„Würde euch gerne alle mitnehmen...“, twittert Alexander Gerst. Aber soviel Platz ist nicht in der Sojus, mit der er ins All fliegt. Ein knappes halbes Jahr wird er auf der Internationalen Raumstation ISS verbringen.
Baikonur. Nächster Halt – Raumstation: Mit einem Nachtstart in der zentralasiatischen Steppe ist der Hamburger Alexander Gerst ins Weltall aufgebrochen. Die Sojus-Rakete mit Gerst sowie dem Russen Maxim Surajew und dem US-Amerikaner Reid Wiseman hob am Mittwoch um 1.57 Uhr Ortszeit (21.57 Uhr MESZ) vom Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan mit Kurs auf die Internationale Raumstation ISS ab.
„Bis denn dann! Würde euch gerne alle mitnehmen...“, schrieb der Geophysiker kurz vor dem Start in der Ex-Sowjetrepublik bei Twitter. Das russische Staatsfernsehen übertrug den Beginn der knapp halbjährigen Mission im Kosmos direkt. Knapp neun Minuten später erreichte die Kapsel nach dem Abkoppeln der dritten Stufe wie geplant den Orbit. „Wir feiern erst, wenn dieser letzte Block abgefallen ist“, hatte Frank De Winne von der Europäischen Raumfahrtagentur Esa angekündigt.
Das Maskottchen der Crew, eine orange Stoffgiraffe, begann in der Sojus zu schweben und zeigte damit den Beginn der Schwerelosigkeit an. „Adrenalin steigt etwas, bin aber erstaunlich entspannt“, hatte Gerst zuvor getwittert. Vater Hans-Dieter Gerst beobachtete bei wolkenlosem Himmel und milden Temperaturen mit seinen beiden anderen Söhnen das Zünden der Triebwerke von einer rund zwei Kilometer entfernten Ehrentribüne aus. „Ich wünsche Alexander viel Spaß da oben. Und dass er gesund wiederkommt“, meinte der 59-jährige Schlossermeister.
Eingeladen waren auch Raumfahrtlegende Sigmund Jähn (77), der 1978 - als DDR-Bürger – als erster Deutscher ins All geflogen war, sowie Ex-Astronaut Ulf Merbold (72), der als einziger Deutscher dreimal im Weltraum war. In Gersts Heimatort Künzelsau verfolgten nach Angaben der Veranstalter fast 500 Menschen den Raketenstart live auf einer Leinwand.
Die Sojus sollte bereits nach knapp sechs Stunden an der ISS ankoppeln. Möglich macht dies ein neuer Computer, der seit einem Jahr unabhängig vom Flugleitzentrum arbeitet. Vorher dauerten Reisen zur ISS zwei Tage. Für 5.30 Uhr MESZ waren das Öffnen der Luken sowie die erste Begegnung mit den drei anderen Besatzungsmitgliedern geplant.
Auf dem Außenposten der Menschheit in rund 400 Kilometer Höhe arbeiten derzeit der US-Astronaut Steven Swanson sowie die Kosmonauten Alexander Skworzow und Oleg Artemjew. Der 38-jährige Gerst hatte eine Reise zu den Sternen stets als „Kindheitstraum“ bezeichnet. Er ist der elfte Deutsche im All. Nur die Raumfahrtgroßmächte Russland und USA haben mehr Menschen in den Kosmos geschickt.
Auf der ISS waren vor Gerst lediglich die Deutschen Thomas Reiter und Hans Schlegel, der vor sechs Jahren als bisher letzter Deutscher überhaupt im All war. Gerst soll auf der Raumstation unter dem Motto „Shaping the Future - Zukunft gestalten“ mehr als 100 Experimente betreuen. Die Rückkehr seiner dreiköpfigen Crew ist für den 11. November vorgesehen.
Unter anderem wird er einen Hightech-Schmelzofen auf dem fliegenden Forschungslabor installieren, mit dem neue Legierungen getestet werden sollen. Zudem ist mindestens ein Außeneinsatz im Weltraum vorgesehen. Gerst hatte sich in einem Auswahlverfahren der Europäischen Raumfahrtagentur (Esa) gegen mehr als 8000 Mitbewerber durchgesetzt.
Der Missionsname „Blue Dot“ (Blauer Punkt) bezieht sich auf einen Ausdruck des US-Astrophysikers Carl Sagan, der die Erde aus dem Weltraum als „pale blue dot“ (blassblauen Punkt) bezeichnete. Seit die USA ihre Space Shuttles 2011 einmotteten, können Nasa-Astronauten nur noch in russischen Kapseln mitfliegen. Für jeden Platz in einer Sojus zahlen die USA 50 Millionen Euro, fast ebenso viel soll die Mitfluggelegenheit für Gerst kosten.
Das Schicksal der Raumstation steht allerdings in den Sternen. Russland hat nach mehr als 15 Jahren ein Ende seines Engagements beim fliegenden Labor für 2020 angekündigt. Dabei handelt es sich wohl auch um eine Reaktion auf US-Sanktionen im erbitterten Ukraine-Konflikt. Experten fürchten nun, dass auf der ISS bald die Lichter ausgehen könnten. Nach dem kosmischen Wettlauf zwischen der Sowjetunion und den USA im Kalten Krieg gilt die Raumstation heute auch als Symbol der Völkerverständigung.
Wie es Alexander Gerst geht und was er am Tag des Raketenstarts erlebt hält er auf Twitter fest