Neustadt. Die Frisur sitzt. Modisch, akkurat geschnitten, perfekt gestylt. Und auch der Dreitagebart des Mannes ist auffallend gepflegt. Nun sind solche Äußerlichkeiten üblicherweise nicht wirklich der Rede wert; man nähme sie vielleicht noch nicht mal zur Kenntnis. Wenn es nicht einen deutlichen Bezug zu dem Verfahren gäbe, das den Mann jetzt vor das Amtsgericht gebracht hat. Denn es sieht so aus, als habe der Polizist es zugunsten einer feschen Haartracht mit seinen Pflichten und Dienstvorschriften nicht genau genommen. Tatsächlich gipfelte sein Friseurbesuch während seiner Dienstzeit durch eine Verkettung unglücklicher Umstände sogar in einem schweren Verkehrsunfall.

Nun sitzt Martin K. (Name geändert) auf der Anklagebank. Dass der 30-Jährige an jenem Tag seinen Dienstwagen für private Zwecke missbrauchte, wie es ihm die Staatsanwaltschaft im Prozess vor dem Amtsgericht vorwirft, gibt der Hamburger unumwunden zu. Laut Anklage fuhr Martin K. darüber hinaus trotz einer roten Ampel auf eine Kreuzung, obwohl er keine Sonderrechte und damit weder Blaulicht noch Martinshorn aktiviert hatte, und verursachte so eine schwere Kollision mit einem anderen Wagen. Dessen Fahrerin erlitt Platzwunden und ein Schleudertrauma.

Für einen kurzen Moment fällt es Martin K. schwer, über seine Verfehlungen zu reden. Ein kleiner Seufzer, dann sprudelt es geradezu aus ihm heraus. Er habe an jenem Tag bereits früh seinen Dienst begonnen und gegen 9 Uhr auf seiner Wache mitgeteilt, dass „ich einen Friseurtermin hatte“, beginnt der Angeklagte seine Schilderung. „Ich nahm dafür das Dienstfahrzeug.“

Gut 14 Kilometer legte er dabei für eine Strecke zurück. In dem Zivilwagen der Polizei habe er auf dem Weg zum Barbier Funk gehört und so erfahren, dass es in der Nähe einen Überfall auf eine Postbank gegeben habe. Also setzte er das Blaulicht auf das Dach seines Wagens und schaltete das Martinshorn ein. „Dann erfuhr ich, dass es sich um einen Fehlalarm handelte. Ich habe Lampe und Horn ausgemacht. Dabei habe ich wohl kurzzeitig nach unten geguckt. Und in dem Moment muss ich die rote Ampel übersehen haben und in die Kreuzung hineingerollt sein. Bedauerlicherweise bin ich mit dem anderen Wagen kollidiert. Es hat sich irgendwie alles überschnitten.“

Nach dem Unfall habe er „als Polizeibeamter funktioniert“, dem Opfer Erste Hilfe geleistet und die Unfallstelle abgesichert. „Dann bin ich selber in Schock geraten. Ich merkte, dass mir so ein bisschen der Boden unter den Füßen entglitt.“ Die verletzte Frau traf er wenig später in der Klinik. „Ich habe mich mehrfach entschuldigt. Wir sind gut auseinandergegangen.“ Für seine Arbeit hatte sein Vergehen schon erhebliche Folgen. „Mir wurde das Fahren von Dienstfahrzeugen für zunächst unbestimmte Zeit untersagt.“ Zudem habe er einen Lehrgang über Sonder- und Wegerechte besucht. „Nach drei Monaten bekam ich die Genehmigung, wieder Dienstfahrzeuge zu führen.“

Die allgemeine Anweisung sei natürlich, dass ein Dienstfahrzeug nicht für private Termine zu nutzen sei. Aber es komme vor, dass während der Arbeitszeit private Termine wahrgenommen würden. „Es wäre ja wohl auch kaum aufgefallen, wenn Sie nicht den Unfall verursacht hätten“, so die Richterin. Sein Mandant erkenne, ergreift der Verteidiger das Wort, „dass er etwas nicht ganz richtig gemacht hat. Das hat er von Anfang an eingeräumt.“

Schließlich wird das Verfahren gegen Martin K. mit der Auflage, dass er 1100 Euro zahlt, eingestellt. „Sie hatten hatte keine Sonderrechte mehr, das ist ganz klar“, redet die Richterin dem Polizisten ins Gewissen. Und noch eines schiebt sie hinterher: „Friseurfahrten sollten Sie immer mit dem privaten Auto machen!“

Abendblatt-Gerichtsreporterin Bettina Mittelacher schreibt jede Woche über einen außergewöhnlichen Fall