Vor 25 Jahren verließ Ines Boehnert Hamburg und gründete bald eine Familie in den USA. Jetzt ist sie begeistert, wie sich die Hansestadt verändert hat.

Hamburg. Es ist 4.30 Uhr am Morgen und stockdunkel. Ganz allein steht Ines Boehnert auf der Aussichtsplattform der „Queen Mary 2“, als das Riesenkreuzfahrtschiff in den Hamburger Hafen einläuft. „Ich bin extra aufgestanden und war so aufgeregt“, sagt die 51-Jährige. Mitte der 80er-Jahre machte sie in Hamburg eine Ausbildung beim damaligen Luftfahrkonzern Messerschmitt-Bölkow-Blohm, der heute zu Airbus gehört. Während der Ausbildung hat sich Boehnert in die Hansestadt verliebt, doch damals gab es keine berufliche Zukunft für sie in Hamburg – die Perspektive im Flugzeugbau war schlecht, und so wurde ihr Zeitvertrag nicht verlängert.

Ines Boehnert musste Hamburg verlassen, studierte in Hildesheim und wanderte 1998 wegen der besseren beruflichen Perspektive schließlich in die USA aus. Seitdem hat sich „ihr“ Hamburg, in das sie nun mit ihrer 13-jährigen Tochter Lauren zurückkehrt, sehr verändert. „Ich habe damals in Groß Flottbek gewohnt, von da habe ich häufig das Schiffstuten gehört. Wenn ich nichts mit Flugzeugen gemacht hätte, dann etwas mit Schiffen“, sagt Ines Boehnert während sie am Hafen sitzt und mit leuchtenden Augen die Barkassen und Frachtschiffe verfolgt.

Auf den Spuren ihres Ehemannes, dessen Großvater 1897 an Bord der „Bremen“ nach New York auswanderte, kehrte Boehnert nach neun Tagen auf dem Atlantik zurück in die Hansestadt. Ihr Hamburg hat sie von der Aussichtsplattform der „Queen Mary 2" zunächst kaum wiedererkannt.

„Die Architektur gerade in und um den Hafen ist schon sehr faszinierend“, sagt Boehnert, die als geborene Ines Petzold 1983 aus Celle nach Hamburg kam. Schon damals beeindruckte sie die Größe der Stadt, die Nähe zum Wasser und das Internationale an Hamburg.

Zumindest das ist bis heute so geblieben. Den Kontakt mit Hamburg frischte die 51-Jährige regelmäßig mit dem Abendblatt auf. Doch selbst in einer Millionenmetropole wie Chicago bekommt man deutsche Medien nicht an jeder Ecke. Und so fuhr Boehnert regelmäßig zum Flughafen, an dem es das Abendblatt, wenn auch mit leichter Verspätung, zu kaufen gab.

„Es tat gut, die Hamburger Flagge und die Schiffe in der Zeitung zu sehen“, erinnert sich Boehnert an ihre Anfangszeit in den USA, in denen sie oft einsam war, denn mehr als nur oberflächliche soziale Kontakte zu knüpfen war schwer. Auch die Kontakte nach Hamburg brachen mit der Zeit ab, „Ich habe leider keine Freunde oder Verwandte aus meiner Zeit mehr in Hamburg“, sagt sie mit trauriger Stimme.

Auch bei der rasanten Stadtentwicklung ist Ines Boehnert nicht mehr so ganz auf dem Laufenden. HafenCity? Nie gehört. Und auch dieses merkwürdige, gläserne, von Kränen umrahmte Gebäude am Hafen, das irgendwann mal ein großes Konzerthaus werden soll, ist Boehnert unbekannt.

Sie fühle sich nirgendwo so richtig zugehörig, sagt sie, fühle sich weder als Amerikanerin noch richtig als Deutsche. Auch wenn es nach zehn Jahren in den USA möglich gewesen wäre, wollte sie keine US-Staatsbürgerin werden. „Dafür bin ich zu deutsch“, sagt Boehnert und muss herzhaft über sich selbst lachen. An Deutschland und im Speziellen Hamburg vermisse sie vor allem die Zuverlässigkeit der Menschen. „Wenn hier etwas gesagt wird, dann wird es auch gemacht. Das ist in den USA nicht immer der Fall.“ Und auch kulinarisch hat die 51-Jährige Nachholbedarf. „Nach meiner Ankunft in Hamburg habe ich mir erst mal zehn Packungen Milram Frühlingsquark gekauft.“

Deutsch ist auch ihre Tochter Lauren, obwohl sie beide Staatsbürgerschaften besitzt und ausschließlich in den USA aufgewachsen ist. Die 13-Jährige würde gerne in Deutschland zur Schule gehen, sagt sie. Dafür hat sie sich mit ihrer Mutter bei ihrem Hamburger Kurzbesuch schon einmal einige Schulen angesehen, bevor es wieder in die USA geht. „Hamburg ist cool und sehr interessant, hier kann man viel mehr machen“, sagt Lauren. Noch geht sie in Spokane im US-Bundesstaat Washington zur Schule. Nach der Trennung von ihrem Mann zog Ines Boehnert 2006 mit ihrer Tochter von Chicago dorthin, doch „manchmal fühle ich mich einfach nicht verstanden“, sagt Boehnert – und dann bekomme sie Heimweh.

In Spokane will sie ihr Haus verkaufen, doch der US-Immobilienmarkt hat sich nach der Finanzkrise noch nicht vollständig erholt, was einen Verkauf erschwert. Bei einem akzeptablen Angebot würden Ines und Lauren Boehnert aber gerne zurück nach Deutschland kommen. Diesmal dauerhaft. Ob es Hamburg wird, sei noch ungewiss. „Hier ist ja auch sehr teuer, aber Norddeutschland sollte es schon sein.“