Das hat es in Deutschland noch nicht geben: In Hamburg wird bundesweit die erste umfassend barrierefreie Sporthalle gebaut. Die SPD-Fraktion will das Vorhaben finanziell unterstützen.

Hamburg Hamburg bekommt die bundesweit erste vollständig barrierefreie Sporthalle. Die SPD-Fraktion will das Pilotprojekt an der Bugenhagen-Schule in Alsterdorf mit 1,2 Millionen Euro unterstützen. Eine entsprechenden Antrag bringt die SPD in der kommenden Bürgerschaftssitzung ein. „Der Zugang von Menschen mit Behinderung zum Sport stellt für uns einen zentralen Baustein gleichberechtigter gesellschaftlicher Teilhabe dar“, sagt Juliane Timmermann, sportpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion. „Die geplante Sporthalle ist in diesem Zusammenhang ein großartiges Projekt mit bundesweitem Modellcharakter.“

Die Evangelischen Stiftung Alsterdorf, zu dessen Einrichtungen auch die Bugenhagen-Schule an der Alsterdorfer Straße zählt, hat durch Spenden, eine hohe Eigenbeteiligung der Stiftung, und verschiedene Darlehen bereits 4,3 Millionen Euro der rund 5,5 Millionen Euro Gesamtbaukosten zusammen bekommen. Nun fordert die SPD, die fehlenden 1,2 Millionen Euro im Haushaltsplan 2013/2014 bereit zu stellen. „Das Projekt ist durch die Spenden vieler Hamburger bereits auf einem guten Weg“, sagt Juliane Timmermann. „Wir wollen ihm nun durch unsere Initiative zum Erfolg verhelfen.“ Die neue Halle könne ein Meilenstein zur Erreichung des Dekadenziels im Sport sein, mindestens 25 Prozent der Menschen mit Behinderung in Hamburg den Zugang zum Sport zu ermöglichen.

Die neuen Räumlichkeiten sollen zu 40 Prozent für schulische und zu 60 Prozent für eine öffentliche Nutzung zur Verfügung stehen. „Kinder mit Handicap toben und hüpfen ebenso gerne wie ihre Klassenkameraden“, sagt Thomas Eisenreich, Vorstandsmitglied der Stiftung Alsterdorf. „Bislang gibt es für viele von ihnen aber kaum Möglichkeiten, gleichberechtigt Sport zu treiben.“ Es fehle an einer behindertengerechten Ausstattung der Sporthallen und an Kursangeboten. „Unsere ‚Halle für alle‘ wird so konzipiert sein, dass sie jeden Sportler, ob Kinder oder Erwachsene, willkommen heißt.“

Baubeginn der Sporthalle war im Mai, im Herbst soll der stehen. Im März 2014 sollen die neuen Räume genutzt werden können. Dort wird es nicht nur Stellplätze für Straßenrollstühle, breitere Türen und Umkleideräume sowie höhenverstellbare Waschbecken geben. Die Halle soll zudem mit stark kontrastierendem Licht ausgestattet werden, damit auch sehbehinderte Menschen Sport treiben können. Diese Zusatzausstattung dient außerdem dazu, dass die Verletzungsgefahr für Menschen mit geistiger Behinderung minimiert wird. Weiterhin sorgen eine besondere Hallenakustik, Ton- und Lichtklingeln, Brailleschrift und ein spezielles Farbkonzept für die Türen dafür, dass sich Gehörlose, Blinde und Menschen mit geistiger Behinderung optimal in der Halle zurechtfinden.

Klaus Becker, Leiter des Inklusionsbüros bei der Senatskoordinatorin für die Gleichstellung behinderter Menschen, begrüßt den Bau der barrierefreien Halle. „Das Projekt ist deshalb so wichtig, da es das Thema ‚Inklusion im Sport und beim Bauen‘ ins Bewusstsein der Menschen rückt und sogar über Hamburgs Grenzen hinaus für Aufmerksamkeit sorgt“, sagt Becker. „In dieser Halle sollen möglichst klassische Sportvereine mit Behinderten-Sportvereinen gemeinsam Sport treiben.“ In vielen Lebensbereichen müsse das Thema Inklusion jedoch noch verankert werden. Becker: „Insbesondere im Bereich Tourismus, privates Bauen und Großveranstaltungen.“

Auch die Landesarbeitsgemeinschaft für behinderte Menschen (LAG) ist begeistert vom Sporthallen-Projekt. „Es stellt ein Beispiel für gelungene Barrierefreiheit dar und ist daher als Standard für alle Neu- und Umbauten von Sporthallen festzulegen“, fordert Johannes Köhn, Geschäftsführer der LAG. Insgesamt sei Hamburg auf einem guten Weg, auch wenn es noch viel zu tun gebe. „Barrierefreiheit wird noch häufig mit ‚Rampe für Rollstuhlfahrer‘ gleichgestellt.“ Die Sporthalle an der Bugenhagenschule zeigt jedoch die zahlreichen Aspekte des Begriffes auf. Deutschland habe durch die UN-Behindertenrechtskonvention den Auftrag, die Umwelt so zu gestalten, dass es keine Diskriminierung behinderter Menschen mehr gibt. „Die Diskussion etwa um barrierefreie Wahllokale zeigt, dass wir erst am Anfang stehen.“

Johannes Köhn sieht aber auch positive Entwicklungen. „Nach Jahren des Stillstandes läuft es mit dem amtierenden Senat im Bereich des ÖPNV gut“, sagt er. „Stadtweit gibt es Niederflurbusse und der Umbau der U-Bahn-Haltestellen geht gut voran.“ Vergangenes Jahr waren 38 U-Bahn-Haltestellen barrierefrei, bis Ende 2015 sollen es 57 sein – das sind 63 Prozent. Die restlichen Haltestellen sollen bis Anfang des kommenden Jahrzehnts barrierefrei werden. Von den S-Bahnhöfen sind bereits 77 Prozent barrierefrei. Bis Ende 2013 sind es mit den Stationen Heimfeld und Stadthausbrücke 80 Prozent.

Eine positive Bilanz zieht Johannes Köhn zudem im Bereich Schulen. „Beim Thema Inklusion ist Hamburg im bundesweiten Vergleich sehr weit, auch wenn es in der Umsetzung derzeit noch hakt“, sagt er. Als Beispiel nennt Köhn die Ausbildung der Lehrkräfte. „Aber schon im Bereich der Hochschulen und Weiterbildung Erwachsener gibt es erhebliche bauliche und inhaltliche Verbesserungsmöglichkeiten.“ Darüber hinaus stört Köhn, dass eine Überwachung der Vorschriften der Hamburgischen Bauordnung, ob ausreichend barrierefreier Wohnraum geschaffen wird, praktisch nicht statt fände. „Dabei sollten auch neue Arztpraxen, Wohn- und Pflegeheime, Krankenhäuser oder Apotheken nur genehmigt werden, wenn die Barrierefreiheit gewährleistet ist.“