Etliche Kirchenbauten in Hamburg sind marode und müssen dringend saniert werden. Die Arbeiten sollen durch Kirchensteuern und Spenden finanziert werden – denn die Gemeinden haben kein Geld.

Wer möglicherweise in 100 Jahren die beiden Turmspitzen von St. Petri in Altona öffnen sollte, wird auf interessante Zeitdokumente stoßen.

Als vor wenigen Tagen die aufwendige Turmsanierung abgeschlossen wurde, verstaute Pastor Jan Steffens dort für die Nachwelt einen aktuellen Gemeindebrief, eine tagesaktuelle Ausgabe des „Hamburger Abendblatts“ und eine Predigt zum 130-jährigen Jubiläum des Gotteshauses in der Schillerstraße, das unlängst gefeiert wurde.

Die Sanierung der Kirchtürme, die jetzt ein neues Kupferkleid tragen, wird die Kirchengemeinde im Herzen Altonas mit einem Festgottesdienst am 4. Advent feiern.

„Damit wollen wir das Hauptportal unterhalb der markanten Türme wieder in Betrieb nehmen“, sagt Bernd Rickert vom Kirchengemeinderat. Einen besseren Zeitpunkt hätte die Gemeinde nicht finden können: Denn gerade jetzt, in der Adventszeit, stehen die Zeichen der Zeit auf Besinnung und Ruhe.

Andere Hamburger Kirchenleute wären froh, wenn sie eine solche positive Baubilanz vorweisen könnten. Denn wie jetzt eine Umfrage dieser Zeitung in den beiden großen Kirchenkreisen Ost und West ergeben hat, müssen etliche Bauten dringend saniert werden.

Ein Großteil der Kirchen ist sanierungsbedürftig

In Hamburg-Ost mit seinen 160 Kirchengebäuden sind fast überall Sanierungsarbeiten erforderlich. „Als Größenordnung würde ich hier 70 Prozent annehmen“, sagt Remmer Koch, Sprecher des Kirchenkreises. „Davon sind 20 Prozent dringend sanierungsbedürftig.“

Das bedeutet: Hier muss in den nächsten zwölf Monaten dringend etwas geschehen.

Zum Zustand der Sakralbauten in Hamburg-West heißt es: „Man kann bei uns von etwa 20 Prozent ausgehen, wo etwas gemacht wird und gemacht werden muss“, sagt Propst Karl-Heinrich Melzer.

Allerdings sieht er den Renovierungsbedarf auch positiv: „Dass 80 Prozent der Kirchen in unserem Kreis in gutem oder sehr gutem Zustand sind, macht mich froh. Das ist ein gutes Zeichen für kirchliche Präsenz in Stadt und Dörfern.“

Die Glocken schweigen – wegen der Statik

Zu den Sorgenkindern gehört der Glockenturm der Luruper Kirche Zu den zwölf Aposteln. Weil die Statik des Turmes nicht mehr sicher ist, müssen die Glocken bis auf Weiteres schweigen.

„Versalzungen im Mörtel und in der Betonstahlkonstruktion haben den 32 Meter hohen Turm marode werden lassen“, sagt Pastorin Britta Goerke. Die Sanierungskosten beziffert sie auf 300.000 Euro, 80.000 Euro davon will die Gemeinde aus ihren Rücklagen bezahlen. Ansonsten hofft sie auf Spenden.

Gerade in diesen Adventstagen werden die Kirchen von vielen Menschen besucht. Sie wollen dort zur Ruhe kommen, beten, eine Kerze anzünden, Orgelmusik hören und Gottesdienste feiern.

Denn Kirchen sind mehr als nur steinerne Zeugen vergangener Zeiten. Sie sind mit ihren sakralen, lichten Räumen lebendige Orte für Gottesdienst und Eucharistie, für Stille und Gebet. Ganzen Generationen sind die großen und kleinen Kirchen zu lieb gewordenen Wahrzeichen ihrer Heimat, ihres Stadtteils, von hanseatischer Identität, geworden.

Hier wird getauft, konfirmiert, geheiratet. Und wer ganz berühmt ist, bekommt womöglich eine respektable Trauerfeier im Michel.

Mehrere Kirchen wurden schon verkauft

Umso wichtiger ist es, diese Gebäude als Wahrzeichen der Metropole und einzelner Stadtteile zu erhalten. Während der Kirchenkreis Ost allein in den vergangenen zehn Jahren neun Gotteshäuser aus finanziellen Gründen verkauft hat, steht derzeit nach Kirchenangaben auf Hamburger Stadtgebiet keine evangelische und katholische Kirche mehr zum Verkauf.

Vielleicht haben die Kirchenfunktionäre aus früheren Fehlern gelernt. Es könnte freilich sein, dass die aus Kostengründen geschlossene Kirche St. Johannis in Ahrensburg bald einen neuen Eigentümer hat. „Allerdings“, fügt Kirchensprecher Remmer Koch hinzu, „ist hier das Entwidmungsverfahren noch nicht entschieden.“

Für Aufsehen hatte Anfang des Jahres der Verkauf der Kapernaum-Kirche in Horn an einen Privatmann gesorgt, der das Gebäude an die islamische Al-Nour-Gemeinde veräußerte.

Viele Anwohner und Christen sahen mit diesem Deal die Grenzen der Akzeptanz überschritten. Bei anderen Verkäufen blieben die Proteste aus, weil die neuen Eigentümer ebenfalls christliche Gemeinden sind. Wie die russisch-orthodoxe Kirche – sie hat die Gnadenkirche auf St. Pauli gekauft. Oder die griechisch-orthodoxe Gemeinde – sie hat die Simeonkirche in Hamm erworben.

Gemeinden werben um Spenden

Die Sanierung der Kirchen hat für die Gemeinden oberste Priorität. Deshalb werben sie – wie die Hauptkirche St. Petri – um Spenden. „Der Erhalt unserer Kirchengebäude zählt zu unseren wichtigsten Zukunftsaufgaben“, sagt Propst Johann Hinrich Claussen, der zugleich Präsident des Evangelischen Kirchbautages ist.

„Deutlich ist aber schon jetzt, dass wir nur dann viele Kirchen in gutem Zustand erhalten können, wenn wir weiterhin mit ausreichenden Kirchensteuern planen können.“ So wichtig Spenden für die Arbeit seien, „mit ihnen allein werden wir die notwendigen Sanierungen nicht bestreiten können“, sagt Claussen.

Zum Glück für die Kirchenoberen sprudeln die Steuern für die Nordkirche dank der guten Konjunktur. Im laufenden Jahr nimmt die Evangelisch-Lutherische Kirche 418 Millionen Euro ein – so viel wie noch nie im Norden.

Die Finanzlage der Nordkirche mit ihren 2,2 Millionen Mitgliedern sei „stabil“. Nach den Prognosen der kirchlichen Finanzexperten werden sich die Kirchensteuereinnahmen auch in den nächsten Jahren auf diesem hohen Niveau bewegen. Allerdings ist nach Einschätzung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) spätestens bis zum Jahr 2030 mit einer Halbierung zu rechnen.

Kosten sind schwer zu beziffern

Mit welchen Baukosten die evangelische Kirche in Hamburg durch die anstehenden Sanierungen rechnen muss, lässt sich offenbar nur schwer beziffern.

Monika Rulfs, Sprecherin des Kirchenkreises West: „Schaut man sich die Bauvorhaben an, die im Jahr 2012 kirchenaufsichtlich genehmigt wurden, kommt man etwa auf eine Summe von sechs Millionen Euro.“

Darin enthalten seien unter anderem der Emporenumbau in der Christuskirche Pinneberg, die Fassadensanierung der Kreuzkirche Ottensen und die Erneuerung der Zwillingstürme von St. Petri Altona.

Wie Bernd Rickert vom Kirchengemeinderat St. Petri Altona sagt, gibt es bei der Turmsanierung eine Finanzierungslücke von 60.000 Euro. Deshalb sucht die Gemeinde weitere Spender. „Wir wollen das Projekt zum Erhalt der denkmalgeschützten Türme erfolgreich zu Ende führen“, sagt Rickert.

Probleme in dieser Größenordnung hat die katholische Kirche mit ihren 41 Gotteshäusern nicht. Sanierungsbedarf bestehe lediglich am Turm der Klosterkirche St. Petrus auf Finkenwerder und bei der Filialkirche St. Maximilian Kolbe in Kirchdorf-Süd, die ohnehin geschlossen werde, sagte Manfred Nielen, Sprecher des Erzbistums.