Der Verteidiger war ein Hamburger Original: von Gegenspielern gefürchtet, von Freunden geliebt. Kult-Fußballer Walter Frosch ist tot. Für den FC St. Pauli war er ein Jahrhundertspieler.

Hamburg. Er kämpfte über Jahre gegen den Krebs. Nun hat Walter Frosch diesen letzten Kampf verloren. Der Kult-Fußballer ist mit 62 Jahren gestorben. Er war besonderer Fußball-Profi, ein faszinierender Mensch. Der Hamburger Fußball trauert um einen tollen Spieler, der auch nach seiner Karriere ein Charakterkopf blieb. Die Leser des Hamburger Abendblatts wählten ihn im Jahr 2010 in die Jahrhundert-Elf des FC St. Pauli.

Für die Einführung der Gelbsperre war er mitverantwortlich, bei einem Benefizspiel machte ihn ein Interview mit einer Schachtel Zigaretten im Stutzen zur Youtube-Berühmtheit. Walter Frosch war nicht nur beim FC St. Pauli eine Fußball-Kultfigur.

Schornsteinfeger war er, bis er sich zum Betzenberg hochspielte: Beim 1. FC Kaiserslautern heuerte der in Ludwigshafen geborene Frosch 1974 an. Auch der FC Bayern München hatte Interesse an Frosch. Der damalige Bayern-Manager Robert Schwan wollte den jungen Amateurkicker ebenfalls 1974 aus Alsenborn holen, obwohl der schon bei den Roten Teufeln einen Vertrag unterschrieben hatte. Es entbrannte ein Streit zwischen den Vereinen, Kaiserslautern bekam recht.

Nicht die einzige Kontroverse, die Frosch auslöste. In der B-Elf der deutschen Fußball-Nationalmannschaft wollte er nicht spielen. „Entweder A-Mannschaft oder Weltauswahl“ – oder eben gar nicht, sagte Frosch damals.

Den früheren Schalker Nationalspieler Erwin Kremers hat der gelernte Schornsteinfeger zu seiner Lauterer Zeit einst bei einem Heimspiel auf dem Betzenberg gleich am Anfang „dreimal über die Bande gehauen, damit da Feierabend war“, wie Frosch damals sagte. Kremers hielt es ganze 18 Minuten auf dem Platz.

Mit Kaiserslautern verlor er 1976 gegen den HSV das Pokal-Finale. Im selben Sommer wechselte Frosch zum FC St. Pauli, mit dem er 1976/77 in die Bundesliga aufstieg. Frosch war ein Defensiv-Standpfeiler für den Aufstieg der Millerntor-Truppe. Und er teilte aus: Die Zahl seiner Gelben Karten ist schon Legende. Frosch war der Inbegriff des eisenharten Verteidigers. Zahlreiche frühere Stürmer werden sich mit Schrecken an die Duelle mit ihm erinnern. Mit dem hageren Profi, dessen bauschiger Schnauzbart unverkennbares Markenzeichen war, war während der 90 Minuten nicht gut Kirschen essen.

Die prägnanteste Zahl seiner Karriere waren aber nicht die 122 Erst- und Zweitligaspiele oder die elf Tore, die er dabei erzielte, sondern insgesamt 18 Gelbe Karten, manche sagen 19, die er in der Zweitligasaison 1976/77 sammelte. Unter anderem deshalb führte der DFB die Gelbsperre ein. Man nannte Frosch den Grätschenkönig.

Nach dem Zwangsabstieg ins Amateurlager holte Frosch mit dem FC St. Pauli 1980/81 die Meisterschaft . Aber durch die Einführung der eingleisigen zweiten Liga konnte kein Oberliga-Verein aufsteigen.

Auch das, was heute unter professioneller Einstellung zu verstehen ist, war Frosch doch eher fremd. Der ausgiebige Zigarettenkonsum war für ihn ebenso charakteristisch wie diverse Nachttouren, auch mal am Abend vor einem Spiel. Da soll es im angetrunkenen Zustand im Morgengrauen sogar zu Wettrennen um Bierfässer gekommen sein. Kurz vor dem Spiel erklärte Frosch einmal seinem Trainer die roten Augen dann pfiffig mit einer „Bindehautentzündung“ – und ging später wie selbstverständlich seinem Verteidiger-Tagwerk nach.

Später wechselte Frosch zu Altona 93, 1985 beendete er seine Karriere. Walter Frosch tauchte bei Freundschafts- und Benefizspielen auf. Bei einem Spiel für Ex-Torhüter Klaus Thomforde spielte Frosch Augenzeugen zufolge mit Zigarette auf dem Platz.

Auch den Zweikampf um sein Leben hat er viele Jahre für sich entschieden. Selbst als Frosch 2008 für 111 Tage im künstlichen Koma lag, berappelte er sich wieder. „Ich freue mich über jeden Tag, den ich aufwache und noch lebe“, hatte Frosch in diesem Frühjahr gesagt. Zuletzt wohnte Frosch in Niendorf. Jetzt erlag Walter Frosch seinem langen Krebsleiden.

Lesen Sie hier das Porträt von Abendblatt-Autor Jan Haarmeyer über Walter Frosch