Wilfried N. ist 70 Jahre alt, Ex-Seemann, ständig pleite – und steigt immer wieder in Luxushotels ab, ohne bezahlen zu können. Das Gericht verurteilt ihn zu Vollpension – aber ohne Sterne.

Neustadt. Es sind ganze zwei Sätze, auf die Wilfried N. seine Hoffnung auf einen halbwegs angenehmen Lebensabend reduziert. Und wie ein Mantra spult er sie immer wieder herunter. „Da bin ich jetzt mal ganz ehrlich zu Ihnen.“ Und: „Ich schwöre, das war jetzt das allerletzte Mal, dass ich Mist gemacht habe.“ Der betagte Mann legt sich tüchtig ins Zeug, um vor Gericht einen guten Eindruck zu machen. Damit man ihm glauben möge, dass er nunmehr wirklich und endlich ein tadelloses Leben führen will. Der 70-Jährige weiß, dass er schon so oft Versprechungen gemacht hat – und nie gehalten. Auf gut 30 Vorstrafen hat der Rentner es gebracht.

Und nun schon wieder zwei neue Vergehen und wieder die alte Masche: Der Hamburger hat sich für mehrere Tage in Hotels eingemietet, obwohl er wusste, dass er nicht für die Rechnung würde aufkommen können. Deshalb wird ihm Betrug vorgeworfen, wie schon so oft. Dabei hat er es bei den kurzzeitigen Adressen, unter denen der 70-Jährige abstieg, sich richtig gut gehen lassen. Das eine Mal war es ein Viersternehaus in City-Lage, das andere Mal ein Hotel in den Elbvororten. Innerhalb weniger Tage kam so ein Schaden von fast 2500 Euro zusammen.

Jetzt redet der Angeklagte von „ehrlichem Bemühen“, von rosigen Aussichten und von seinem „Ehrenwort“, als ginge es um sein Leben. Und ein bisschen scheint Wilfried N. es tatsächlich so zu empfinden. Seit viereinhalb Monaten sitzt der frühere Seemann in Untersuchungshaft, weil er keinen festen Wohnsitz hat und vom Amtsgericht bereits eine 13-monatige Gefängnisstrafe verhängt wurde, ohne Bewährung. Jetzt, in der Berufungsinstanz vor dem Landgericht, hofft der Mann auf ein milderes Urteil, das ihm weitere Monate im Knast erspart. „Die Zeit im Gefängnis war eine sehr harte Strafe“, appelliert der grauhaarige Angeklagte mit dem Schnauzbart und dem energischen Kinn an die Nachsicht der Richter. „Ich habe mir in der Zeit viele Gedanken gemacht. Das soll das allerletzte Mal sein, das schwöre ich.“

Der Seemann bekommt nur 160 Euro Rente, weil er fast nie geklebt hatte

Von „äußerst schlechten finanziellen Verhältnissen“ ist im Amtsgerichtsurteil die Rede. Dass Wilfried N. sich „nichts Besonderes leisten“ könne und „der Versuchung erlag, sich in Hotels einzumieten“. Nach mehreren Jahrzehnten, die der unverheiratete Mann vor allem für andere Staaten zur See gefahren ist, bleiben ihm heute gerade mal rund 160 Euro Rente. Und nach seinem doch eher unsteten Leben auf großer Fahrt „sind ihm die Gepflogenheiten der Bürokratie nicht wirklich bekannt“, argumentiert der Verteidiger. Deshalb tue sich der Hamburger so schwer, staatliche Unterstützung zu beantragen, sowohl finanzielle als auch bei der Suche nach einer bescheidenen Wohnung. Und deshalb, ergänzt der Angeklagte, habe er sich eben immer wieder in Hotels eingemietet, um der Obdachlosigkeit zu entgehen. „Aber jetzt ist mir eine Einzimmerwohnung fest zugesagt worden“, versichert Wilfried N. mit lebhaftem Nicken. „Und dann besorge ich mir auch noch Arbeit. Ich brauche nie wieder in Hotels zu gehen.“

Doch die Vorsitzende Richterin hat eine gesunde Portion Skepsis. Denn Betrügereien ziehen sich als fester Bestandteil durch den Lebenslauf des Angeklagten. „Und es taucht bei den Urteilen immer wieder auf, dass Sie versprechen, so etwas nie wieder zu machen. Und dann fallen Sie doch wieder in alte Verhaltensmuster zurück“, zweifelt sie. Zuletzt hatte es keine zwei Monate gedauert, bis Wilfried N. wieder rückfällig wurde. Von einer „Biografie, die über 40 Jahre von Straftaten gekennzeichnet ist“, spricht der Staatsanwalt und von einer „sehr hohen Rückfallgeschwindigkeit“. Doch nun habe er alles im Griff, beteuert der Angeklagte. „Jetzt habe ich eine Wohnung, jetzt bin ich 70 Jahre alt“, meint Wilfried N. „Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort.“

Das Gericht mildert das erstinstanzliche Urteil schließlich ab und verhängt nun zehn Monate Haft, aber erneut ohne Bewährung. „Sie haben eine Straftat nach der anderen begangen“, erklärt die Vorsitzende Richterin die Entscheidung. Tränen laufen über das Gesicht von Wilfried N., er wirkt, als sei ihm tatsächlich der Boden unter den Füßen weggezogen. Doch das Gericht räumt ihm noch eine Chance ein. Bis das Urteil rechtskräftig wird und der 70-Jährige seine Strafe antreten muss, kommt er aus der Untersuchungshaft heraus. Nun könnte er alles anleiern, was er so vollmundig angekündigt hat, und damit demonstrieren, dass seine Versprechungen um ein straffreies Leben nicht nur leere Worthülsen waren. „Machen Sie was draus!“