Im August wird mit der „Hanseatic“ erstmals ein deutsches Kreuzfahrtschiff die berühmte Nordostpassage durchfahren. Möglich ist das, weil durch den Klimawandel das Polareis schmilzt.

Hamburg. Die legendäre Nordostpassage beflügelt seit Jahrhunderten die Fantasie von Entdeckern und Reisenden. Doch ein polarer Eispanzer blockiert die meiste Zeit im Jahr jenen Weg, der vom fernen Osten im Nordpolarmeer nach Europa führt.

Mit dem Klimawandel schmilzt das Eis im arktischen Sommer inzwischen so weit, dass die Nordostpassage neuerdings für die Handels- und Kreuzschifffahrt attraktiv wird.

Erstmals wird in wenigen Monaten ein nicht-russisches Kreuzfahrtschiff die Nordostpassage von der russischen Tschuktschen-Halbinsel über Franz-Josef-Land bis nach Murmansk wagen. Es ist die „Hanseatic“ von Hapag-Lloyd Kreuzfahrten mit Sitz am Hamburger Anckelmannsplatz.

Ausgerüstet mit der höchsten Eisklasse (E 4) für Passierschiffe und mit maximal 175 Gästen an Bord, startet die Reise am 12. August mit einem Sonderflug nach Alaska und führt dann mit dem Fünf-Sterne-Expeditionsschiff unter der Leitung von Kapitän Thilo Natke bis ins norwegische Bodö.

„Ein lang gehegter Wunsch“

Die Ankunft ist für den 10. September vorgesehen. „Endlich wird für uns ein lang gehegter Wunsch Wirklichkeit“, sagt der im niedersächsischen Einbeck lebende Kapitän.

Seit gut zehn Jahren, berichtet Isolde Susset, Leiterin Expeditionskreuzfahrten und Touristik bei Hapag-Lloyd Kreuzfahrten, denkt die Reederei über eine solche Expeditionsreise nach.

Wo immer wieder neue exotische Destinationen wie auf dem Amazonas, in der Antarktis und in der Südsee entwickelt werden, wächst auch das Interesse an der bislang kaum erreichbaren Nordostpassage. „Zwei Dinge haben bislang dagegen gesprochen: Das Eis und die Vorschriften der russischen Behörden“, sagt Susset.

Bisher gab es maritime und bürokratische Hindernisse

Klimawandel und eine neue Kooperationsbereitschaft der Russen machen es jetzt allerdings möglich, dass eine solche insgesamt rund 5300 Seemeilen lange Reise ohne große maritime und bürokratische Hindernisse glücken kann.

Eine positive Entscheidung der Russen ist deshalb notwendig, weil der weitaus größte Teil der Passage durch russische Hoheitsgewässer führt. „Wir sind jetzt in der heißen Planungsphase“, sagt Kapitän Natke, der seit bereits 21 Jahren auf der „Hanseatic“ arbeitet.

Während die Hamburger Reederei, vermittelt durch einen Reiseagenten vor Ort, die letzten russischen Genehmigungen erwartet, befasst sich der Kapitän mit der praktischen und nautischen Umsetzung der polaren Expedition.

Schon vor Monaten hat er sich die wissenschaftlich erhobenen Eisdaten besorgt. Sie dokumentieren, wie stark des Eis gerade im August und September in dieser Region zurückgeht.

Umfangreiche Vorbereitung

„In Gedanken bereite ich mich auf diese Reise schon seit zehn Jahren vor“, sagt der vielgereiste Natke, der den Amazonas genauso gut kennt wie die Antarktis, die er bereits 82 Mal angesteuert hat.

Zu seinen weiteren Vorbereitungen für die Nordostpassage gehörten die Lektüre von Seehandbüchern, Reiseblogs und das Studium der Seekarten. Nun beschafft er sich alle wichtigen Informationen über jene Häfen, die das Kreuzfahrtschiff anlaufen wird.

Und er wird in den nächsten Wochen zahlreiche Gespräche mit erfahrenen Expeditionsleitern führen. Wie mit dem promovierten Biologen Hans-Joachim Spitzenberger, der seit mehr als 20 Jahren Reisen durch die Arktis begleitet.

Adolf Erik Nordenskiöld war der Erste

Bei der Nordostpassage dürfte auf der „Hanseatic“ ein Name immer wieder genannt werden: Adolf Erik Nordenskiöld.

Dem Schweden gelang 1878/79 erstmals die Nordostpassage – und zwar von Europa, an der Küste Sibiriens vorbei bis nach Japan. Mit dem klimabedingten Zurückgehen des Eises entdeckt die Handelsschifffahrt diesen bislang verschlossenen Seeweg.

In der Saison 2013 wurden bereits 71 kommerzielle Fahrten durch die Nordostpassage gezählt, die den Seeweg von Europa nach Asien über den Suezkanal ersetzen – und vor allem deutlich verkürzen kann.

Die Bremer Beluga-Reederei setzte erstmals im Jahr 2009 zwei Handelsschiffe ein und konnte auf diese Weise gegenüber der traditionellen Route über den Suezkanal 5400 Kilometer einsparen.

Außergewöhnliche Kreuzfahrroute

Bei den Kreuzfahrtschiffen waren es bislang ausschließlich russische Expeditionsschiffe und Atomeisbrecher, die solvente Touristen in eine Region von atemberaubender Schönheit brachten.

Wer für diese außergewöhnliche Tour auf der „Hanseatic“ mindestens 22.540 Euro zahlt, kann bei den Anlandungen mit den Zodiac-Booten sibirische Wildnis pur erleben und viele Einblicke in das Leben der Tschuktschen bekommen.

Das Kreuzfahrtschiff bahnt sich einen Weg zur Wrangelinsel, die wegen ihres Artenreichtums mit Eisbären, Robben, Walrossen und Walen zum Weltnaturerbe gehört.

Während die klassischen Kreuzfahrten auf zeitlich und nautisch klar festgelegten Routen verlaufen, müssen Besatzung und Passagiere auf Expeditionskreuzfahrten über eine gehörige Portion Flexibilität und Spontaneität verfügen.

Wind und Wetter können Fahrplan umwerfen

„Wind, Wetter und Eis können immer wieder für Überraschungen sorgen“, sagt Kapitän Natke. „Dadurch kann der ganze Fahrplan umgeworfen werden. Man muss eben immer einen Plan B und C haben.“ Die Passagiere wissen das – und stellen sich gern darauf ein.

Isolde Susset plant seit einigen Jahren in der Reederei-Zentrale solche Touren zu den entlegensten Zielen auf der Welt. Dass der Amazonas und abgelegene Inseln in der Südsee auf dem Programm stehen, ist fast schon eine Selbstverständlichkeit.

In der Antarktis hat die Reederei inzwischen weit über 100 Anlandestellen für ihre Zodiacs erkundet. Und wenn alle Bedingungen stimmen, entern die Passagiere auch schon mal eine riesige Eisscholle, um dort mit einem Glas Champagner das leichte Leben im ewigen Eis zu feiern.

Derweil sucht die Kreuzfahrtreederei weitere, bislang noch nicht angefahrene Ziele – zum Beispiel in der kanadischen Antarktis und in Mikronesien. Kapitän Natke wird vor der polaren Passagenpremiere mit der „Hanseatic“ zunächst durch die Südsee kreuzen – so abwechslungsreich ist sein Berufsleben.