Wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis muss sich Kiezlegende Karl-Heinz Schwensen vor dem Landgericht verantworten. Er spricht von Verwechslung. Polizist findet Schwensen „heute heller“.
Neustadt. Der Mann sieht nicht so aus, wie er sonst eigentlich aussieht. So, wie er es für sein Image als Kiezlegende so sorgsam gepflegt hat, für Auftritte auf dem roten Teppich oder für Interviews, wo es auf Coolness ankommt, auf Einzigartigkeit und damit für ihn auch auf ein unverwechselbares Äußeres. Nein, Karl-Heinz Schwensen kommt diesmal „oben ohne“. Ohne den markanten Schnauzbart, ohne die fast zum Kultobjekt erhobene Pilotenbrille, die der 60-Jährige angeblich nur beim Haarewaschen abnimmt.
Aber auf lockere, markige Sprüche zu verzichten, auf eine Portion Provokation, so weit treibt es Schwensen dann doch nicht. „Mein Vertrauen in die Justiz reicht so weit, wie ich einen 30-Tonnen-Lkw schmeißen kann“, sagt er. Dies ist nicht gerade die beste Voraussetzung für den Prozess vor dem Landgericht, vor dem sich die Kiezlegende seit Donnerstag wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verantworten muss.
Doch der Mann fühlt sich arg gebeutelt durch Entscheidungen und Beschlüsse. Der Höhepunkt seines Misstrauens war beim unvergessenen Auftritt eines scheinbar zweifachen Schwensen vor einem Jahr erreicht, als er mit einem Doppelgänger vor Gericht erschien: der andere mit Schnauzer, Goldrandbrille und im edlen Anzug; er selber glatt rasiert, mit heftig blinzenden Augen und im Strickpulli.
Da geriet das Fehlen seiner Markenzeichen Schnauzer und Pilotenbrille zur Maskerade und der Prozess aus seiner Sicht zur Posse, denn die Vorsitzende Richterin ließ sich nicht davon überzeugen, den echten Schwensen vor sich zu haben. Also verwarf sie eine Berufung, mit der der 60-Jährige seine Verurteilung anfechten wollte. Ende der Vorführung. Da nützte es auch nichts, dass die Kiezlegende heftigst protestierte, auch nicht, dass sein Verteidiger eine eidesstattliche Versicherung über die Identität Schwensens ablegte und der Angeklagte selbst als offenbar zwingenden Beweis seinen Pullover lupfte und die Jeans ein Stück herunterschob, um markante Narben zu zeigen, die von Schussverletzungen stammten. Das Gericht reagierte nicht. „Das war die Krönung und die Verleihung des Comedy-Preises in Gold“, sagt der Angeklagte über den Prozess. Es habe Momente gegeben, „da hielt ich Ausschau nach versteckten Kameras“. Das Oberlandesgericht hob das Urteil auf, jetzt wird neu verhandelt.
Mit hoch konzentrierter Miene und immer wieder erhobener Stimme kritisiert Schwensen vehement die damalige Verhandlung und spricht von „Skandal“ und „Borniertheit“. Er habe seinerzeit mit dem Doppelgänger beweisen wollen, „wie leicht ein anderer für Karl-Heinz Schwensen gehalten werden kann“, betont er.
Hintergrund ist die Aussage zweier Zeugen im Prozess in erster Instanz, in dem Schwensen wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu 11.000 Euro Geldstrafe (110 Tagessätze zu 100 Euro) verurteilt wurde. Zwei Polizisten wollen den Angeklagten erkannt haben, als er am 2.Februar 2011 an der Balduinstraße mit einem Mercedes weggefahren sei. „Ich bin in Hamburg aufgewachsen, ich weiß, wie Herr Schwensen aussieht“, hatte einer der Beamten ausgesagt. Und der andere: „Ich habe in meinem Leben nur zwei Menschen erlebt, die im Dunkeln eine Sonnenbrille tragen, Herrn Schwensen und Heino. Und Heino war es sicher nicht.“
Diese Darstellung sei in etwa so glaubhaft, höhnt die Kiezlegende nun, „als wenn ein Polizeibeamter auf der Davidwache sagt, ihm seien im Laufe seiner Dienstzeit nur zwei Prostituierte begegnet“. Die Beamten könnten ihn gar nicht erkannt haben, weil er zur fraglichen Zeit mit einer Bekannten „Deutschland sucht den Superstar“ im TV geguckt habe. Sie habe ihn auch zum Kuchen eingeladen. „Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich Süßigkeiten liebe. Mit Kuchen kann man mich ködern.“
Doch auch heute bleibt der Polizist bei seiner Aussage, er habe Schwensen erkannt. Nur die Hautfarbe des Angeklagten komme ihm „heute heller vor“. „Ich bin doch kein Chamäleon und wechsle meine Hautfarbe“, spottet Schwensen. „Ich bin doch nicht Michael Jackson!“ Der Prozess wird fortgesetzt.