Wenn überhaupt, taugt Kopenhagen dazu. Die Antworten auf den Fragebogen des Abendblatts.
Hamburg. Das Interesse der Hamburger an ihrer Stadt ist sehr groß – und sie würden gern noch stärker mitbestimmen, wenn es um deren Zukunft geht. Das ist eines der wichtigsten Ergebnisse des diesjährigen Hamburg-Fragebogen des Hamburger Abendblatts, den 3200 Leserinnen und Leser innerhalb weniger Tage ausfüllten und zurückschickten.
Die Umfrage ist zwar nicht repräsentativ angelegt – aber allein das Stimmenverhältnis bei der Frage, ob Hamburg die Energienetze zu 100 Prozent zurückkaufen soll, zeigt, wie nah das Resultat an der Wirklichkeit ist. Etwa die Hälfte der Befragten war für den Rückkauf der Netze, die andere Hälfte dagegen. Das tatsächliche Votum lag beim Volksentscheid bei 51 zu 49 Prozent. Vor diesem Hintergrund sollten die Antworten auf die anderen neun Fragen vor allem in Hamburgs Politik in den nächsten Tagen für Gesprächsstoff sorgen. Hier sind sie:
Werden die Hamburger genügend an politischen Entscheidungen beteiligt, die die Entwicklung der Stadt prägen?
Obwohl Hamburg bundesweit als Vorreiter bei Volksentscheiden gilt, bekannteste waren der zur Schulreform und aktuell jener zum Verkauf der Stromnetze, fühlen sich die Menschen in der Stadt offensichtlich nicht genügend an politischen Weichenstellungen beteiligt. Nur 33 Prozent finden, dass die Hamburger ausreichend mitbestimmen dürfen, 67 Prozent antworten auf die entsprechende Frage mit Nein. Umso wichtiger könnte es in der Zukunft sein, dass der Senat erfolgreiche Volksentscheide auch tatsächlich umsetzt – das war in der Vergangenheit bekanntermaßen nicht immer so.
Muss die Einwohnerzahl Hamburgs weiter wachsen?
Sowohl der Senat unter dem ehemaligen Bürgermeister Ole von Beust (CDU) als auch die aktuelle SPD-Regierung von Olaf Scholz setzen auf das Konzept der Wachsenden Stadt. Hamburg soll wachsen und Hamburg ist gewachsen, auch wenn nach der jüngsten Volkszählung Uneinigkeit darüber besteht, wie viele Menschen wirklich in der Stadt leben. Ob es nun 1,8 Millionen sind oder weniger – wenn es nach den Bürgern geht, die schon hier sind, soll Hamburg bitte schön nicht noch größer werden: 79 Prozent sind dagegen, nur 21 Prozent stehen hinter der Politik der Wachsenden Stadt.
Verträgt Hamburg mehr als zwei Millionen Einwohner?
Die Frage schließt sich an die vorherige an, und bringt ein ähnlich deutliches Ergebnis: 65 Prozent der Befragten glauben nicht, dass Hamburg mehr als zwei Millionen Einwohner verträgt, nur 35 Prozent können sich das vorstellen.
Wie wichtig sind angesichts der Bestellmöglichkeiten im Internet noch große Einkaufsstraßen und -center?
Sowohl die Zahl der Menschen, die im Internet bestellen, als auch die Zahl der Bestellungen selbst nimmt in Hamburg wie überall in Deutschland seit Jahren zu. Trotzdem wollen die Hamburger nicht auf ihre bundesweit bekannten Einkaufsstraßen und Einkaufscenter verzichten. Fast jeder Dritte hält diese für unverzichtbar, 45 Prozent finden sie wichtig. Nur 25 Prozent glauben, dass stationäre Einkaufsmöglichkeiten in der Stadt angesichts der Onlineangebote nicht mehr so wichtig sind.
Muss Hamburg aufpassen, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen aus bestimmten Stadtteilen verdrängt werden?
Die sogenannte Gentrifizierung ist spätestens seit der Entwicklung St. Georgs von einem eher heruntergekommenen Stadtteil zu einem Szeneviertel für Besserverdienende ein großes Thema in Hamburg und bei den Hamburgern. Die Sorge, dass auch in anderen Stadtteilen Gutverdiener alteingesessene Bürger aus ihren Wohnungen und ihrem angestammten Umfeld verdrängen können, treibt 84 Prozent unserer Befragten um. Nur 16 Prozent halten die Gentrifizierung nicht für ein Problem.
Braucht Hamburg für seinen Hafen eine weitere Vertiefung der Elbe?
Noch in diesem Jahr sollen und müssen Gerichte darüber beraten, ob die nächste geplante Elbvertiefung kommt. Die Hamburger haben dazu, anders als etwa zum Rückkauf der Netze, eine klare Meinung. 61 Prozent sind für eine weitere Vertiefung der Elbe, 39 Prozent dagegen. In dieser Frage spiegelt sich auch die große Bedeutung, die eine Mehrzahl der Hamburger nach wie vor dem Hafen als wichtigem Wirtschaftsfaktor der Stadt zuspricht.
Ist Hamburg eine weltoffene Stadt?
Die Frage stellte sich zuletzt auch deshalb, weil Hamburg als Reiseziel vor allem von Deutschen gebucht wird – und weil der internationale Bekanntheitsgrad der Stadt nicht annähernd so hoch ist, wie es dem Selbstverständnis Hamburgs und der Hamburger entspricht. Dennoch ist die Antwort auf die Frage eindeutig: Für 86 Prozent ist Hamburg eine weltoffene Metropole.
Auf welche Bereiche sollte sich Hamburg in seiner Entwicklung konzentrieren?
Sechs Bereiche waren vorgegeben, es konnten mehrere Stimmen verteilt werden – insgesamt waren es mehr als 10.000. Geht es nach den Befragten, sollte sich Hamburg in seiner Entwicklung vor allem auf Bildung (24 Prozent), den Verkehr (20 Prozent), soziale Gerechtigkeit und Wirtschaft (beide 18 Prozent) konzentrieren. Die Kultur kommt auf 13 Prozent, der Sport nur auf fünf Prozent. Unter dem Punkt „Sonstiges“ tauchte verstärkt „Schaffung von bezahlbarem Wohnraum“, „Natur- und Umweltschutz“, „bessere Fahrradwege“, „Pflege und Erhalt von Grünanlagen“ auf. Das deckt sich mit dem Hamburg-Fragebogen aus dem Vorjahr.
Welche Städte könnten Vorbild für Hamburg sein und warum?
Die letzte Frage empfanden nicht wenige Teilnehmer als, Zitat, „kleine Beleidigung: „Hamburg braucht keine Stadt als Vorbild. Hamburg ist selbst ein Vorbild für andere Städte“, schrieb ein Leser, „Hamburg soll so bleiben wie es ist“, ein anderer. Weitere Anmerkungen: „Warum soll sich die schönste Stadt der Welt an anderen orientieren?“ „Andere Städte können von uns lernen.“ „Hamburg ist einzigartig.“ „Hamburg muss seinen eigenen Weg gehen.“ Bei keiner anderen Frage gab es zudem so wenig Antworten – auch das ein Beleg dafür, dass Hamburg als eine Stadt empfunden wird, die sich schwer mit anderen vergleichen lässt.
Diejenigen, die das doch taten, hatten aber eine klare Top 3: Bestes Vorbild für Hamburg wäre demnach Kopenhagen, unter anderem wegen seines Wegenetzes für Radfahrer, der sehr guten Verkehrsverhältnisse, der fertigen HafenCity und des sozialen Gleichgewichts. Auf Platz zwei folgt, mit etwa halb so viel Stimmen, München. Die Gründe: weniger Kriminalität, weniger Bürokratie, bessere Bildung als Hamburg.
Auf Platz drei der möglichen Vorbilder: Amsterdam. Die holländische Metropole glänze vor allem mit ihrer kulturellen Vielfalt und mehr Toleranz. Schon auf Platz vier schafft es, unter anderem wegen bezahlbaren Wohnraums, die deutsche Hauptstadt Berlin. Es folgen auf den Rängen fünf bis zehn: London, Münster, Barcelona, Stockholm, Oslo und New York.
Mit der Zukunft der Gesellschaft im digitalen Zeitalter befasst sich am heutigen Sonnabend ein ganztägiges Fortschrittscamp, das die Initiative .vernetzt# – Wie wollen wir leben? mit der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius auf Kampnagel organisiert. Eine Anmeldung ist noch vor Ort möglich.