Der ehemalige Wirtschaftssenator spricht im Interview über den 825. Hafengeburtstag. Der Unternehmer glaubt, dass die Deutschen durch die WM gelernt hätten, sich wieder frei zu fühlen.

Wenn man auf Ceylon geboren ist, hat man zum Festefeiern mutmaßlich eine lockerere Einstellung als beispielsweise Hanseaten. Ian Karan, 74, davon seit 42 Jahren Hamburger, ist ein Befürworter städtisch organisierten Vergnügens.

Hamburger Abendblatt: Herr Karan, können Sie sich noch erinnern, wann Sie das erste Mal den Hafengeburtstag besucht haben?

Ian Karan: Aber selbstverständlich. Das war vor 42 Jahren. Ich war ein junger Mann und neu in Hamburg. Auch damals war es schon ein Großereignis, wenn auch nicht so kommerziell wie heute. Zwei Dinge haben mich besonders beeindruckt: Wie das Schlepper-Ballett das Wasser walzte und die Auslaufparade. Auch die war längst nicht so pompös wie heute, wo mehr als 300 Schiffe dabei sind. Aber fasziniert war ich trotzdem.

Die Begeisterung über das Volksfest hält sich bei manchen Hamburgern allerdings in Grenzen. Ihnen ist das Fest zu laut, zu voll und zu teuer ...

Karan: In diesem Jahr werden eine Million Besucher erwartet. Ich kann individuell verstehen, dass man sich unwohl fühlen kann angesichts der Menschenmassen. Aber wir sind eine Hafen- und Handelsstadt. Wir verkaufen unsere Waren und Dienstleistungen auch über den Ruf und die Schönheit Hamburgs. Deshalb sollte man großzügig sein, wenn im Frühjahr und Sommer einige Feste gefeiert werden und die Straßen und Geschäfte voller Besucher sind. Die wollen unsere schöne Hansestadt auch mal genießen.

Anwohner in Hafennähe ...

Karan: ... sind darüber säuerlich. Ja. Aber sie genießen das ganze Jahr über eine fantastische Kulisse. Das kompensiert doch ein paar Tage Trubel und Lautstärke. Sicher, man kommt jedes Jahr schwieriger in die Nähe des Hafens. Wenn ich zur „Rickmer Rickmers“ möchte, weil ich einen offiziellen Termin habe, dann lasse ich mich mit dem Taxi bis zum Hotel „Hafen Hamburg“ fahren und laufe von dort aus den Rest zu Fuß. Aber das ist nun mal das Schizophrene an Menschen. Man kann es nicht allen recht machen. Ich sage immer: Einen Kuchen kann man nicht behalten und gleichzeitig essen.

Was ist mit dem Argument, die Organisation des Hafengeburtstages sei zu teuer?

Karan: Dabei stellt sich die Frage, in welchen Topf schaut man.

In den der Hafenbehörde? Der Rechnungshof hat erst kürzlich die Kosten dafür moniert. Oder bei der Polizei?

Karan: Sicher, für die HPA als Staatsunternehmen ist die Beteiligung an der Organisation des Hafengeburtstages ein Kostenfaktor. Und für die Polizei mit ihrem Mehr an Einsätzen bei solchen Gelegenheiten sicherlich auch. Aber andererseits spülen Volksfeste wie der Hafengeburtstag der Stadt auch viel Geld in die Kassen. Und sicherlich kann man mit dem Finanzamt Vereinbarungen treffen, aus welchem Topf was bezahlt wird oder wodurch man etwas kompensieren kann. Aber fragen Sie mal bei der Dehoga nach, was die vielen Übernachtungen an Einnahmen bringen.

Ein Teil der bei den Gästen erhobenen Bettensteuer fließt ebenfalls in den Hafengeburtstag. Auch das ist einer der Kritikpunkte.

Karan: Warum? Diese Steuer ist ausdrücklich für kulturelle Zwecke bestimmt. Und weitläufig gedacht, erfüllt der Hafengeburtstag dieses Kriterium. Feiern ist Kultur.

Wenn sich diese Großereignisse nicht nur gegenfinanzieren lassen, sondern sogar finanziell lohnen, warum lehnt ein Teil der angeblich so weltoffenen Hamburger dennoch das in großem Rahmen organisierte Vergnügen ab? Es werden schon Initiativen gegen die Bespaßung der Innenstadt gegründet.

Karan: Darauf gibt es für mich eine klare Antwort: Wenn Menschen mit den Füßen abstimmen, kann das Angebot nicht so verkehrt sein. Nur wenn ein Angebot nicht gefällt, kommen die Leute nicht. Im Umkehrschluss heißt das, eine Million Menschen besuchen unsere Stadt, und sie tragen bei ihrem Weggang auch eine Botschaft nach draußen: dass es in Hamburg schön und unterhaltsam ist. Und dass Gäste willkommen sind. Es ist die Pflicht einer Metropole, noch dazu der zweitgrößten Stadt Deutschlands, in der Außenwirkung gut dazustehen. Kunden kaufen nur dort und bei Händlern, wo es ihnen sympathisch ist. Daran sollten wir als Kaufmannsstadt immer denken.

Gab es solche Missstimmungen früher auch bei Großereignissen?

Karan: Ich glaube, dass die Stimmung vor der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland grundsätzlich eine andere war.

Wie meinen Sie das?

Karan: Während dieser Weltmeisterschaft haben die Deutschen gelernt, sich frei zu fühlen. Sie haben begriffen, dass man sich in deutscher Gesellschaft wohlfühlen kann und darf. Dass es kein Fehler ist, Gemeinschaft zu genießen. Und dass Massenveranstaltungen nicht länger verpönt und keine schlimmen Sachen sind.

Sie meinen, die Deutschen haben anlässlich dieses Sportereignisses die Bürde ihrer Kriegsschuld überwunden?

Karan: Ja, das glaube ich. Über den Fußball haben die Deutschen gelernt, dass sie auch stolz darauf sein dürfen, aus diesem Land zu kommen. Sie haben gelernt, frei zu atmen.