Finanzsenator Tschentscher präsentierte zwar einen erfreulichen Haushaltsabschluss für 2013. Aber die SPD vermeidet jegliche Euphorie – die CDU dient als abschreckendes Beispiel.
Dienstag war aus landespolitischer Sicht ein eher unspektakulärer Tag. Im schmucklosen Raum 151 des Rathauses präsentierte Finanzsenator Peter Tschentscher zur Mittagsstunde den Abschluss des Haushaltsjahres 2013 – stehend, die Fernbedienung für den Beamer in der Hand, der Tabellen und Zahlenkolonnen an die Wand warf. Die Szene, die sich alljährlich im Februar wiederholt, erinnert mehr an eine Einführungsvorlesung in Haushaltswesen als an eine politische Veranstaltung.
Entsprechend nüchtern fiel die Einschätzung des Senators aus. Obwohl Hamburg 2013 weniger Geld ausgegeben hat als im Vorjahr, obwohl mehr Geld eingenommen wurde als geplant, und obwohl Defizit und Neuverschuldung deutlich unter Plan und unter den Vorjahreswerten lagen, vermied der SPD-Politiker jegliche Euphorie. Das sei ja „nicht aktiv ersteuert“, sondern im Wesentlichen Folge diverser Sondereffekte, betonte Tschentscher – einer dieser Effekte war etwa, dass Rechnungen für die Elbphilharmonie erst in späteren Jahren fällig werden.
Das Ungewöhnliche an den Auftritten des Finanzsenators ergibt sich nur aus dem Vergleich mit seinen Vorgängern. Eine der denkwürdigsten Szenen zum Thema Haushalt spielte sich im Oktober 2007 ab. Damals trat Finanzsenator Michael Freytag gemeinsam mit Bürgermeister Ole von Beust im gleichen Raum wie jetzt Tschentscher vor die Presse und verkündete stolz das Ende der Schuldenaufnahme. Die finanzielle Lage der Stadt war damals zwar schlechter als heute – statt 470 Millionen betrug das Haushaltsdefizit mehr als 600 Millionen Euro –, doch das hielt die beiden CDU-Politiker nicht davon ab, kurz vor der Bürgerschaftswahl symbolisch die Kreditaufnahme zu beenden. „Andere reden, wir handeln“, tönte Freytag – wobei „handeln“ bedeutete, dass das Loch im Etat zwei Jahre lang durch Auflösung von Rücklagen und Grundstücksverkäufe statt mit Krediten gestopft wurde.
Als Freytag 2010 zurücktrat, ließ er den Doppeletat 2007/2008 auf eine goldene CD brennen und schenkte sie seinem Nachfolger Carsten Frigge. Der versteckte sie an der Seitenwand einer Vitrine im Senatorenbüro, wo sie bis heute hängt. Denn Frigge plante ebenfalls einen großen Auftritt, aber in gänzlicher Abkehr von Freytag: Im Mai 2010 verkündete er zusammen mit Bürgermeister Ole von Beust in einem kargen Besprechungszimmer der Behörde Düsteres: „Wir haben strukturelle Probleme im Haushalt, die gigantisch sind", sagte von Beust. Die scheinbaren Erfolge der Vorjahre brandmarkte er als „kreative Bilanzierung“. Damit müsse jetzt Schluss sein. Es folgten dramatische Sparrunden, das Altonaer Museum sollte geschlossen werden, es gab einen Aufruhr, letztlich löste sich mit dem Koalitionsbruch alles in heiße Luft auf.
Diese unstete Auf und Ab kam in der Öffentlichkeit nicht gut an und dient der SPD bis heute als abschreckendes Beispiel. „Hanseatische Zurückhaltung, nur kein verfrühter Jubel“, umschreibt ein führender Genosse die Strategie in Sachen Haushalt. Bis spätestens 2019, wie von der Bürgerschaft vorgegeben, werde der Etat ausgeglichen sein, wobei spätestens eben auch früher als 2019 sein kann.
An dem Punkt wird es spannend. Denn in einem Jahr ist Bürgerschaftswahl, und in den Behörden beginnt dieser Tage die Aufstellung der ersten Pläne für den Doppelhaushalt 2015/2016, der im Herbst verabschiedet wird. Wie der Zufall es will, bietet sich nun auch der SPD die Gelegenheit, mit positiven Etatzahlen Wahlkampf zu machen. Die Frage ist nur: Will sie das überhaupt?
„Ich gehe davon aus“, sagt CDU-Finanzexperte Roland Heintze. Er fordert schon lange mehr Ehrgeiz bei der Haushaltssanierung und deutet die bisherige Zurückhaltung des Finanzsenators so, dass man sich die guten Nachrichten für den Herbst aufspare. Möglicherweise wird die SPD gar nicht darum herumkommen. Denn wenn die Konjunktur nicht einbricht und die Prognosen der Steuerschätzer eintreffen, ist ein Haushalt ohne Schulden für 2016 durchaus realistisch. Immerhin: Die Möglichkeit hat Finanzsenator Tschentscher am Dienstag auch vorsichtig erwähnt.
Dass er den Etat mit Hilfe „kreativer Bilanzierung“ aufhübschen könnte, wird in seinem Umfeld aber kategorisch ausgeschlossen – mit seinen Vorgängern verglichen zu werden, scheue er mehr als den Vorwurf, den Haushalt zu langsam zu konsolidieren. Am klarsten bringt das ausgerechnet eine Oppositionspolitikerin auf den Punkt: „Eine ähnlich unseriöse Haushaltspolitik wie der CDU traue ich der SPD ehrlich gesagt nicht zu“, sagt FDP-Fraktionschefin Katja Suding.
Ihre Befürchtung, die sie durchaus mit anderen Oppositionspolitikern teilt, geht eher dahin, dass die Genossen im Wahlkampf versucht sein könnten, Probleme mit Geld zu lösen oder unter dem Deckel zu halten. Dafür gab es in der Vergangenheit einige Beispiele, wie kürzlich das Zehn-Millionen-Trostpflaster für die von der Gewalt-Eskalation geplagten Polizei. Und an Begehrlichkeiten wird es nicht fehlen. Die Verteilungskämpfe haben bereits eingesetzt, nachdem der Senat die Eckwerte für die Behörden-Etats festgelegt hat: Plus 0,88 Prozent gibt es, mehr nicht – das ist für personalintensive Abteilungen angesichts von hohen Tarifabschlüssen ein hartes Sparprogramm.
Dass davon abgewichen wird, kann sich kein Sozialdemokrat vorstellen. Das würde Bürgermeister Olaf Scholz nicht mitmachen, heißt es, dafür sei ihm das Thema doch zu wichtig. Dass der Kurs aber noch verschärft wird, um vor der Wahl zu glänzen, wird ebenso ausgeschlossen. „Das gäbe Ärger“, meint ein Abgeordneter mit Blick auf die Partei. Viel spricht also dafür, dass einfach alles so weiterläuft wie bisher – unspektakuläre Auftritte inklusive.