In Beiräten können Kinder und Jugendliche eigenständig über die Vergabe von Stiftungsgelder entscheiden. Das soziale Engagement ist Geben und Nehmen zugleich

Hamburg Wo immer in der Welt gespendet wird, geht es häufig um Kinder in Not. Doch wenn es um die Vergabe des Geldes geht, entscheiden Erwachsene, kaum einer fragt die Kinder selbst. Dabei können sie die Situation ihrer Gleichaltrigen viel besser einschätzen. Es gibt aber auch Stiftungen, die explizit junge Menschen in den Entscheidungsprozess mit einbeziehen. Seit zwei Jahren trifft sich deshalb bei der Bürgerstiftung Hamburg ein Kinderbeirat, bei dem rund 20 Kinder und Jugendliche zwischen zehn und 19 Jahren mit einem eigenen Budget selbst entscheiden, für welche Projekte sie das Geld ausgeben wollen.

„Es ist auch in unserem Alter wichtig, sich für andere einzusetzen. Man bekommt viel zurück und fühlt sich auch besser, wenn man anderen hilft“, sagt Nebou N’Diaye, die derzeit in die 9. Klasse des Helene-Lange-Gymnasiums geht. Seit den Anfängen des Kinderbeirats ist die 14-Jährige mit Begeisterung bei der Arbeit, die sie auch als eine Investition in die Zukunft sieht: „Neben den Problemen lernt man auch Problemlösungen kennen. Ich bin durch die Diskussionen im Kinderbeirat auch viel selbstbewusster geworden.“

Mindestens zweimal im Jahr kommt der Kinderbeirat der Bürgerstiftung Hamburg zusammen und beschäftigt sich mit Projekten rund um Armut, Krankheit, Diskriminierung, Ausgrenzung und Gewalt. Dann werden allerlei Anträge vorgestellt, diskutiert und am Ende entschieden, für welches Projekt wie viel Geld ausgegeben wird. Jedes Mitglied wird Pate eines Projekts und muss die anderen Beiratsmitglieder überzeugen. Dabei wird mitunter hitzig diskutiert, „doch wir haben am Ende eigentlich immer einen Kompromiss gefunden“, sagt Nebou.

Pro Sitzung steht ein Budget von 5000 Euro zur Verfügung und pro Antrag können maximal 1500 Euro vergeben werden. „Wir versuchen, jedem Projekt zumindest ein bisschen Geld zu geben, schlechte Projekte gibt es eigentlich nicht“, sagt Nebou, der vor allem ein Projekt in Erinnerung bleibt, in dem sie sich für Mädchen mit Downsyndrom einsetzte. Dabei habe sie total viel über Menschen mit Behinderung gelernt. „Am liebsten würde ich jedes Wochenende mit den Mädchen verbringen.“ Über 300 Bürgerstiftungen gibt es deutschlandweit, nur rund zehn davon haben auch einen Kinderbeirat. „Das sollte Teil der Struktur und für jede Stiftung zur Selbstverständlichkeit werden“, sagt Michael Alberg-Seberich, Geschäftsführer der Spendenorganisation „Active Philanthropy“. Ihn fasziniert, mit welcher Ernsthaftigkeit die Kinder bei der Sache sind: „Wenn es wirklich um Geld geht, merken die Kinder, dass sie ernst genommen werden“, sagt Alberg-Seberich, der auch an die Erwachsenen in den Stiftungen appelliert, loszulassen und den Kindern diese Entscheidungen zuzutrauen.

Auch Negaat El-rawi ist Mitglied in einem Kinderbeirat. Die 17-Jährige sitzt seit einem Jahr bei der Frauenstiftung „filia“ im Mädchenbeirat. Elf Mädchen im Alter zwischen 14 und 21 Jahren treffen sich dabei regelmäßig in Allermöhe und entscheiden, welche Projekte sie unterstützen wollen. Im letzten Jahr standen ihnen dafür 24.000 Euro zur Verfügung. Negaat, erinnert sich vor allem gern das Wochenende, an dem sie zusammen mit anderen Mädchen einen Film gegen Homophobie drehte. „Danach habe ich mich wirklich besser gefühlt, da wir etwas in Bewegung gesetzt haben.“ Negaat macht derzeit eine Ausbildung zur Sozialpädagogischen Assistentin und freut sich, endlich mitsprechen zu können. „Als Kind wurde ich oft benachteiligt, jetzt will ich einfach selbst entscheiden“, sagt sie.

Das kann sie nun in ihrem Mädchenbeirat, der genauso wie der Kinderbeirat der Bürgerstiftung von seiner Vielfalt lebt. Und so müssen sich Zehnjährige durchaus mal mit 17-Jährigen auseinandersetzen, was zu spannenden Diskussionen führt. „Wir sind eine ganz bunt zusammengewürfelte Truppe aus unterschiedlichsten Stadtteilen“, sagt Nebou N’Diaye. „Das müssen wir auch beibehalten, damit wir weiterhin viele verschiedene Sichtweisen haben.“

Der Kinderbeirat der Bürgerstiftung sucht immer neue Mitglieder. Tel.: 040/878 89 69 64, E-Mail: cornelia.heydt@buergerstiftung-hamburg.de