Erik Berg und Frank Burghardt haben den Akustikspezialisten „Die Hörmeister“ über Hamburgs Grenzen hinaus bekannt gemacht. 2013 war ihr Jahr des Durchbruchs.
Hamburgs Kaffeekönig Albert Darboven trägt sie im Ohr. Eine Hörperle, ein optisch unsichtbares Hörsystem, das leichte bis mittlere Hörverluste kompensiert. Es ist das neueste Produkt der Hamburger Kette „Die Hörmeister“. „Wir haben es nach unseren Vorstellungen fertigen und schützen lassen“, sagt Frank Burghardt, einer der beiden Geschäftsführer. Er konnte Darboven als Werbeträger für sein kleinstes Hörgerät gewinnen. Das ist keine Selbstverständlichkeit, denn nur wenige stehen zu ihren Hörproblemen. „Wir verkaufen etwas, das die Menschen zuvor eigentlich gar nicht haben wollten und das sie dann jeden Tag tragen“, sagt Erik Berg, der zweite Geschäftsführer. Für beide war 2013 ein besonderes Jahr, denn sie haben keinen Zweifel mehr, dass sie mit ihrem Konzept auf dem richtigen Weg sind: Jedes Jahr drei neue, eigene Filialen.
In den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl der verkauften Hörgeräte bundesweit fast verdoppelt. Künftig wird das Geschäft noch besser laufen. Denn die gesetzlichen Krankenkassen haben ihren Zuschuss für Hörgeräte fast verdoppelt. Seit November 2013 zahlen sie maximal 784 Euro statt bisher 421 Euro. Der Spitzenverband der Krankenkassen rechnet damit, dass die Ausgaben für Hörhilfen im Jahr auf eine Milliarde Euro ansteigen. Doch zu Aktionismus lassen sich die Hörmeister deshalb nicht verleiten. „Im Schnitt haben wir jedes Jahr drei neue Filialen eröffnet und diese Zahl lässt sich nicht beliebig steigern“, sagt Burghardt. Denn ihr Konzept ist anspruchsvoll. Es sind bisher stets eigene Geschäfte, immer besetzt mit einem Meister, einen Gesellen und meist auch einem Auszubildenden. „Qualifiziertes Personal und geeignete Standort setzen dem Wachstum Grenzen“, sagt Burghardt. Denn Fachpersonal ist knapp. Inzwischen gibt es von den Hörmeistern in Hamburg und Umgebung 15 Filialen, in denen zwölf Lehrlinge ausgebildet werden.
„In Hamburg wollen wir flächendeckend vertreten sein“, sagt Burghardt. Weiße Flecken sind noch die Bezirke Harburg, Bergedorf und Altona. Bisher gibt es in der Hansestadt elf Filialen. Im ersten Quartal 2014 kommt eine weitere in Schnelsen hinzu. Die übrigen Hörmeister-Standorte sind in Bad Oldesloe, Ahrensburg, Lüneburg und Ribnitz Damgarten. Der Standort an der Ostsee war ein Testlauf, wie eine Filiale außerhalb der Metropolregion Hamburg läuft, weit ab von der Zentrale. Die guten Erfahrungen wollen die beiden Unternehmensgründer jetzt auf ein weiteres Bundesland übertragen. „Im ersten Quartal 2014 werden wir unsere erste Filiale in Nordrhein-Westfalen, in Dortmund eröffnen“, sagt Burghardt. Künftig soll das Expansionstempo noch gesteigert werden. „2014 werden wir auch mit Franchisenehmern starten. Dann kann die Zahl der Filialeröffnungen noch gesteigert werden“, sagt Berg.
Schon bisher drückten die beiden Hörgeräteakustikermeister auf das Tempo. Vor gut fünf Jahren starteten sie mit drei Filialen. Beide sind Hörgeräteakustiker-Meister und Augenoptiker-Meister. Sie kommen von großen Unternehmen, der eine von Fielmann, der andere von Apollo Optik. Doch sie wollten eigene Ideen umsetzen. 2010 erhielten sie für ihr Konzept den Hamburger Gründerpreis und lernten dort auch Albert Darboven kennen. Seitdem hat sich die Zahl der Filialen und der Mitarbeiter fast verdreifacht. „Ohne sie wäre unser Erfolg nicht möglich“, sagt Burghardt. Beim Umsatz, der im einstelligen Millionenbereich liegt, verzeichnen das Unternehmen zweistellige Wachstumsraten, im vergangenen Jahr 25 Prozent. Genaue Zahlen wollen die beiden Chefs nicht nennen, denn die Branche ist klein und sehr umkämpft. Alle wollen expandieren.
Der Akustik-Marktführer ist Kind. In der Hörgerätebranche hat er eine Stellung wie Fielmann bei Brillen. Das Familienunternehmen aus Großburgwedel hat in Deutschland bereits rund 670 Filialen. Fast jede Woche kommt ein neues Geschäft hinzu. Am Ende der Expansionsstrategie sollen 800 Filialen in Deutschland stehen. Der Branchenzweite Geers aus Dortmund will jedes Jahr 40 neue Standorte eröffnen. Bisher sind es fast 500 in Deutschland. Die Branche steht vor einem tiefgreifenden Wandel. Noch ist sie sehr zersplittert wie die Augenoptiker vor drei Jahrzehnten. 70 Prozent der Firmen haben maximal fünf Angestellte. Der Rest des Marktes wird von den Ketten bestimmt.
„Dieses Verhältnis wird sich langfristig zugunsten der Ketten verschieben“, sagt Burghardt. Auch Fielmann hat begonnen, seine Akustiksparte kräftig auszubauen. Von den 680 Filialen haben haben 101 eine Hörgeräteabteilung. In den kommenden Jahren soll sich diese Zahl verdoppeln.
Doch vor den großen Wettbewerbern fürchtet sich Burghardt nicht. „Wir verfolgen ein eigenes Konzept, das ganz auf die Kunden ausgerichtet ist und von der Begeisterung jedes einzelnen Mitarbeiters abhängt.“, sagt Burghardt. „Ich denke, dass in den Großketten der Druck höher ist, ein Gerät schnell zu verkaufen.“ Die Hörmeister setzen auf die langjährige Bindung zu den Kunden, die alle sechs bis sieben Jahre ein neues Gerät benötigen.
Wer seit Jahren schlecht hört und ein Hörgerät bekommt, will es möglichst schnell wieder ablegen. Alles ist plötzlich viel zu laut. Von vielen Geräuschen ist das Ohr völlig entwöhnt. Deshalb beginnen die Hörmeister mit einem Hörtraining. Das macht das Tragen eines Hörgerätes später komfortabler. Bei den Hörgeräten gibt es eine große Auswahl. Die Hersteller wie Sonova, GN ReSound oder Siemens bringen in immer kürzeren Abständen kleinere und leistungsfähigere Geräte auf den Markt. Die Palette reicht von Geräten, die hinter dem Ohr getragen werden bis hin zu Winzlingen, die im Gehörgang verschwinden. „Nachdem bei der Größe fast alle Möglichkeiten ausgereizt wurden, geht es jetzt um die drahtlose Anbindung der Hörgeräte an moderne Kommunikationsmittel wie das Smartphone und die weitere Reduzierung von Störschall“, sagt Berg. Ein modernes Hörgerät ist nach der Aufstockung des Kassenbeitrages jetzt schon ab zehn Euro Zuzahlung erhältlich.
Der technische Fortschritt der akustischen Prothesen verbessern auch ihre Akzeptanz. „Die Schwellenangst der potenziellen Kunden hat sich in den letzten zehn Jahren halbiert“, sagt Burghardt. Dennoch hat der Markt noch ein gigantisches Potenzial - sofern es gelingt, die Hemmschwelle der Kunden zu überwinden.
Die beiden Unternehmer fördern das mit einladend gestalteten Filialen. Warme Farbtöne, keine trennenden Tresen, Auslagen zum Anfassen und separate Hörstudios. Rund 2,5 Millionen Bundesbürger besitzen bereits ein Hörgerät. Doch nach Schätzungen der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker haben 14 Millionen Bürger Hörprobleme. Doch von den ersten Problemen dauert es sieben bis zehn Jahre, bis sich die Betroffenen professionelle Hilfe suchen. „Die Hörprobleme kommen schleichend daher und werden lange Zeit ignoriert“, sagt Berg. Mit ihrem ganzheitlichen Beratungskonzept wollen die Hörmeister dem entgegen wirken. Im Durchschnitt sind die Kunden derzeit 70 Jahre alt. Für die Zukunft stellt sich die Branche auf jüngere Kunden ein. Denn mehr Stress im Arbeitsalltag schädigt oftmals die Hörfähigkeit. Angegriffen ist sie oft schon durch lautes Musikhören in jungen Jahren. Albert Darboven müsste dann vielleicht einem jüngeren Werbeträger weichen.