Linksextremisten sind laut Staatsschutz gewaltbereiter geworden. Linkspartei prüft Klage gegen Gefahrengebiet.
Hamburg. Angeheizt durch die teils gewalttätigen Auseinandersetzungen mit Polizei und Senat ist die linksextremistische Szene in Hamburg größer, jünger und gewaltbereiter geworden. Das geht aus einer geheimen Analyse der Staatsschutzabteilung des Landeskriminalamts hervor, die dem Abendblatt exklusiv vorliegt. Linksextremisten sei es gelungen, mit Themen wie „Lampedusa-Flüchtlinge“, „Esso-Häuser“, und „Rote Flora“ viele Jugendliche zu politisieren und ihnen ein klares „Feindbild“ zu vermitteln. „Insgesamt ist es der linksextremistischen Szene durch die Kampagne der letzten Monate gelungen, ein größeres Zusammengehörigkeitsgefühl zu erzeugen und neues, jüngeres Personenpotenzial zu politisieren“, heißt es in dem Geheimpapier, das „Nur für den Dienstgebrauch“ bestimmt ist.
Die ungewöhnlich lang andauernde Protestwelle und „bislang völlig fehlende Konsequenzen“ gäben den Linksextremisten das Gefühl, auf einer Erfolgswelle zu schwimmen, lautet die Einschätzung der Staatsschützer. Sie gehen davon aus, dass in den kommenden Wochen mit weiteren Anschlägen auf Polizeiwachen und Polizeifahrzeuge zu rechnen ist. Auch die Wohnorte von politisch Verantwortlichen wie Bürgermeister Olaf Scholz und Innensenator Michael Neumann (beide SPD) könnten demnach Ziele sein.
Reagiert hat die Polizei bereits mit der Einrichtung eines Gefahrengebietes um drei Polizeiwachen in St. Pauli und der Sternschanze. Am Wochenende gab es dort die ersten verdachtsunabhängigen Kontrollen von insgesamt 263 Personen. „62 Personen erhielten ein Aufenthaltsverbot, es wurden zwei Platzverweise ausgesprochen und eine Person in Gewahrsam genommen“, sagte Polizeisprecherin Sandra Levgrün. Die Beamten stellten Pyrotechnik, Schlagwerkzeuge und schwarze Masken sicher. Die Linkspartei will gegen die Einrichtung des Gefahrengebiets möglicherweise gerichtlich vorgehen. „Wir prüfen, ob wir dagegen klagen werden“, sagte die Fraktionssprecherin für Innenpolitik, Christiane Schneider. Kritik kommt auch von den Grünen. Die SPD verteidigte die Maßnahme. „Wir unterstützen ausdrücklich, dass die Polizei den rechtlichen Rahmen ausschöpft, um neuen Übergriffen präventiv entgegenzuwirken“, sagte ihr Fraktionssprecher für Innenpolitik, Arno Münster.
Der Konflikt um das besetzte Stadtteilzentrum Rote Flora, der die Auseinandersetzungen ausgelöst hatte, soll nach dem Willen der SPD bis zum Sommer politisch gelöst sein – auch um ihn aus dem Wahlkampf herauszuhalten. Derzeit kursiert im Rathaus eine neue Idee: Die HSH Nordbank könnte die Rote Flora kaufen und in eine Stiftung überführen.