Eine Glosse von Nico Binde

Neben all den schwer beschäftigten Paketboten, Spielzeugfabrikanten und Kirchenmusikern, die das Weihnachtsoratorium fehlerfrei wegorgeln können, gibt es jetzt, so kurz vorm Fest, eigentlich nur eine Berufsgruppe, die ähnlich viel zu tun hat: die professionellen Geschichtenumschreiber. Denn es wird ja viel umgeschrieben in diesen Tagen. Nehmen wir nur die lieblos formulierte Grußkarte an Oma, den einmal mehr völlig unleserlichen Wunschzettel der Kinder oder, ganz grundsätzlich, die Wahrheit über den Weihnachtsmann. Muss alles neu. Alle Jahre wieder. Oh, du Fröhliche!

An das Schwein denkt da natürlich kein Mensch. Dabei müsste gerade die weihnachtliche Schweinegeschichte dringend mal umgeschrieben werden, sagt Burkhard Jodat, Historiker am Altonaer Museum. Das heute weitgehend ignorierte Borstenvieh sei nämlich das eigentliche Weihnachtstier in Nordeuropa. Zum Fest kam traditionell Schwein auf den Tisch, nicht Gänsebraten oder Karpfen blau. Einzelteile der Sau hätten im 19. Jahrhundert sogar den Baum geschmückt. Im Grunde verdiene das Tier deshalb auch einen Platz in der klassischen Weihnachtskrippe. Und ganz ehrlich: Auf ein Tier mehr oder weniger kommt es im heillos überfüllten Stall auch nicht an, oder? Zwischen Jesus, Maria und Josef sowie all den zweifelhaft verbürgten Ochsen, Eseln, Schafen, Hirten, Heiligen Drei Königen und Kamelen würde eine arme Sau den Gesamteindruck jedenfalls nicht nachhaltig stören.

Vielleicht wird 2013 also das Jahr, in dem die Weihnachtsgeschichte umgeschrieben werden muss und endlich wieder Leberwürste von norddeutschen Tannen baumeln. Andererseits dürfte die Renaissance des Weihnachtsschweins in nicht unerheblichem Kontrast zum Interesse der 27Millionen deutschen Zuchttiere stehen, die wenigstens zum Fest mal durchatmen konnten. Ganz zu schweigen vom Interesse der überarbeiteten Geschichtenumschreiber. Doch vermutlich läuft es wie in jedem anderen Jahr. Für das Schwein interessiert sich Weihnachten keine Sau.