Im Abschlussbericht des Sonderausschusses Chantal wird der Senat aufgefordert, ein umfassendes Pflegekinderkonzept zu erstellen. Als Eckpunkte dafür werden etwa Besonderheiten bei Verwandtschaftspflege, Arbeit mit der Herkunftsfamilie und Unterstützungsangebote für Pflegeeltern genannt.
Hamburg Fast genau 16 Monate lang haben sie die Todesumstände der elfjährigen Chantal, die an einer Methadon-Vergiftung starb, beleuchtet, sich in 15 Sitzungen beraten und schließlich Empfehlungen zur Verbesserung des Schutzes von Pflegekindern erarbeitet: Gestern trafen sich die elf Mitglieder des Sonderausschusses „Zum Tod des Mädchens Chantal“ zum letzten Mal und beschlossen gemeinsam – bis auf die Linken-Bürgerschaftsfraktion – ein Petitum zur Zukunft des Pflegekinderwesens. Diese Empfehlungen reicht das Gremium nun in die Bürgerschaft ein.
CDU und Grüne tragen den Beschluss mit, haben aber weitere Forderungen
Im Abschlussbericht des Sonderausschusses Chantal wird der Senat aufgefordert, ein umfassendes Pflegekinderkonzept zu erstellen. Als Eckpunkte dafür werden etwa Besonderheiten bei Verwandtschaftspflege, Arbeit mit der Herkunftsfamilie und Unterstützungsangebote für Pflegeeltern genannt. Zudem soll die seit dem Frühjahr tätige Jugendhilfe-Inspektion, die die Arbeit des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD) in den Jugendämtern überprüft, alle zwei Jahre ihre Ergebnisse in einem Bericht an die Bürgerschaft veröffentlichen.
Der Senat soll darüber hinaus Fortbildungen für die Mitarbeiter der Pflegekinderdienste (PKD) anbieten. Um zu verhindern, dass sich bei längerer Abwesenheit oder Ausscheiden von Mitarbeitern niemand zuständig fühlt, sind in den Jugendämtern und beim PKD „standardisierte Prozesse zur Akten- und Fallübergabe“ geplant. Das bedeutet, dass auch bei einer vorübergehenden Vertretung das betroffene Kind und seine Pflegekindern aktiv betreut werden.
Aus Sicht der CDU gehen die Schritte jedoch nicht weit genug. „Wir haben wichtige Maßnahmen zum Schutz von Hamburgs Pflegekindern ergriffen“, sagte Christoph de Vries, familienpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion. „Trotz vieler Gemeinsamkeiten mit dem Senat ist die SPD aus unserer Sicht an wichtigen Stellen aber mutlos und handelt nur halbherzig.“ Offenbar scheue sie die Auseinandersetzung mit dem ASD der Bezirke. „Der Tod Chantals war zudem in erster Linie nicht ein Pflegeeltern-Skandal, sondern in Wirklichkeit wurde die latente Gefährdung minderjähriger Kinder, die im Haushalt ihrer substituierten Eltern leben, auf erschreckende Weise offenbart“, sagte de Vries. „Deshalb brauchen wir in Hamburg für die rund 1100 betroffenen Kinder eine strengere Handhabung bei der Take-Home-Vergabe.“ Zudem forderte die CDU, das Beschwerdemanagement im Jugendhilfewesen bei der zuständigen Behörde anzusiedeln und den jüngst gegründeten Pflegeelternrat in die Entwicklung des Pflegekinderwesens einzubeziehen.
Auch die Grünen stellten zusätzliche Forderungen, etwa mehr Personal. „Nur mit ausreichend Personal kann es auch Hausbesuche und persönliche Gespräche geben“, sagte die Grünen-Familienexpertin Christiane Blömeke. „Die SPD fasst dieses wichtige Thema allerdings noch immer nicht an.“ Zudem forderten die Grünen die zusätzliche Qualifizierung von Amtsvormündern. Von der seit dem 1.Mai geltenden Fachanweisung, nach der alle Haushaltsangehörigen von Pflegefamilien ab 18 Jahren ein Gesundheitszeugnis mit Drogentest vorlegen müssen, hält Blömeke hingegen nichts. „Der Drogentest bringt nur eine Momentaufnahme und somit eine gefährliche Scheinsicherheit“, sagte sie. „Gemeinsam mit vielen Experten sind wir überzeugt, dass die verpflichtende Vorlage eines Gesundheitszeugnisses und eine enge persönliche Begleitung der Pflegeeltern durch regelmäßige Hausbesuche der bessere Weg sind, um mögliches Suchtverhalten jeder Art zu erkennen.“ Die Grünen plädieren dafür, dass die Gesundheitszeugnisse auch von Hausärzten ausgestellt werden können.
Die SPD-Fraktion zeigte kein Verständnis für die unterschiedlichen Auffassungen der CDU und der Grünen zum Thema Drogentests. „Wir haben einheitliche Standards geschaffen und dazu beigetragen, das System sicherer zu machen“, sagte die SPD-Familienexpertin Melanie Leonhard. Die Regelungen seien ebenso klar wie sachgerecht. „Damit sollte man jetzt arbeiten, anstatt diesen Punkt erneut öffnen zu wollen.“
Insgesamt zeigte sich Leonhard aber erfreut, dass sich fast alle Fraktionen auf ein gemeinsames Petitum verständigen konnten. „Der Sonderausschuss Chantal hat zu fachlich verantwortungsvollen Beschlüssen geführt“, sagte sie. Zudem stimmte die SPD-Fraktion in der gestrigen Sitzung einzelnen der zusätzlich vorgelegten Punkte der CDU und der Grünen zu. Dazu zählten etwa die Forderungen, den Pflegeelternrat im Pflegekinderwesen zu beteiligen und die zusätzliche Qualifizierung von Amtsvormündern. Zudem sei das Ende des Sonderausschusses kein Schlusspunkt. Leonhard: „Alle Fragen rund um das Thema Pflegekinder und Pflegeeltern werden nun wieder im Familien, Kinder- und Jugendausschuss beraten.“
Statt dem gemeinsamen Petitum zuzustimmen, machte die Linken-Fraktion eigene Vorschläge. „Die Arbeit des Sonderausschusses bestand hauptsächlich im Abnicken der Vorgaben des Senators Scheele“, kritisierte Mehmet Yildiz, familienpolitischer Sprecher der Linken-Fraktion. Der Ausschuss habe keine Gelegenheit gehabt, eigene Akzente zu setzen und habe deshalb keine Wirkung entfalten können. In ihrem eigenen Petitum fordern die Linken eine bessere Ausstattung der ASD, den Verzicht auf ein ausschließlich betriebswirtschaftliches Pflegekinderwesen und weitere Unterstützungsmöglichen für Pflegefamilie.