Das Dokument soll zeigen, wie gut ein Gebäude isoliert ist. In wenigen Wochen wird es für Vermieter und Verkäufer Pflicht, den Ausweis vorzulegen. Doch Mieterverein und Grundeigentümer bezweifeln den Erfolg.
St.Georg. Neumieter müssen bald besonders aufpassen: Vom 1.Mai an haben sie Anspruch auf Einsicht in den Energieausweis des Gebäudes. Doch der Mieterverein zu Hamburg befürchtet, dass jährlich rund 60.000 Hamburger Mieter beim Wohnungswechsel gar nicht erfahren werden, worauf sie eigentlich einen Rechtsanspruch haben.
In wenigen Wochen tritt die neue Energiesparverordnung (EnEV) in Kraft. Dann sind Vermieter und Verkäufer von Immobilien gesetzlich verpflichtet, den Energieausweis mit den Energiekennwerten unaufgefordert vorzulegen. Wenn das nicht ordnungsgemäß erfolgt, kann ein Bußgeld von bis 15.000 Euro drohen. Es gibt dafür allerdings eine Übergangszeit von einem Jahr. Richtig teuer wird es dann erst ab 1.Mai 2015.
Während der Hamburger Grundeigentümer-Verband erhebliche Zweifel an der Aussagekraft solcher Dokumente hat, prognostiziert der Mieterverein zu Hamburg unmittelbare Folgen für Neumieter. „Wir rechnen damit, dass die Vermieter gar nicht gewillt sind, den neuen Mietern diese Ausweise zu zeigen“, sagte Siegmund Chychla, Geschäftsführer des Mietervereins, dem Abendblatt. „Die Vermieter sind womöglich nicht daran interessiert, auf den schlechten energetischen Zustand des Hauses hinzuweisen.“ Chychla schätzt, dass jährlich rund 60.000 Hamburger Mieter in diesem Fall leer ausgehen: „Sie haben einen Rechtsanspruch auf Einsicht dieses Energieausweises. Und erfahren trotzdem nichts.“ Der Mieterverein befürchtet, dass viele potenzielle Mieter angesichts der Wohnungsknappheit diesen Ausweis auch gar nicht einfordern werden – aus Angst, die gewünschte Wohnung nicht zu bekommen.
Ähnlich sieht das auch Sylvia Sonnemann, Geschäftsführerin von Mieter helfen Mietern in Hamburg. „Wer als Mietinteressent nach einem Energieausweis fragt, der vom Vermieter eigentlich vorgelegt werden müsste, rutscht in der Bewerberliste oft ganz nach unten.“ Dazu kommt, dass bei dem gegenwärtig angespannten Wohnungsmarkt den potenziellen Mietern Bezahlbarkeit und Lage wichtiger sind als die energetische Gebäudequalität.
Die neue Energiesparverordnung soll Verbrauchern, Mietern und Käufern mehr Klarheit über den Energieverbrauch eines Gebäudes bringen. Bislang erhielt der Ausweis lediglich Kennwerte zum Energiebedarf und –verbrauch. Künftig jedoch werden die Gebäude auf der Basis dieser Werte von „A“ bis „H“ klassifiziert, wie das etwa bei Haushaltsgeräten verbreitet ist. Die Einteilung muss in alle neuen Ausweise eingetragen und bei Wohnungs- und Immobilienanzeigen kenntlich gemacht werden. Auf diese Weise wird die Vergleichbarkeit verschiedener Wohnungen für Mieter und Kaufinteressenten erhöht. Eine Ordnungswidrigkeit entsteht, wenn ein Vermieter oder Verkäufer den Energieausweis nicht wie gefordert übergibt oder vorlegt.
Scharfe Kritik an diesem Verfahren hat jetzt der Vorsitzende des Grundeigentümer-Verbandes Hamburg, Heinrich Stüven, geäußert. „Die Sanktion des Gesetzgebers ist nichts anderes als eine Krücke, den Energieausweis populärer zu machen, weil der Bürger ihn bisher schlichtweg ignoriert hat“, sagte Stüven dem Abendblatt. Der Gesetzgeber zeige das Verhalten einer „beleidigten Diva, auf die niemand sieht“.
Der Grundeigentümer-Verband prognostiziert, dass der Energieausweis auch in Zukunft bei der Anmietung und dem Verkauf eines Gebäudes keine Rolle spielen wird. Und zwar aus diesem Grund: Die Interessenten fragen nicht nach Energiepass oder Energieeffizienz. „Die Objektwahl“ so Stüven, „richtet sich vor allem nach den Kriterien wie Lage, Ausstattung und Gesamtmiete.“ Die energetische Modernisierung des Gebäudes treibe aufgrund der enormen Kosten die Gesamtmiete noch weiter nach oben. Stüven: „Der Energieausweis hat sich zu keinem Zeitpunkt auf dem Wohnungsmarkt etabliert.“
Nach Ansicht des Grundeigentümer-Verbandes hat die Wohnungswirtschaft in den vergangenen Jahren große Anstrengungen unternommen, um die Energieeffizienz der Gebäude erheblich zu verbessern. Allerdings seien die Baukosten aufgrund dieser politischen Vorgaben in den vergangenen zehn Jahren um 75 Prozent gestiegen.Wenn die neue Verordnung in Kraft getreten ist und sich Vermieter dennoch weigern, den Ausweis vorzulegen, rät Mieterverein-Geschäftsführer Chychla: „In solchen Fällen erst mal einziehen und später noch dem Energieausweis verlangen.“ Der Grundeigentümer-Verband kündigte derweil an, Verkäufer und Vermieter auf die Folgen hinzuweisen, sollten die neue Verordnung nicht beachtet werden. „Ich“, sagte Stüven, „gehe davon aus, dass die Eigentümer sich gesetzeskonform verhalten und allenfalls aus Unkenntnis heraus den Energieausweis nicht vorlegen.“