US-Unternehmen und ihre Produkte gelten als hip. Doch vor dem Arbeitsgericht mehren sich die Prozesse, weil die amerikanischen Arbeitgeber mit den deutschen Arbeitnehmerrechten auf Kriegsfuß stehen.

Für Sebastian Thiel ist es ein Erfolg, wenn auch nur ein kleiner. Monatelang hat sich der Mac-Techniker und Betriebsratsvorsitzende des Apple Stores am Jungfernstieg darum bemüht, zusammen mit seinen Kollegen an einem Grundlagenseminar zu den deutschen Arbeitnehmerrechten teilnehmen zu dürfen. Um Themen wie Betriebsvereinbarungen, das Arbeitszeitgesetz oder die Aufstellung eines Sozialplans sollte es gehen.

Doch immer wieder fand die Geschäftsleitung neue Gründe, um das Vorhaben abzuschmettern. Mal hieß es, das Fortbleiben von sieben Mitarbeitern gleichzeitig gefährde den Geschäftsbetrieb in der mit insgesamt 160 Beschäftigten nicht gerade schwach besetzten, zweitgrößten deutschen Filiale.

Den Vorschlag, der Betriebsrat könne auch in zwei Gruppen das Seminar besuchen, lehnte Apple mit dem Hinweis auf zu hohe Kosten ab. Es ging um 3000 Euro.

Seit Ende vorvergangener Woche dürfen Thiel und seine Kollegen den Kurs nun doch besuchen. Der Konzern ist vor dem Hamburger Arbeitsgericht eingeknickt und hat einen Vergleich akzeptiert, der im Wesentlichen den Beschäftigten Recht gibt. Ein Etappensieg im Kampf um mehr Arbeitnehmerrechte in dem notorisch verschwiegenen US-Unternehmen.

Der Streit ist nur einer von dreien bei Apple, mit denen sich die Hamburger Richter derzeit auseinandersetzen müssen; im wichtigsten geht es um die Kameraüberwachung in der Filiale.

Überwachung sogar vor den Toiletten

„Wir wüssten gern, an welchen Stellen genau die Kameras installiert sind, zu welchem Zweck sie eingesetzt werden, ob alle aktiv sind und wer Zugriff auf die Bilder hat“, sagt Betriebsrat Thiel.

Die Skepsis der Beschäftigten kommt nicht von ungefähr. So berichtete ein anonymes Blog Anfang des Jahres, dass in einigen deutschen Apple Stores Kameras in den Pausenräumen und sogar vor den Toiletten installiert sein sollen und die Bilder via Webstream in einer Sicherheitszentrale in England zusammenlaufen.

Diese Art der Kontrolle von Mitarbeitern ist in Deutschland nicht erlaubt, sondern nur die offene Überwachung der Verkaufsräume mit Kameras, um Ladendiebstählen vorzubeugen.

„Wir wollen hier einfach Klarheit für die Beschäftigten haben“, sagt Thiel. Doch auch in dieser Frage stoßen die Betriebsräte bei Apple bislang auf Granit. Auskünfte werden verweigert, weshalb das Arbeitsgericht in dieser Frage nun eine Einigungsstelle eingeschaltet hat.

Die Streitigkeiten bei Apple zeigen, dass sich die Beschäftigten von amerikanischen Kultmarken heute längst nicht mehr alles gefallen lassen. Waren viele iPhone- und iPad-Fans bei der Eröffnung des Apple Stores im Herbst 2011 noch froh, einen Job bei ihrem Traumunternehmen ergattert zu haben, so macht sich bei vielen nun eine gewisse Ernüchterung breit, weil der Konzern mit den deutschen Arbeitnehmerrechten und der Mitbestimmung auf Kriegsfuß steht.

Dicke Luft auch bei Abercrombie & Fitch

Regelrecht eskaliert ist jüngst der Streit bei einer anderen US-Kultmarke, die bislang vor allem mit halb nackten Männermodels, hochpreisigen Artikeln und einem sehr eng gefassten Schönheitsideal von sich Reden machte.

Die Modekette Abercrombie & Fitch wollte in ihren Hamburger Geschäften aus Kostengründen die Nachtschicht abschaffen, in der meist studentische Hilfskräfte nach Ladenschluss neue T-Shirts und Kapuzenpullis in die Regale räumten.

Dazu verschickte der Konzern kurzerhand eine Reihe von Änderungskündigungen, in denen den überrumpelten Mitarbeitern mitgeteilt wurde, sie hätten künftig ab vier Uhr morgens zu arbeiten – weitgehend ohne die zuvor gezahlten, lukrativen Nachtzuschläge.

Doch auch in diesem Fall landete der Streit vor dem Hamburger Arbeitsgericht, weil sich 32 Betroffene einen Anwalt nahmen und gegen die Änderungskündigungen klagten. „Das war der Versuch einer arbeitsrechtlichen Sanierung des Unternehmens“, sagt der Anwalt der Kläger, Heiko Hecht.

Mitte dieser Woche einigten sich beide Seiten nun auf die Zahlung einer Abfindung für die betroffenen Beschäftigten, die aus Sicht von Anwalt Hecht akzeptabel ist und den Mitarbeitern einen langwierigen Rechtsstreit erspart. Viele der Kläger hätten nach dem Streit ohnehin kein Interesse mehr an einer Weiterbeschäftigung bei der US-Modekette gehabt.

Dubiose Aktionen verärgern Mitarbeiter

Dies dürfte auch daran liegen, dass Abercrombie & Fitch die Beschäftigten auch mit zahlreichen anderen dubiosen Aktionen gegen sich aufgebracht hat.

Dazu gehört ein Zwang zum Tragen von Flip-Flops bei der Tochter Hollister ebenso wie das regelmäßige Abtasten von Beschäftigten, das angeblich der Diebstahlsprävention dienen soll und von dem Gewerkschafter aus den Frankfurter Häusern berichteten.

Manch einem Mitarbeiter mögen auch die wummernden Bässe und die aufdringlichen Parfüms in den betont düster gehaltenen Filialen auf die Nerven gegangen sein.

Wegen des extensiven Gebrauchs von Duftstoffen im Laden in der Hamburger City hatte Ende vergangenen Jahres sogar das Bezirksamt Mitte einschreiten müssen. Anwohner fühlten sich vom süßlichen „Fierce“-Duft aus der Filiale belästigt. „Geruchsprotokolle und Messungen“ hätten ergeben, dass Handlungsbedarf bestehe, erklärte damals eine Sprecherin der Behörde.

Der Ruf leidet

Dass man sich durch die Missachtung von deutschen Arbeitnehmerrechten als US-Konzern auch komplett ins Aus katapultieren kann, musste vor einigen Jahren die weltgrößte Supermarktkette Wal-Mart erkennen.

Die Kette wollte mit sogenannten Ethik-Richtlinien die Mitarbeiter dazu verdonnern, private Kontakte untereinander zu vermeiden. „Sie dürfen nicht mit jemandem ausgehen oder in eine Liebesbeziehung zu jemandem treten, wenn Sie die Arbeitsbedingungen dieser Person beeinflussen können oder der Mitarbeiter Ihre Arbeitsbedingungen beeinflussen kann“, hieß es in den Vorschriften.

Auch untersagt die Richtlinie „sexuell deutbare Kommunikation jeder Art.“

Nach Intervention des Betriebsrats kippte das Arbeitsgericht Wuppertal schließlich das Flirtverbot. Der Ruf von Wal-Mart war da aber schon kräftig ramponiert. Die Kette ist mittlerweile nicht mehr in Deutschland aktiv und hat ihre Filialen an den Konkurrenten Metro verkauft.