisiert, gehören Auseinandersetzungen mit Anwohnern dazu.
Scholz macht denn auch keinen Hehl daraus, dass er um dieses politische Minenfeld weiß. „Es gibt keine einfachen Lösungen“, sagt er und fügt hinzu: „Beteiligung bedeutet nicht, dass am Ende alle einer Meinung sind.“ Allerdings, auch das sagt der Senatschef: Bürgerbeteiligung sei ein normaler Bestandteil von Stadtentwicklung. Sich über den richtigen Weg zu verständigen, auch darin liege der Sinn der Stadtwerkstatt.
So einfach aber wollen es die Zuhörer den Regierenden der Stadt an diesem Abend nicht machen. Die Bürgerbeteiligung stehe nur auf dem Papier, sagt Joachim Lau, der im Bezirk Nord wohnt. „Die Bürger sagen ihre Meinung, aber nichts ändert sich und die Behörde macht anschließend weiter wie geplant.“ Sabine Reinhold meint, Bürgerbeteiligung setze möglicherweise zu spät an, nämlich dann, wenn man mit einem fertigen Plan auf die Menschen zugehe. Sie fragt: „Ist der Druck des Senats stark genug, die Bezirke zur Bürgerbeteiligung zu bewegen?“
Unterstützung bekommt sie von Prof. Elke Pahl-Weber, die zwar aus Hamburg stammt, derzeit aber als Stadtentwicklungsexpertin an der TU Berlin arbeitet. „Möglicherweise müssen wir uns von dem Wort Beteiligung verabschieden“, sagt sie. Das klinge so, als würde die Behörde die Bürger wie Kinder an die Hand nehmen. „Stattdessen müssen wir die Menschen nach ihren Bedürfnissen fragen“, ruft Pahl-Weber in den Saal. „Lasst sie entwickeln, was sie wollen und lasst sie es testen!“
Die Wissenschaftlerin erntet Beifall, aber so einfach ist Stadtentwicklung natürlich nicht. Darauf verweist Matthias Iken, stellvertretender Chefredakteur des Hamburger Abendblatt. „Allgemein wird das Wohnungsbauprogramm von vielen Hamburgern getragen“, sagt er. „Aber wenn es in die Nachbarschaft rückt, ist es mit der Zustimmung rasch vorbei.“ Iken rechnet damit, dass es in den kommenden Jahren weitere Konflikte geben werde.
Scholz spricht von einem „komplizierten Spannungsfeld“ und räumt ein, dass auch die Verwaltung nicht immer alles richtig mache. Allerdings hätten die vergangenen Jahr - bei allen Konflikten - gezeigt, dass der Bau von Tausenden von Wohnungen in einer verdichteten Metropole wie Hamburg möglich sei. Insofern sei er den Hamburgerinnen und Hamburger auch dankbar, sagte Scholz.
Oberbaudirektor Jörn Walter erinnerte in seinem Schlusswort an Hamburgs Tradition als Stadtrepublik, in der Gemeinsinn ein so große Rolle gespielt habe. „Wir werden sehr viele Kräfte brauchen und uns auf gemeinsame Ziele verständigen müssen.“ Zudem habe die Vergangenheit durchaus gezeigt, dass Stadtviertel durch Verdichtung lebenswerter und schöner werden können.