Was im Nordpolarmeer begann, findet seinen vorläufigen Höhepunkt in einem Hamburger Gerichtssaal. Der Internationale Seegerichtshof verhandelt den Fall der inhaftierten Greenpeace-Aktivisten - allerdings ohne Russland.

Hamburg/Murmansk. Die internationale Richter-Riege ist komplett, die letzten Vorbereitungen laufen. Eineinhalb Monate nach der Festnahme von 30 Greenpeace-Aktivisten im Nordpolarmeer kommt der Fall am Mittwoch (10.00 Uhr) vor den Internationalen Seegerichtshof. Bereits am Montag trat das Tribunal in Hamburg zusammen, um den Briten David Heywood Anderson als neues Mitglied zu vereidigen. Als 22. Richter wird der 76-Jährige mit über das Schicksal von 30 Besatzungsmitgliedern des Greenpeace-Schiffs „Arctic Sunrise“ entscheiden.

Am 19. September hatten russische Behörden das Schiff beschlagnahmt und nach Murmansk geschleppt. Die 28-köpfige Crew und zwei Bildberichterstatter sitzen seitdem in Haft. Während Greenpeace argumentierte, die Besatzung habe friedlich gegen eine Ölförderplattform des russischen Staatskonzerns Gazprom protestiert, warf ihnen die russische Justiz zunächst Piraterie vor. International war die Anklage als überzogen kritisiert worden.

Unter anderem baten mehrere Friedensnobelpreisträger bei Kremlchef Wladimir Putin darum, den Piraterie-Vorwurf fallen zu lassen. Mittlerweile wurde er auf Rowdytum reduziert – dafür drohen allerdings immer noch bis zu sieben Jahre Haft. Zuletzt hatte Greenpeace unter Berufung auf diplomatische Quellen mitgeteilt, die Crew solle von Murmansk nach St. Petersburg verlegt werden.

Um Besatzung und Schiff frei zu bekommen, haben die Niederlande als Flaggenstaat der „Arctic Sunrise“ den Internationalen Seegerichtshof eingeschaltet. In der Regel besteht das Tribunal aus 21 Richtern, die nach Bedarf zusammenkommen und über Anwendung und Auslegung der Seerechtskonvention der Vereinten Nationen entscheiden. Da dem Gremium kein Niederländer angehört, hatte das Land nach den Regeln des Gerichtshofs ein Vorschlagsrecht auf einen zusätzlichen Richter. Die Wahl fiel auf den Briten Anderson.

Nach Angaben einer Gerichtssprecherin wird eine niederländische Delegation zur Verhandlung in Hamburg erwartet. Die Niederländer haben bei dem Gericht beantragt, Schiff und Mannschaft vorläufig freizulassen. Russland wiederum hat angekündigt, die Einschaltung des Gerichts nicht zu akzeptieren und auch nicht an der Verhandlung teilzunehmen.

Seerechtsexperten wie Doris König von der Bucerius Law School gehen allerdings davon aus, dass ein Urteil dennoch bindend wäre. „Russland kann sich nicht einseitig der Gerichtsbarkeit entziehen“, sagte König. Ihrer Einschätzung nach hat Greenpeace gegen verschiedene Gesetze verstoßen, als die Aktivisten ein Transparent an der Ölplattform in der Arktis anbringen wollten.