Hamburger haben ein schwieriges Verhältnis zum Volksvergnügen. Warum eigentlich?
Es riecht nach zu lange gebratenen Champignons in fettiger Knoblauchsauce, es wird gedrängelt und gestoßen, und es werden Waren angeboten, die nun wirklich keinen Bezug zum angeblich maritimen Anlass des anstrengenden Treibens haben – kurzum: Es ist nicht eben schwer, den Hamburger Hafengeburtstag von seiner schlechten Seite aus zu beurteilen. Gleiches gilt aber auch für den Hamburg-Marathon, den Schlagermove, die Harley Days, das öffentliche Fußballschauen, den Dom, das Alstervergnügen und manches mehr. Willkommen in den Hamburger Festwochen!
Diese sind von Ende April an eröffnet, und es vergeht bis zum Herbst kaum ein Wochenende, an dem nicht irgendwo eine Riesenbratwurst gebrutzelt wird und die Straßen rundherum abgesperrt sind. Das Murren jener, die sich an der einen oder anderen Veranstaltung – oder auch gleich an allen zusammen – stören, ist auch in dieser Redaktion nicht zu überhören, sei es von Lesern oder auch manchen Kollegen.
Man müsste doch auch anders feiern können, hochwertiger, irgendwie intelligenter, heißt es da. Nicht so schrill, nicht so laut, nicht so bunt. Mehr Arte als RTL, sozusagen. Das Problem bei Arte ist nur, dass die Zuschauer keinen Fernseher haben. Übertragen auf die Hamburger Straßen heißt das: ein Fest für die Massen zu organisieren, das nicht auf Massengeschmack setzt, ist inhaltlich und finanziell überaus schwierig. Nur weiße Zelte mit Champagner und Lachshäppchen sind zudem auch noch kein direkter Ausdruck von Lebensart, sondern eher von Geldbesitz.
Viele Hamburger stören sich an den vorhandenen Festen wohl auch vor allem deswegen, weil ihnen diese Veranstaltungen vorführen, dass die Stadt vielleicht doch etwas gewöhnlicher ist, als sie es gern hätten. Diese besondere Haltung zum Leben in der Großstadt mag auch etwas mit der besonderen Struktur zu tun haben; es ist an vielen Stellen möglich, beinahe kleinstädtisches (zuweilen sogar dörfliches) Leben zu haben, aber dennoch in einer Millionenmetropole zu leben.
In Hamburg wohnen knapp 1,8 Millionen Menschen auf einer Fläche von 755 Quadratkilometern, in Berlin 3,4 Millionen auf 891 Quadratkilometern. An der Elbe ist es also vergleichsweise weitläufig, ganze Stadtteile liegen im Grünen, und blickt man im Sommer beim Landeanflug von oben auf die Stadt, wirkt es, als wäre diese direkt in einen Wald hinein gebaut worden. Hinzu kommt die Weitläufigkeit, die Ferne, die der Fluss als Lebensader liefert, und die frische Luft, die von den Meeren hineinströmt.
All das mag die Hamburger über Jahrhunderte in ihrem Selbstverständnis geprägt haben; eine gewisse Bevorzugung der Individualität, man könnte es gemein formuliert auch Snobismus nennen, ist jedenfalls nicht gänzlich zu bestreiten. Auch der Protest in vielen Stadtteilen gegen geplante Neubauprojekte geht zuweilen in diese Richtung. Doch Abschottung und das Stemmen gegen Veränderung ist nicht unbedingt das, was ein Gemeinwesen zukunftsfähig macht.
Der Trubel auf den Landungsbrücken an diesen Tagen mit den vielen Besuchern aus ganz Deutschland – manche von ihnen eher durch Dialekt als durch Intellekt geprägt – setzt dazu einen krassen Kontrapunkt. Den Hafen als Bühne, das Drehen der Ladekräne, das Gewimmel auf dem Wasser, das führen wir zwar gerne und stolz unserem Besuch vor, aber doch nicht auf diese proletarische Weise, die doch dem wahren Wesen der Stadt so gar nicht entspricht! Die Hamburger werden sich nie wie die Bayern oder die Kölner zu ihren Volksfesten bekennen können, dazu ist der Brauchtums-Charakter in dieser Stadt der Aufklärung und des protestantischen Arbeitsethos nicht ausgeprägt genug. Aber die Wahrheit ist: Auch wir sind der Schwenkgrill!