Am 27. März kommt der Film „Banklady“ mit Nadeshda Brennicke in der Hauptrolle in die Kinos. Ein Gespräch über Mauerblümchen, Helden und ein Bankgeheimnis.

Schauspielerin Nadeshda Brennicke hat die Geschichte Deutschlands erster Bankräuberin fürs Kino entdeckt: In den 60er-Jahren überfiel die Hamburger Fabrikarbeiterin Gisela Werler gemeinsam mit ihrem Geliebten Hermann Wittorff und weiteren Komplizen 19 Geldhäuser in Norddeutschland. 1967 wurde die Bande gefasst. Werler und Wittorff wurden zu langen Haftstrafen verurteilt, sie heirateten im Gefängnis. Bis zu Gisela Werlers Tod 2003 lebte das Paar in der Hansestadt, der Ehemann starb 2009. Der Großteil der Beute wurde nie gefunden. Nadeshda Brennicke spielt im Film die unerschrockene Hamburgerin, die stets im Stil einer Lady die Bank ausplünderte.

Hamburger Abendblatt: Nadeshda Brennicke, was hat Sie an der Geschichte der „Banklady“ fasziniert ?

Nadeshda Brennicke: Das Doppelleben dieser Frau. Gisela Werler, die erst bis Mitte 30 als Fabrikarbeiterin lebte, sich dann offenbar Hals über Kopf in diesen Mann verguckte und, als schicke Frau verkleidet, Banken ausraubte. Sie hat da etwas ausgelebt, von dem sie bis dato gar nicht wusste, dass es in ihr schlummert. Sie war zudem so geschickt, dass sie trotz des erbeuteten Geldes ihr normales Leben weiterführte, ohne besonders aufzufallen. Wie jemand in diesem Alter noch mal derart sein Leben herumreißt und verändert, das fand ich enorm spannend und aufregend.

Bankräubersein ist ja eigentlich eine Männerdomäne. War das für Sie ein weiterer Reiz an Ihrer Rolle ?

Ja, selbstverständlich. Als junger Mensch auf der Schauspielschule träumt man davon, als Frau mal eine Bankräuberin spielen zu dürfen. Vor allem in Deutschland ist es eher unwahrscheinlich, dass so etwas passiert. Und ich durfte gleich mehrere Banken ausrauben!

Wie nahe an der Realität ist der Film?

Wir sind sehr nahe dran. Es gibt natürlich kleine Details, die übertrieben sind. Zum Beispiel wurde nie eine Maschinenpistole aus einer Vitrine in einem Polizeirevier geklaut. Das ist selbstverständlich völlig abwegig, und es gab auch nicht eine derart spektakuläre Schießerei an der Bungalow-Anlage wie im Film. Es gab zwar eine Schießerei, allerdings auf einer Landstraße. Wir sind also wirklich sehr nahe an der Geschichte geblieben. Dafür wird man uns keine Vorwürfe machen können.

Wie haben Sie sich in der Rolle der bewaffneten Bankräuberin gefühlt?

Es war großartig, da ich die ganze Entwicklung dieser Frau darstellen durfte. Gisela Werler hat anfangs sehr schüchtern und höflich Banken ausgeraubt und sich dabei entschuldigt. Sie wurde bekannt dafür, dass sie gesagt hat „Vielen Dank, schönen Tag noch und entschuldigen Sie bitte.“ Das war charmant. Doch irgendwann kippte es dann bei ihr. Es gab den Moment, in dem sie diese Macht mit der Waffe in der Hand, andere zu beherrschen, genossen hat. Vielleicht, weil sie früher nur das Mauerblümchen war, die Angestellte, die nie sonderlich aufgefallen ist, die funktionierende Ameise im großen Ameisenhügel.

Waren Sie früher auch der Typ Mauerblümchen?

Ich war eher ein verschlossener Mensch, der so getan hat, als hätte er ein unglaubliches Selbstbewusstsein. Das hatte ich aber nie. Ich habe stattdessen versucht, zu erfüllen, was die Umwelt von mir verlangt hat, gewisse Erwartungen zu erfüllen. Es war mir lieber, als Klischee wahrgenommen zu werden, als dass jemand meine wirklich echte Seite kennengelernt hätte.

Welches Klischee meinen Sie?

Na, das Klischee, das ich in vielen Filmen am Anfang meiner Karriere bedient habe. Ich war das klassische blonde, hübsche, etwas einfach gestrickte Mädchen. Anfangs hat mir das eigentlich ganz gut gefallen, weil ich mir gedacht habe, wenn die denken, ich bin so doof, dann lassen sie mich auch in Ruhe. Ich hatte eine Zeitlang nichts dagegen, unterschätzt oder falsch eingeschätzt zu werden. Es hat mir auch ermöglicht, dass ich ziemlich gut die Spreu vom Weizen trennen konnte. Denn nur die Menschen, die wirklich an mir interessiert waren, sind überhaupt zu mir vorgedrungen.

Mal angenommen, Sie würden tatsächlich in einen Banküberfall verwickelt. Wie würden Sie reagieren?

Ich würde versuchen, mich ruhig zu verhalten, weil ich einen Sohn zu Hause habe, der auf mich wartet und mich braucht. Ich glaube, den Helden spielt man nur, wenn man nichts zu verlieren hat. Ich finde es zwar wichtig, dass wir Helden in unserem Land haben, aber solange ich noch ein Kind habe, kommt das für mich nicht infrage. Für die Zeit danach, dafür kann ich nicht garantieren.

Wie ist Ihr grundsätzliches Verhältnis zu Banken?

Banken haben auf einer sehr hohen Ebene sehr viel Macht. Eine Macht, die wir lange unterschätzt und schon längst hätten erkennen müssen. Aber wir sind eine sehr bequeme Gesellschaft geworden. Der Mensch will auch ein bisschen blind bleiben, denke ich.

Was bedeutet Geld für Sie?

Geld bedeutet mir nicht viel. Ich habe gern genügend, um mein Zuhause erhalten zu können und meinem Sohn die Ausbildung zu ermöglichen, die er verdient. Aber ich brauche weder eine teure Handtasche noch kostspielige Kleidungsstücke. Tatsächlich habe ich mir in meinem Leben noch nie ein wirklich teures Kleidungsstück gekauft. Das finde ich völlig absurd.

Wie passt dazu, dass Sie arabische Vollbluthengste züchten?

Ich züchte nicht mehr. Es gibt genügend herrenlose Pferde. Darum habe ich vor zwei Jahren aufgehört. Ich habe einen kleinen Bauernhof mit vier Pferden, mit denen lebe ich. Die versorgen wir selbst, und wir wissen auch, was es heißt solche Tiere zu halten. Eben weil wir die Arbeit selber verrichten müssen. Wenn ich Geld ausgebe, dann lieber für meine Pferde und meinen Sohn als für mich.

Gisela Werler hat mit Mitte 30 ein zweites Ich entdeckt. Sie werden im April 41 Jahre alt.

Eine Karriere als Banklady plane ich bestimmt nicht. Ich habe eher eine Midlife-Krise in dem Sinne, dass ich mir im Augenblick überlege, was mich im Leben denn wirklich noch interessiert. Mir fehlt zum Beispiel das Reisen. Ich habe mein Kind mit 22 Jahren bekommen und als alleinerziehende Mutter war für mich das Jungsein damals vorbei. Ich habe keine ausschweifende Party-Disco-Phase gehabt und auch kein Work & Travel gemacht, wie mein Sohn das jetzt vor sich hat. Ich kenne das alles nicht.

Ihr Sohn wird in anderthalb Jahren 18 Jahre alt. Was dann?

Dann ist er wahrscheinlich weg. Und dann bricht für mich etwas Neues an, das spüre ich bereits. Eine Form von Freiheit, die ich nie hatte oder an die ich mich schon ganz lange nicht mehr erinnern kann. Dann werde ich mir einfach auch mal die Welt angucken.

Eine provokante Frage zum Schluss: Was ist Ihr Bankgeheimnis?

Das verrate ich Ihnen nicht.

Natürlich meine ich nicht Ihren Kontostand oder ein Konto in der Schweiz. Ich meine eine Bank, die in Ihrem Leben eine Rolle gespielt hat? Eine Parkbank zum Beispiel?

So etwas gibt es tatsächlich. Ich habe ein inniges Verhältnis zu einer Bank, von dem ich noch niemandem erzählt habe. Vergangenes Jahr im Oktober habe ich auf dem internationalen Filmfest in Chicago für meine Rolle in „Banklady“ den Preis als beste Darstellerin bekommen. Das war für mich ein absolutes Wunder, weil dort wirklich nur großartige Leute und vor allem auch sehr gute Filme prämiert werden. Als die ganze Preisverleihung vorbei war, bin ich abends noch einmal durch die Straßen Chicagos gegangen, Dann habe ich mich allein auf eine Bank am Wasser des Kanals gesetzt, in den Himmel geguckt und an Gisela Werler gedacht. Natürlich war sie eine Kriminelle, wenn auch eine aus Liebe. Aber ich hätte diese Frau gern noch persönlich kennengelernt, um mich bei ihr zu bedanken. Dafür, dass ich diese Geschichte finden durfte und dass sie mir so viel Glück gebracht hat.