An 17 Verhandlungsrunden während der schwarz-roten Koalitionsgespräche in Berlin nahm Olaf Scholz teil. Der Bürgermeister verzichtete auf repräsentative Termine in Hamburg, war aber immer erreichbar.
Hamburg/Berlin Die Nacht war kurz für Hamburgs Ersten Bürgermeister Olaf Scholz. Weit nach Mitternacht war der stellvertretende SPD-Vorsitzende in die Dreierrunde der Parteichefs Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Sigmar Gabriel (SPD) gebeten worden. Im Willy-Brandt-Haus, der SPD-Parteizentrale, ging es da ans Eingemachte bei den Koalitionsverhandlungen.
Zusammen mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sollte Scholz, auf SPD-Seite der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Finanzen, mithelfen, den entscheidenden Knoten durchzuschlagen: die Finanzierung der teuren Vorhaben, auf die sich Union und SPD geeinigt hatten. Die 40 Milliarden Euro, die zu Buche standen, wollte die Union halbieren. Am Ende, gegen 4 Uhr, waren es mit Scholz’ Hilfe noch Ausgaben in Höhe von 23 Milliarden Euro.
Es entspricht ganz dem politischen Selbstverständnis des Hamburger Bürgermeisters, dass er auch in Berlin an entscheidender Stelle mitwirkt. Schon bei Übernahme der Regierungsgeschäfte im März 2011 hatte Scholz deutlich gesagt, wie wichtig ihm die Bundespolitik ist, und alle Senatoren dazu verdonnert, ihm nachzueifern – zum Wohle Hamburgs, versteht sich.
Dafür nimmt Scholz in Kauf, dass er gelegentlich auch nur zu dreieinhalb Stunden Schlaf kommt, wie in der vergangenen Nacht. Nach fünf Wochen der Koalitionsverhandlungen ist jedoch auch für den Workaholic Scholz, dessen Arbeitstag 15 bis 16 Stunden umfassen kann, klar: Ganz ohne Einschränkungen seiner Arbeit als Bürgermeister geht es nicht, wenn man, wie Scholz, bis zu zwei Tage der Woche in Berlin verbringt. Abzulesen war das bei einer Reihe mehr repräsentativer Termine, bei denen sich Scholz durch seine Senatoren vertreten ließ. So nahm Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) am 19. November an der Mitgliederversammlung des Zentralverbands der deutschen Seehafenbetriebe teil. Auf dem „Zeit“-Wirtschaftsforum im Michel am 7. November ließ sich Scholz von der Zweiten Bürgermeisterin Dorothee Stapelfeldt vertreten.
Scholz verpasste zwei Sitzungen des Senats – in dieser und der vergangenen Woche. Laut Geschäftsordnung übernimmt dann die Zweite Bürgermeisterin die Leitung. Flexibel zeigte sich der Regierungsapparat bei der Planung einer Senatsvorbesprechung, die von Dienstag auf Montag verlegt wurde, weil Scholz unbedingt teilnehmen wollte: Es ging um den Doppelhaushalt 2015/16. Auch bei einer wichtigen Strategiebesprechung zur Umsetzung des Netze-Rückkaufs war Scholz dabei.
Der Terminkalender des Bürgermeisters weist die Teilnahme an 17 Koalitionsrunden aus – von der Arbeitsgruppe Finanzen bis hin zum engsten Kreis. Drei Mitarbeiter im Rathaus waren für Scholz während seiner Abwesenheit besonders wichtig: Senatskanzlei-Staatsrat Christoph Krupp sorgte für die interne, administrative Kommunikation. Büroleiter Christopher Schwieger hatte die undankbare Aufgabe, auch kurzfristig für Terminverlegungen und -stauchungen zu sorgen, wenn sich Scholz’ Rückkehr verspätete. Und Senatssprecher Christoph Holstein konnte Scholz immer per SMS erreichen, um schnell Absprachen für die externe Kommunikation zu treffen.
Fazit: Olaf Scholz hat Hamburg phasenweise gewissermaßen mobil, von Berlin aus, regiert. Jetzt hat Hamburg wieder Priorität: Gestern Nachmittag traf sich der Bürgermeister, wie lange geplant, mit Jörg Asmussen, Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank. Am Abend hielt Scholz ein Grußwort beim Empfang der Stiftung für politisch Verfolgte im Rathaus.