Stahlbaukonzern ZPMC in Shanghai entscheidet wohl noch im Dezember über Kauf des ältesten deutschen Schiffbauunternehmens.

Für die Zukunft der Hamburger Werft Sietas fällt womöglich noch im Dezember die Entscheidung. „Mir wurde eine Entscheidung noch in diesem Jahr signalisiert“, sagte Hans-Jörg Schmidt-Trenz, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer Hamburg, am Donnerstag vor der Rückreise mit einer Wirtschaftsdelegation aus China. Das Topmanagement des chinesischen Stahlbau- und Schwerlastkonzerns ZPMC in Shanghai habe ihm gegenüber großes Interesse an einer Übernahme von Sietas bekundet.

Sietas ist seit Ende 2011 insolvent. Seit Anfang 2012 ist der Hamburger Insolvenzverwalter Berthold Brinkmann für die Geschicke der ältesten deutschen Werft verantwortlich. Die Belegschaft des Schiffbauunternehmens ist bereits zum größeren Teil in eine Transfergesellschaft gewechselt, zuletzt 35 Mitarbeiter Ende vergangener Woche. Rund 130 Mitarbeiter sind derzeit laut Brinkmann noch mit dem Endausbau des Schiffes „Aeolus“ beschäftigt. Das niederländische Wasserbauunternehmen Van Oord lässt das Schiff bei Sietas bauen, um damit Offshore-Windparks zu errichten. Die „Aeolus“, die mehr als 120 Millionen Euro kostet, ist das komplexeste und teuerste Schiff, das Sietas in seiner 378-jährigen Geschichte gebaut hat. Es gilt als eines der modernsten Errichterschiffe weltweit und umfasst Fähigkeiten, die Sietas aus seiner langen Erfahrung beim Bau von Schwergutschiffen abgeleitet hat.

Eine Delegation von ZPMC war Mitte Oktober zu Gast in Hamburg und besuchte dabei auch die Werft. Das Unternehmen mit Sitz in Shanghai ist Weltmarktführer unter anderen beim Bau von Containerbrücken. Regelmäßig bringen Spezialschiffe des Unternehmens fertig montierte Brücken auch nach Europa und Hamburg. ZPMC wiederum ist ein Tochterunternehmen des chinesischen Infrastruktur- und Baukonzerns China Communications Construction Company (CCCC).

Gemeinsam mit dem Insolvenzverwalter werben auch die Wirtschaftsbehörde und die Handelskammer für einen Einstieg der Chinesen bei Sietas. „Wir haben ein hohes Interesse daran, dass ZPMC bei Sietas investiert“, hieß es am Donnerstag aus der Wirtschaftsbehörde. ZPMC und dessen Mutterkonzern könnten die Werft nach einer Übernahme auf einer Reihe von Geschäftsfeldern ausbauen und damit ihre Präsenz in Europa insgesamt stärken. Offshore-Windparks zählen dazu, aber auch Service und Reparaturdienste etwa für Containerbrücken oder Großprojekte für die Infrastruktur.

Sietas könnte dafür Produkte wie Errichterschiffe beisteuern, aber auch Spezialfahrzeuge wie Saugbagger für Landaufspülungen oder die Pflege von Wasserstraßen. „Wir würden uns sehr freuen, wenn ZPMC die Werft übernehmen würde“, sagte Insolvenzverwalter Brinkmann dem Abendblatt.

Sietas war bereits 2009 nach dem Höhepunkt der Weltfinanzmarktkrise in eine schwere wirtschaftliche Schieflage geraten. Seinerzeit musste der Familieneigner Hinrich Sietas die Führung der Werft an das erste familienfremde Management seit Gründung des Unternehmens im Jahr 1635 abgeben. Die anschließende volle Konzentration der Werft auf hoch spezialisierte Einzelprodukte und Kleinserien von Schiffen kam allerdings nicht mehr rechtzeitig, um eine Insolvenz abzuwenden.

Noch während des Insolvenzverfahrens jedoch baute Sietas die technisch anspruchsvolle „Aeolus“. Auftrieb könnte das Unternehmen mit einem neuen Investor auch dadurch erhalten, dass eine neue Bundesregierung von Union und SPD einen deutlichen Ausbau der Offshore-Windkraft vor den deutschen Küsten in den kommenden Jahren unterstützen wird, sofern die SPD-Mitglieder dem bereits ausgefertigten Koalitionsvertrag zustimmen.

Für eine Entscheidung wird die Zeit aber allmählich knapp. Die „Aeolus“ liegt zur Endausfertigung für Van Oord voraussichtlich noch bis zum März bei Sietas. Erste Gespräche mit ZPMC führte der Insolvenzverwalter im April. In den kommenden Wochen müsste der chinesische Konzern grünes Licht für eine Übernahme geben, wenn der Werftbetrieb durchgehend laufen soll.

Sollte eine Übernahme von Sietas durch ZPMC gelingen, wäre dies der erste Einstieg eines chinesischen Großunternehmens bei einem mittelständischen Hamburger Industrieunternehmen, sagte Handelskammer-Hauptgeschäftsführer Schmidt-Trenz. Die Hansestadt würde dann auch die Europazentrale des chinesischen Stahlbauers. Senat und Handelskammer verbinden mit einem solchen Investment aus China auch das strategische Ziel, die engen Verbindungen zwischen Hamburg und China weiter zu vertiefen. Chinas Wirtschaftsmetropole Shanghai ist Hamburgs Partnerstadt. Für den Handel mit China ist Hamburg in Europa der wichtigste Start- und Zielhafen.

Bei der Delegationsreise von Schmidt-Trenz und rund 40 Vertretern aus Hamburg stand der Tourismus im Mittelpunkt, aber auch die nächste Wirtschaftskonferenz „Hamburg Summit: China meets Europe“, die vom 22. bis zum 24. November 2014 zum sechsten Mal in der Handelskammer Hamburg stattfinden soll. Schmidt-Trenz ist optimistisch, dass erneut ein hochkarätiger chinesischer Politiker dabei sein wird wie 2006 der damalige Ministerpräsident Wen Jiabao. „Bei meinem Gespräch im Außenministerium haben mir meine Partner versichert, dass der neue Ministerpräsident Li Keqiang alles dafür tun wird, den Summit in seinen Reiseplan für 2014 aufzunehmen.“ Die Chinesen hätten dabei noch einmal betont, dass der Hamburg Summit für sie die „wichtigste Veranstaltung in Europa“ sei, sagte Schmidt-Trenz.