Hamburger Wohnbaupreis für Neubauten zum ersten Mal vergeben. In der Jury saß auch Oberbaudirektor Jörn Walter. Fazit: Die Stadt soll wachsen, aber ihr Gesicht behalten.

Wilhelmsburg. Der Wohnungsbau gilt als eines der zentralen Ziele des Hamburger Senats, die Zahl der Baugenehmigungen steigt tatsächlich wieder stetig an – doch über das Ergebnis lässt sich bisweilen streiten. Hamburg baut zwar angesichts wachsender Einwohnerzahlen, aber baut es auch gut?

Darüber wird gern und viel diskutiert. Wie ein gelungener Wohnungsbau aussehen kann, soll künftig der Hamburger Wohnbau-Preis dokumentieren, der am Donnerstag zum ersten Mal in den Räumen der Stadtentwicklungsbehörde in Wilhelmsburg für Neubauten vergeben wurde. Ausgelobt hatte den Preis das Architektur Centrum, ein Verein, in dem Architekten, Projektentwickler und Immobilienunternehmen zusammengeschlossen sind, um die Baukultur zu fördern, wie es in den Statuten heißt. Schirmherrin des neuen Preises ist Stadtentwicklungssenatorin Jutta Blankau (SPD).

Gegensätzliche Funktionen

Der Preis ist in drei sogenannte Preisränge geteilt. In den ersten Preisrang wählte die Jury aus immerhin 46 Bewerbungen drei Gebäude: das Virginia-Haus in der HafenCity, ein dunkler Ziegelbau, der gleichzeitig Hotel, Geschäfts- und Wohnhaus ist.

Der Bau integriere auf „beeindruckende Art und Weise die gegensätzlichsten Funktionen“ und könne damit als „herausragendes Beispiel Vorbild zum Bauen in einer verdichteten Stadt werden“, heißt es in der Begründung. Ebenfalls in den ersten Preisrang setzte die Jury das Hybrid House im Wilhelmsburger Inselpark.

Das Haus mit Holzfassade war Bestandteil der Internationalen Bauausstellung (IBA) auf der Elbinsel. Mit Holz als Baumaterial und dem Einsatz von Erdwärme gilt es als umweltorientiert, die Bauweise ließ unterschiedliche Grundrisse zu. So konnten beispielsweise Wohnungen mit Ausstellungsräumen oder Büros kombiniert werden, um Wohnen und Arbeiten unter einem Dach zu ermöglichen. Die Preisjury spricht daher von der „Idee der Mischung“, die sie würdigte.

Dritter herausragender Preisträger ist ein Wohnkomplex an der Averhoffstraße auf der Uhlenhorst. Dort kombinierten die Planer das denkmalgeschützte, ehemalige Hamburger Waisenhaus mit An- und Neubauten. „Es entstand ein „beispielhafter und erstklassiger Ort der Architektur und des Wohnens“ – meint jedenfalls die Jury.

Schwierige Grundstücke, hoher Kostendruck

Deren Zusammensetzung war durchaus ungewöhnlich, um einen neutralen Blick von außen sicherzustellen: Sie ist mit den international agierenden Architekten Hans-Ulrich Grassmann (St. Gallen) und Carsten Lorenzen (Kopenhagen, Berlin) sowie mit Hamburgs Oberbaudirektor Jörn Walter besetzt. „Ich war nur dazu da, damit nichts schiefgeht“, sagte er in einem launig gehaltenen Vortrag. Es sei auch darum gegangen, die Bedingungen zu bewerten, unter denen die Gebäude entstanden waren. Manches hochpreisige Haus, das schon Architekturpreise gewonnen habe, sei daher nicht auf die vorderen Plätze gewählt worden. Der Preis sollte der Situation Rechnung tragen, dass Hamburg eine wachsende Stadt sei, und deshalb an vielen Stellen nachverdichtet werden müsse.

Kosten, schwierige Grundstücke, unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten – all das sei mit in die Bewertung geflossen für diesen Preis. Walter: „Es war daher eine subjektive, aber auch eine gerechte Bewertung.“

Wie ein solcher Preis Wege für die Stadtentwicklung aufzeigen kann, stellte in Wilhelmsburg Bau-Staatsrat Michael Sachs dar und umriss die Ziele des Senats. Angesichts des Bevölkerungswachstums müsse es zwar „mehr Stadt in der Stadt“ geben, sagte Sachs. „Die Stadt soll wachsen, aber ohne sich völlig zu verändern.“ Wichtig sei dabei, dass die Quartiere für alle zugänglich blieben – nicht nur für einen Besuch, sondern auch zum Wohnen. „Deshalb werden überall auch Sozialwohnungen gebaut“, so Sachs.

Daher gehe es eben nicht darum, wie in den 60er- und 70er-Jahren mit Trabantenstädten schnell viel Wohnraum zu schaffen. Gefragt seien heute immer individuelle Lösungen beim Bauen in den einzelnen Stadtteilen. Sachs: „Es geht darum, für jeden Platz das richtige Gebäude zur richtigen Zeit zu bauen.“

Zahlreiche weitere Preisträger

Neben jenen drei, mit ersten Preisen ausgezeichneten Wohnhäusern würdigte die Jury auch noch andere Gebäude: Zum zweiten Preisrang zählt beispielsweise ein Neubau der Hansa Baugenossenschaft im Karolinenviertel, der Entwurf stammt von dem Büro Bernd Lause, Kester Portefe, Tom Zeuner. Weiterer Preisträger sind die Wallhöfe am Neuen Steinweg (Bieling Architekten und Hamburg-Team).

Auch das sogenannte Open House erhielt einen zweiten Preis – wie das ebenfalls ausgezeichnete Hybrid House handelt es sich dabei um ein Gebäude der IBA in Wilhelmsburg (Wohnungsgenossenschaft Schanze sowie als Planer Arge Onix und Kunst+Herbert).

Gleich fünf Gebäude aus den 46 Vorschlägen schafften es noch in den dritten Preisrang: Dazu zählt das Saga-Gebäude am Bäckerbreitergang in der Neustadt (Winking, Froh Architekten) und das Pacamara am Überseeboulevard in der HafenCity (nps tchoban voss Architektur). Ferner wurde ein Wohnhaus von der Wulff Hanseatische Bauträger GmbH an der Kirchentwiete prämiert, das Projekt „Zukunft Schenefelder Gärten“ von der Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes (Biwermau Architekten) und der Komplex „360 Grad Lokstedt“ (czerner göttsch architekten) wurden auch gewürdigt.