Die besinnliche Zeit des Jahres steht an: Die meisten der 15 Weihnachtsmärkte in Hamburg öffnen am 25. November. Daneben gibt es kleinere Veranstaltungen in den Stadtteilen.
Hamburg. Klebrige Handschuhe greifen frittierte Snacks, vor den Glühweinständen drängeln sich die Massen Amüsierwilliger – Weihnachtsmärkte haben Charme, und doch nerven sie manchmal auch. Gefühlt wuchern an jeder Ecke der Stadt weihnachtliche Stände, torkeln glühweinerheiterte Gestalten mit blinkenden Nikolausmützen durch die vermeintlich überzuckerte Luft. Allein Hamburg wartet mit 15 größeren Verkaufsbudenkonglomeraten auf, die meisten öffnen am 25. November. Daneben gibt es kleinere Veranstaltungen in den Stadtteilen.
Der zuletzt meist beschriebene Weihnachtsmarkt brüstet sich als der erotischste überhaupt. Santa Pauli heißt der übersichtliche Markt auf dem Spielbudenplatz mitten auf der Reeperbahn. Wo die Frivolität zu Hause ist, muss man auch in der Adventszeit mit Anrüchigem auftrumpfen, augenzwinkernd provozieren. Seit dem 21. November gibt es neben Glühwein, Lebkuchen und Würstchen auch TÜV-geprüfte Dildos und Vibratoren zu kaufen. Beinahe jeden Abend spielt eine Band, Hamburger können sich in Porno-Karaoke versuchen oder sich ein Intimtoupet kaufen. Der Intimbereich steht nämlich in diesem Jahr im Mittelpunkt der Veranstaltung. Zudem wird auf dem bestuhlten Winterdeck Glühcola ausgeschenkt, gewürzt mit Koriander, Sternanis, Ingwer und anderen weihnachtlichen Gewürzen.
Auf dem Gänsemarkt wärmt man sich an der Feuerstelle, die Geschäfte für den Weihnachtseinkauf sind in Reichweite. Fast täglich treten afrikanische und südamerikanischer Künstler auf. Im alten Hafenamt wird allabendlich um 18 Uhr ein Türchen im beleuchteten Adventskalender geöffnet. Dahinter verbirgt sich ein Geschenk, das Besucher gewinnen können. Zum Eislaufen geht man in die HafenCity oder nach Wandsbek. Veranstalter haben beim erfolgreich installierten „Winterzauber“, der schon seit dem 8. November geöffnet hat, eine ökologische „Like-Ice“-Fläche aus recyclebarem Kunststoff aufgebaut. Nebenan lodert in der Almhütte das Kaminfeuer.
Hamburg ist kein traditioneller Weihnachtsmarkt-Standort. Doch seitdem Roncalli vor elf Jahren ein neues Weihnachtsmarkt-Konzept auf dem Rathausplatz etablierte, drängeln sich dort allein jährlich rund drei Millionen Gäste. Neben einem eigens kreierten Glühwein machen Themengassen das Besondere an dem Innenstadt-Markt aus. Die fünf Millionen Besucher der Weihnachtsmärkte in Köln kann die Hansestadt jedoch noch nicht knacken.
Einer der ältesten Weihnachtsmärkte Deutschlands ist der Frankfurter. In Dokumenten findet er erstmals 1310 Erwähnung. Schon damals boten Handwerker wie Korbflechter oder Spielzeugmacher ihre Ware feil. Zuckerbäcker verkauften süße Waren, zudem gab es Nüsse und geröstete Kastanien zu kaufen. Damals deckte man dort den winterlichen Bedarf an besonderen Lebensmitteln wie Fleisch. Heute deckt man eher seinen Kalorienbedarf für zwei Tage, wärmt Wangen mit Glühwein, Jagertee und Punsch.
Hamburgs ältester Weihnachtsmarkt befindet sich in Bergedorf. Vor dem Schloss mitten in der Altstadt leuchten ab Montag weiße Pagodenzelte. Getrunken wird Feuerzangenbowle vor offener Flamme. Ein bisschen plüschiger wird es bei der Winter Pride in der Langen Reihe zugehen, beim größten schwul-lesbischen Weihnachtsmarkt in Norddeutschland. An den Zapfhähnen stehen Mitglieder der Hamburger Community, Weihnachtsmusik ist tabu. Unternehmen oder Privatbesucher können sich zudem für einen Abend in Miethütten einnisten, mit eigenem Glühweintopf, Spekulatius und Lebkuchen.
Eine große Geschenkauswahl im Warmen findet man beim Holy Shit Shopping in den Hamburger Messehallen. Am 30. November und 1. Dezember stellen 150 Designer und Künstler ihre Werke aus, von Mode über Einrichtungsgegenstände bis hin zu Kunst und Literatur. Die Veranstalter nennen es den Clubabend unter den Weihnachtsmärkten, DJ inklusive. Los geht es um 12 Uhr, bis 22 Uhr kann man shoppen. Ursprünglich stammt das Konzept aus Berlin.
Doch nicht nur Hamburg bietet geschäftiges Adventsgewusel. Straßburg nennt sich großspurig die „Capital de Noël“, die Weihnachtshauptstadt. Vor opulent geschmücktem Fachwerk trinkt man Vin Chaud und isst Lebkuchenbrot mit Gänsestopfleber, sehr französisch. Daneben finden viele Konzerte und andere Bühnenveranstaltungen statt.
In Prag gibt es viel Kunsthandwerk zu erstehen, Glaskugeln oder Keramik. Gegessen wird deftig: Steak, Schinken und Sauerkraut, oder böhmisches Zuckergebäck, auf der Stange gegrillt. Die Kirchen der Stadt veranstaltet einen Wettstreit um die schönste Krippe.
In Stockholms Gamla Stan, der Altstadt, gibt es den bekanntesten Weihnachtsmarkt der Stadt. In den windschiefen Kopfsteinpflastergassen wird viel Tand verkauft, den schwedischen Glühwein, Glögg, trinkt man mit Mandeln und Rosinen. Charakteristisch für die schwedische Weihnachtslandschaft ist der Julbock, ein Ziegenbock aus Stroh.
Es sei jedem freigestellt, dem weihnachtlichen Kommerzgelage vollkommen zu entfliehen oder sich in Boykott zu üben. Doch schon nach einem oder zwei Heißgetränken rückt das drängelnde Weihnachtsvolk zumeist in den Hintergrund des Bewusstseins. Geblendet von Lichterketten gibt man nach, kauft ein Paar hochpreisige Socken aus Alpaka-Wolle oder knackt gedankenversunken gebrannte Mandeln. Einmal im Jahr ist das auch okay.