Bezirksamtsleiter Sevecke räumt ein, dass im tragischen Todesfall der dreijährigen Yagmur Fehler gemacht wurden. Der Bericht der Jugendhilfeinspektion hatte „eklatante Verstöße“ gefunden.
Hamburg. Der Bezirk Eimsbüttel hat auf den Bericht der Jugendhilfeinspektion reagiert und Aufklärung versprochen. Bezirksamtsleiter Torsten Sevecke sagte: „Der Bericht hat mich persönlich betroffen gemacht. Das ist kein einfacher bürokratischer Prüfungsvorgang, hier geht es um den Tod eines schutzbedürftigen Kindes. Das sage ich auch als Familienvater. Das Gebot der Stunde ist jetzt eine Aufklärung ohne falsche Rücksichtnahme.“
Für das Bezirksamt Eimsbüttel hat der Bericht der Jugendhilfeinspektion zwei Fehler festgestellt: Er erklärte, dass das Bezirksamt Eimsbüttel die verfügbaren Informationen in Bezug auf die Verletzungen nicht gezielt erarbeitet hat und damit nicht in der Lage war zu erkennen, „dass mit einer hohen Wahrscheinlichkeit die Verletzungen von den Eltern verursacht wurden, ohne dass dies bereits eine abschließende Beweiskraft besitzt, da dafür ein Schuldeingeständnis der Eltern fehlt.“
Der Bericht stellt auch fest, dass die Beratung vom 7. Mai 2013 ein Fehler war, denn „aus einer kritischen Distanz heraus“, hätte es keine „Rückführung in die Familie der leiblichen Eltern geben dürfen.“
Warum diese Entscheidung trotzdem getroffen wurde und was man daraus schlussfolgern müsse, soll laut Bezirksamt nun schnell festgestellt werden. Sevecke sagte weiter, es wurde „am Donnerstag im Bezirksamt eine TaskForce unter Leitung des Dezernenten für Steuerung eingesetzt, die binnen einer Woche dem Bezirksamtsleiter eine Antwort vorzulegen hat.“ Alle Kindeswohlgefährdungsmeldungen sollten außerdem in Zukunft noch sensibler behandelt werden.
Der Jugendhilfeausschuss der Bezirksversammlung Eimsbüttel wird sich in der kommenden Woche in einer Sondersitzung mit der Überprüfung des Jugendamtes befassen. Ihm liegt der Bericht der Jugendhilfeinspektion vor. Zudem wird der Leiter der Jugendhilfeinspektion den Bericht mündlich vortragen.
Der Prüfbericht der Jugendhilfeinspektion hatte erklärt, es gebe bei den Jugendämtern eine Mitverantwortung für den gewaltsamen Tod der dreijährigen Yagmur. „Es gibt nicht den zentralen Fehler, es war eine Verkettung von Fehlern“, sagte der Leiter der Jugendhilfeinspektion, Horst Tietjens, am Donnerstag. Eineinhalb Monate hatte es gedauert, bis die Inspekteure ihre Ergebnisse der Öffentlichkeit präsentierten – allerdings ist der überwiegende Teil mit Rücksicht auf den Sozialdatenschutz geschwärzt. Nur wenige – etwa die Abgeordneten im Familienausschuss der Bürgerschaft – kennen die ganze Version.
Deutlich wird dennoch: Immer wieder hat es Momente gegeben, in denen das traurige Schicksal des Kindes vielleicht noch hätte verhindert werden können. „Wir wollten die Stellen finden, an denen man sich hätte anders verhalten können“, erklärte Sozialsenator Detlef Scheele (SPD).
„Der Bericht der Jugendhilfeinspektion zeichnet ein Bild totalen Versagens und fundamentaler Fehleinschätzungen nahezu aller beteiligten Stellen, die in Yagmurs Leben eine Rolle gespielt haben“, sagte der CDU-Abgeordnete Christoph de Vries. „Neben der Rolle der Jugendämter müssen auch Staatsanwaltschaft, Familiengericht und die betreuende Kita unter die Lupe genommen werden.“
Die Jugendhilfeinspektion (JI) ist eine Fachaufsicht, die bei der Sozialbehörde angesiedelt ist. Laut der Behörde arbeitet sie trotzdem unabhängig. Sie wird seit dem vergangenen Jahr eingesetzt, um die Arbeit des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD) in den Jugendämtern zu überprüfen und zu verbessern. Die Einrichtung der JI war eine Reaktion auf den Tod des Pflegekindes Chantal Anfang 2012. Das elfjährige Mädchen lebte bei drogenabhängigen Pflegeeltern und starb an einer Überdosis des Heroinersatzstoffes Methadon. Nach Angaben der Sozialbehörde ist der Fall Yagmur „die erste anlassbezogene Einzelfallprüfung“ der Inspekteure. „Der Bericht soll dokumentieren, wer wann was wusste, wie mit diesen Informationen umgegangen wurde und an welcher Stelle Fehler passiert sind“, erklärte der FDP-Bürgerschaftsabgeordnete Finn Ole Ritter.