Kammern, Wirtschaftsverbände und Gewerkschaftsbund machten durch die gegründete Initiative IMH eine Online-Befragung mit 1680 Teilnehmern.

Hamburg. Anke Albers, 35, hat Probleme mit der Kinderbetreuung: „Ich habe ein sieben Monate altes Kind und wohne in Pinneberg-Nord. Bald arbeite ich wieder in Hamburg. Ich muss mir dann eine volle Tagesmutter leisten, weil die Öffnungszeiten einer Kita in Pinneberg mit meinen Arbeitszeiten nicht vereinbar sind“, sagt die Bankerin. Manfred Kommritz, Prokurist beim Unternehmen Stock Rohrgroßhandel in Lauenburg, beklagt: „Wir haben manchmal Schwertransporte, die durch drei Bundesländer führen. Wir brauchen dann drei Genehmigungen, das kann bisweilen Wochen dauern.“ Eine Mutter, die mit ihrer Familie in Niedersachsen an der Landesgrenze zu Hamburg lebt, beschwert sich über die Beschränkung der Schulwahl: „Meine Kinder können nicht in eine Hamburger Schule, die gleich nebenan liegt, gehen, sondern müssen einen langen Schulweg in Kauf nehmen, weil sie in Niedersachsen zur Schule gehen müssen.

Das sind drei Antworten auf die Frage: „Wo drückt der Schuh in der Metropolregion?“ Initiator dieser Online-Befragung ist die von Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, Unternehmerverbänden und Gewerkschaftsbund neu gegründete „Initiative pro Metropolregion Hamburg“ (IMH). Es ging darum herauszufinden, wo es aus Sicht von Bürgern und Unternehmen Probleme in der Metropolregion Hamburg gibt. Die Ergebnisse liegen dem Abendblatt exklusiv vor.

Bürger wünschen einheitliche Tickets für Fahrten mit dem Nahverkehr

1680 Bürger und Unternehmen nahmen daran teil, zudem gab es teilweise zusätzlich Telefon-Interviews. 61 Prozent der Teilnehmer sind Arbeitnehmer, 19 Prozent Unternehmer. 50 Prozent der Befragten arbeiten in Hamburg. 64 Prozent der Teilnehmer wohnen außerhalb von Hamburg. „Die Metropolregion ist beliebt“, lautet das Fazit der Initiatoren. 68 Prozent der Befragten verbinden mit der Metropolregion Hamburg ein gutes Freizeitangebot, 61 Prozent eine gute Erschließung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV), 51 Prozent eine interessante Ergänzung von Land und Stadt. Aber es gibt zu viele bürokratische Hürden: 58 Prozent derjenigen, die an der Studie teilgenommen haben, bekommen im Alltag die Verwaltungsgrenzen innerhalb der Metropolregion zu spüren, bei den Pendlern sind es sogar 67 Prozent.

Aus den Umfrageergebnissen formuliert die IMH Forderungen: Die Bürger wünschen einheitliche Tickets für Fahrten mit dem öffentlichen Nahverkehr in der Metropolregion durch aufeinander abgestimmte, aber in der Region einheitliche Tarife. Wichtig ist ein länderübergreifendes Baustellen-Management, um den Pendlerverkehr auf den Hauptverkehrsachsen zu entlasten. Und: die Möglichkeit, dass Auszubildende in der Nähe ihres Wohnortes zur Berufsschule gehen und dort auch ihre Prüfung ablegen können – unabhängig vom Arbeitsort, dies verhindern in der Praxis oft bürokratisch anmutende Landesgesetze. Weitere aus der Studie resultierende Forderungen: Die Angleichung der Schulferienzeiten innerhalb der Metropolregion und die freie Wahl der Kindertagesstätten, unabhängig von Kreis- und Landesgrenzen.

„Mit unserer Umfrage wollten wir Orientierung geben, um die Weiterentwicklung der Metropolregion an den tatsächlichen Bürgerbedürfnissen auszurichten“, sagt Professor Hans-Jörg Schmidt-Trenz, Vorsitzender der Initiative und Hauptgeschäftsführer der Handelskammer Hamburg. Seit 15 Jahren arbeiteten Politik und Wirtschaft daran, die Metropolregion, die auf einem Staatsvertrag beruht, „von einem Großkampfschiff zu einem Schnellboot“ zu machen. Doch die bestehende Organisationsstruktur sei nicht effektiv. „Die Umfrageergebnisse geben uns Anhaltspunkte darüber, wo und in welchen Bereichen Politik und Verwaltung Lösungen liefern müssen, damit sich der Alltag der Menschen, die in diesem von Verwaltungsgrenzen zerschnittenen Wirtschaftsraum leben und arbeiten, verbessert.“

Die Befragten nennen zahlreiche Situationen aus ihrem Alltag, in denen sie Verwaltungsgrenzen zu spüren bekommen. Bei den Teilnehmern, die dort die daraus resultierende Bürokratie kritisieren, wird diese beim Öffentlichen Personennahverkehr (52 Prozent), beim Straßenbau (48 Prozent) und bei allgemeinbildenden Schulen (47 Prozent) besonders stark wahrgenommen. Wer etwa in Lüneburg wohnt, aber in Harburg arbeitet und seinen Pass verlängern möchte, darf dies nur in einer Dienststelle an seinem Wohnort, nicht in Harburg, wo er sich tagsüber aufhält und das in der Mittagspause möglicherweise erledigen könnte. Ein Teilnehmer aus Wedel darf sein Auto nicht im näher erreichbaren Hamburg anmelden, sondern nur in Pinneberg.

Oder: Ein Notruf bei 110 oder 112 per Mobilfunk landet im „Bermuda-Dreieck“ Hamburg/Landkreis Harburg/Landkreis Stade häufig bei irgendeiner Leitstelle, die sich für den Anruf je nach Unfallort nicht zuständig fühlt. Ein weiteres Beispiel: die 162 Park-&-ride-Parkplätze in Klecken sind oft überlaufen. In Buchholz, Start einer direkten Regionalbahnlinie nach Hamburg, stehen die 1300 Park-&-ride-Parkplätze indes oft leer, von denen die Hälfte kostenpflichtig ist. Der Grund: Die Monatskarte für einschließlich Buchholz, das außerhalb des HVV-Großbereichs liegt, ist teurer. So parken Pendler, die in Buchholzer (Nordheide) Ortsteilen wie Dibbersen wohnen und nach Hamburg wollen, nicht in Buchholz ihre Autos, sondern in Klecken, das noch in den HVV-Bereich fällt, um erst von dort die Bahn zu nehmen.

„Wir haben schon viel Positives erreicht, aber solche Beispiele zeigen, wie weit die Metropolregion noch von der Lebenswirklichkeit entfernt ist“, sagt Schmidt-Trenz. Die Metropolregion Hamburg ist weitaus größer, als manche ihrer gut fünf Millionen Einwohner vermuten würden. Gemeinsam erwirtschaften sie ein Bruttoinlandsprodukt von 166,6 Milliarden Euro. Schließlich umfasst die Region neben Hamburg 19 Kreise oder kreisfreie Städte und reicht in vier Bundesländer hinein.

Die Arbeit der Verwaltungen der Metropolregion sollte sich noch stärker am Wirtschafts- und Lebensraum als an Länder- und Kreisgrenzen orientieren, fordert der IMH-Vorsitzende. „Öffentliche Dienstleistungen sollten sich nicht an Verwaltungsgrenzen, sondern an den tatsächlichen Bedürfnissen der Bürger und Unternehmen ausrichten. Diese ergeben sich im Wesentlichen aus der Konstellation von Wohn- und Arbeitsort. Wir laden Politik und Verwaltung ein, mit der Wirtschaft der Metropolregion in einen stärkeren Dialog zu treten. Denn die Zukunft unserer Metropolregion Hamburg geht uns alle an.“ Arbeitsgruppen sollen nun prüfen, was umsetzbar ist. IMH-Chef Schmidt-Trenz sagt: „In einem halben Jahr schauen wir uns genau an, wie weit wir darin gekommen sind.“