Hamburg Wasser hat derzeit vier große Baustellen. Eine ist das Isebek-Stammsiel. Dass solche aufwendigen Renovierungsarbeiten überhaupt notwendig sind, liegt nicht nur am Zahn der Zeit.

Rothenburgsort. Das Unternehmen Hamburg Wasser will künftig pro Jahr rund 60 Kilometer des 5900Kilometer langen Sielnetzes erneuern. „Damit streben wir im langfristigen Mittel eine Renovierungsquote von rund einem Prozent an“, sagte Ole Braukmann, Sprecher von Hamburg Wasser, dem Abendblatt. Jährlich werden rund 100 Millionen Euro in die Instandhaltung und Modernisierung des Sielnetzes und der Anlagen investiert. Wegen mehrerer Großprojekte liegt die Renovierungsquote derzeit niedriger als ein Prozent.

Im Mittelpunkt der diesjährigen Sielsanierung stehen vier große Baustellen. Mit Hochdruck gehen die Arbeiten rund um das historische Isebek-Stammsiel weiter, das mehr als 120 Jahre alt ist. Damit das Siel für die notwendige Sanierung und Vergrößerung vorübergehend außer Betrieb gehen kann, muss zuvor ein 3,6 Kilometer langes Transportsiel gebaut werden. Hamburg Wasser investiert in das innerstädtische Entlastungsprogramm 42 Millionen Euro. Die Arbeiten sollen Anfang 2016 abgeschlossen sein.

Bis voraussichtlich Ende dieses Jahres läuft die Sanierung des Stammsiels in Rothenburgsort. Es ist rund 60Jahre alt und 1000 Meter lang. Die Sanierung der schadhaften Bausubstanz kostet 15 Millionen Euro. Bereits im Sommer wird die Erneuerung der 100 Jahre alten Mischwassersiele in Blankenese (Hasenhöhe/Simrockstraße) abgeschlossen sein. Seit August vergangenen Jahres bringen dort Arbeiter die Kanalisation auf den neuen Stand und vergrößern den Leistungsquerschnitt von 40 Zentimeter Durchmesser auf 60 Zentimeter. „Wir investieren in diese Baustelle 1,3 Millionen Euro“, sagt Ole Braukmann.

Kurz vor dem Abschluss steht die Renovierung eines schadhaften Mischwassersiels im sogenannten Inliner-Verfahren an der Verbindungsbahn/Bundesstraße. Dabei wird in das Mischwassersiel ein mit Polyesterharz getränkter Schlauch eingezogen (Inliner). „Wenn der aushärtet, kann das Siel statisch verstärkt weiterbetrieben werden“, sagt Braukmann.

Dass solche aufwendigen Renovierungsarbeiten überhaupt notwendig sind, liegt nicht nur am Zahn der Zeit, der auch an den unterirdischen Sielen nagt. Dazu kommt ausgerechnet auch der gesunkene Wasserverbrauch der Hamburger.

Weil die Kanalisation der Hansestadt als Schwemmkanalisation angelegt ist, benötigt sie gewisse Wassermengen, um das Abwasser im Fluss zu halten. Sonst kommt es zum Fäkalienstau. Schon jetzt werden in verbrauchsarmen Zeiten kritische Leitungsabschnitte zusätzlich mit Wasser gespült.

Die Hansestadt verfügt übrigens über das älteste Sielnetz auf dem europäischen Festland. Nach dem „Großen Brand“ im Mai 1842, bei dem ein Drittel der Stadt zerstört wurde, bekam der britische Ingenieur William Lindley den Auftrag, an Elbe und Alster eine Kanalisation aufzubauen. Sie sollte Fäkalien genauso aufnehmen wie Regen- und Schmutzwasser, aber auch Straßenabfälle. Im Jahr 1910 war der Aufbau eines leistungsfähigen Sielnetzes im Wesentlichen abgeschlossen. Damit gehörte der im 19. Jahrhundert übliche, geruchsintensive Abtransport der Fäkalien durch die „Kummerwagen“ der Vergangenheit an. Ab 1967 entstand zusätzlich ein 100 Kilometer langes zweites, tief 0liegendes Kanalnetz. Es sollte das bisherige System entlasten.

Inzwischen hat Hamburgs unterirdisches Kanalnetz eine Länge von fast 6000 Kilometern. Es nimmt auf einer Fläche von 300 Quadratkilometern täglich rund 380.000 Kubikmeter Abwasser auf – und zwar bei trockenem Wetter. Bei Starkregen können es bis zu 1,2 Millionen Kubikmeter werden. Nach Angaben von Hamburg Wasser gelangt das Regenwasser in ein rund 1600 Kilometer langes Netz aus Kanalrohren, während alle anderen Rohre das Schmutz- und Mischwasser aufnehmen. 227 Pumpwerke befördern das Wasser zum Klärlagenverbund rechts und links des Köhlbrands. Die Siele selbst sind unterschiedlich dick: Hausanschlüsse haben einen Durchmesser von 15 Zentimetern, die öffentlichen Siele kommen auf 1,50 Meter. Wie es bei Hamburg Wasser heißt, verläuft die örtliche Kanalisation meist nur zwei bis fünf Meter tief im Boden. Die großen Transportsiele erreichen dagegen eine Tiefe von bis zu 27 Metern. Zu den Anlagen zählen Siele und Schächte genauso wie Pumpwerke, Rückhaltebecken und Absperreinrichtungen. Insgesamt sorgen 800.000 kleine und große technische Anlagen für die Funktionsfähigkeit dieses Systems. 1,95 Millionen Einwohner in Hamburg und Umgebung sind an die städtische Abwasserentsorgung angeschlossen. Die Preise und Gebühren für den Verbraucher gelten als moderat. Während die Ausgaben für die Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung von 2000 bis 2012 bundesweit um 20 Prozent gestiegen sind, waren es in Hamburg zehn Prozent.