Die ARD zeigt eine neue Siegfried-Lenz-Verfilmung mit Jan Fedder. In dem 1999 erschienenen Roman „Arnes Nachlass“ geht es um das tragische Schicksal eines Jungen. In der Titelrolle beeindruckt Max Hegewald.

Hamburg. Vorweg: Diese Lenz-Verfilmung ist keine leichte Fernsehkost, sondern eine melancholische Tragödie, die zutiefst berührt und aufwühlt. Schon zu Beginn verstört „Arnes Nachlass“: Eine scheinbar heile Familie sitzt am Esstisch, wenige Sekunden später sind fast alle tot, vergiftet vom Vater – nur Arne überlebt zufällig. Das Trauma aber wird der 16-Jährige nicht verwinden können.

Siegfried Lenz (87) hat in seinem 1999 erschienenen Roman das Schicksal von Arne – im Buch ist der Junge zwölf – rückblickend erzählt. „Sie beauftragten mich, Arnes Nachlaß einzupacken“, beginnt der Roman. Hans, mit dem Arne nach dem Tod der Familie zwei Jahre ein Zimmer teilt, ist im Buch der Ich-Erzähler. Im Film macht das Jan Fedder mit seiner rauen norddeutschen Stimme, mit Sätzen, die das Geschehene reflektieren, unter die Haut gehen und existenzielle Fragen aufwerfen.

Fedder spielt Harald, einen Freund von Arnes Vater. Harald und seine Frau Elsa (Suzanne von Borsody) sowie ihre Kinder Hans (Dennis Mojen), Wiebke (Franziska Brandmeier) und Lars (Sven Gielnik) nehmen Arne als Pflegekind in die Familie auf. Die Chance, dass Arne Geborgenheit, Liebe und Zusammenhalt erfährt, scheint gegeben.

Doch die Familie hat ihre eigenen Probleme. Haralds Abwrack- und Reparaturwerft steht vor dem finanziellen Aus. Die Mutter kümmert sich rührend, kann aber weder Arne noch die eigenen Kinder so richtig erreichen. Die drei Teenager verhalten sich sehr unterschiedlich zu Arne. Hans hilft ihm, Lars lässt ihn kühl auflaufen und scheint eifersüchtig zu sein wegen der Aufmerksamkeit, die Arne erfährt. Wiebke wiederum benimmt sich hässlich zu Arne, der Junge himmelt sie dennoch an und ist ihr nicht so recht gewachsen.

Eine Romanze bahnt sich an und scheitert jäh. „Am Set sagte Franziska Brandmeier, die Wiebke spielt, einmal zu mir, sie könne doch nicht so grausam mit Arne umspringen. Doch sagte ich, spiel’ mit ihm! Sei böse!“, berichtet Regisseur Thorsten Schmidt (im ARD-Begleitheft). Er ist mit dem Film in der Kategorie „Beste Regie TV-Movie“ für den Deutschen Regiepreis 2013 nominiert.

Arne ist anders als die anderen Jugendlichen: Ernsthaft, still, hochintelligent, etwas ungeschickt, immer sehr freundlich. Arne sucht die Gemeinschaft mit den anderen, dafür macht er auch eine Dummheit und noch eine Ungeschicklichkeit. Am Ende gehen alle auf Distanz zu ihm, auch der Pflegevater – mit tödlichen Folgen. Hier kann jeder reflektieren, wie weit Solidarität und Empathie im eigenen Leben reichen.

Max Hegewald (inzwischen 22, „Weissensee“) spielt Arne mit einer fesselnden, rätselhaften Ausstrahlung: Melancholisch der Blick, die Augen erzählen vom Innenleben, über das der Traumatisierte kaum sprechen kann. Arne verkörpert beides, den normalen Teenager mit Lust aufs Leben und den Traumatisierten, der spürt, dass er nicht mehr in die Welt der Lebenden gehört. „Einige TV- und Kinofilme habe ich ja auch schon gespielt, aber bei diesem Dreh kann ich mich nicht an eine einzige Szene erinnern, die mir leicht gefallen wäre“, bekennt Hegewald, der 2012 für seine Rolle in „Der Mauerschütze“ den New Faces Award als bester Nachwuchsschauspieler nominiert war.

Die melancholische, intensive Atmosphäre des Films prägt ganz stark auch die Kamera. Hannes Hubach hat den Hamburger Hafen und die Abwrackwerft in magischen Bildern festgehalten, auch damit kommt der Film dem Lenz-Roman sehr nahe.

Für Jan Fedder, der bereits in mehreren Lenz-Verfilmungen große Schauspielkunst zeigte, ist der Pflegevater Harald ein typischer Lenz-Held: „Es sind gebrochene Helden, die in existenzielle Not geraten, die nicht mehr wissen, wie es weitergehen soll. Und sie stehen kurz vor dem Rentenalter. Da muss ich mich nicht verbiegen. Solche Charaktere habe ich drauf. Manchmal denke ich, Siggi hat mir all diese Figuren auf den Leib geschrieben.“