Bei seinem Auftritt bei Jauch hat der Bürgermeister quer geschossen
Wann ist der richtige Zeitpunkt für den Ausstieg aus einem politischen Prozess? Eine richtige Antwort auf diese Frage ist fast immer schwer zu finden. Heinrich Stüven, der Vorsitzende des Grundeigentümerverbands Hamburg, hat jetzt angekündigt, er werde das Hamburger Bündnis für das Wohnen verlassen, wenn in der Stadt flächendeckend eine Mietpreisbremse umgesetzt wird.
Der Grund für Stüvens Drohung ist der Auftritt von Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz in der Talkshow von Günther Jauch am Sonntagabend. Scholz hatte dort den vom SPD-geführten Bundesjustizministerium erarbeiteten Gesetzentwurf über den Klee gelobt und erklärt, damit werde der Neubau von Wohnungen nicht behindert, sondern lediglich die Spekulation mit bestehendem Wohnraum bekämpft.
Die Aussagen von Olaf Scholz stehen im Widerspruch zur Darstellung von Experten. Sie verweisen darauf, dass eine Mietpreisbremse sehr wohl Kapitalgeber davon abschreckt, in den Bau neuer Wohnungen zu investieren. Der staatliche Eingriff würde finanzielle Kalkulationen über den Haufen werfen. Es rechne sich einfach nicht, wenn bei einem Mieterwechsel die neue Miete nicht höher als zehn Prozent über dem Mietenspiegel liegen dürfe.
Fraglich ist auch, ob Wohnungsbesitzer überhaupt noch Geld in die Erneuerung von Wohnungen investierten, wenn diese Ausgaben sich nicht durch höhere Mieten refinanzieren lassen. Angesichts des großen Bedarfs an energetischen Sanierungen vieler Wohngebäude ist das ein ernstes Thema.
Es gibt also durchaus vernünftige Argumente, die gegen eine flächendeckende Mietpreisbremse sprechen und es sinnvoll erscheinen lassen, sie beispielsweise lediglich in angesagten Stadtvierteln oder besonders nachgefragten Straßenzügen umzusetzen.
Für solch eine Differenzierung ließen die Äußerungen von Olaf Scholz am Sonntagabend keinen Platz. Das mag an den Regeln der politischen Auseinandersetzung und dem Format von Fernsehshows liegen. Verzwickt ist die Angelegenheit aber, weil in Hamburgs Wohnungswirtschaft der Eindruck entstanden ist, dass Scholz das Bündnis für das Wohnen aus den Augen verloren hat.
Das Bündnis war vom SPD-Senat geschaffen worden, um gemeinsam mit der Wohnungswirtschaft den im Wahlkampf versprochenen Bau von jährlich 6000 Wohnungen zu organisieren. Allerdings ist das Bündnis nicht nur ein Transmissionsriemen für den Transport sozialdemokratischer Vorstellungen in die Wohnungswirtschaft. Vielmehr war und ist das Bündnis für die Wohnungswirtschaft eine institutionalisierte und regelmäßig wiederkehrende Möglichkeit, mit der zuständigen Bausenatorin Jutta Blankau ins Gespräch zu kommen.
Unternehmer können an diesem Ort eigene Vorstellungen artikulieren und – ja, auch – Bedenken gegen politische Vorhaben formulieren. Die Senatorin wiederum kann abseits von Parteiveranstaltungen die eigene Politik erklären, für sie werben und Kompromisslinien ausloten. Das hat in den vergangenen Jahren gut funktioniert, wie beide Seiten immer wieder betonen. Wenn jetzt der Grundeigentümerverband seinen Austritt für den Fall ankündigt, dass die Mietpreisbremse in Hamburg ohne Wenn und Aber umgesetzt wird, so wird das Bündnis daran nicht zerbrechen. Aber der Bürgermeister hat dem Gremium mit seinem nassforschen Auftritt am Sonntagabend in der Jauch-Show geschadet und seine Bausenatorin in eine ungemütliche Lage gebracht. Jutta Blankau wird viel Energie benötigen, um die Wogen bei der Wirtschaft wieder zu glätten.
Mit Blick auf Heinrich Stüven kann Olaf Scholz sich mit einem Ausspruch des früheren SPD-Politikers Herbert Wehner trösten. Dieser hat einmal gesagt: „Wer hinausgeht, muss auch wieder reinkommen.“