Die Werftindustrie kommt nicht zur Ruhe. Nach einer neuen Umfrage der IG Metall ist die Zahl der Beschäftigten im vergangenen Jahr um 6,2 Prozent auf 15.800 Beschäftigte gesunken. Weiteren Standorten droht das Aus.
Hamburg. Die Erholung war nur von kurzer Dauer: Nach einem leichten Plus bei der Beschäftigung auf den deutschen Werften im vergangenen Jahr, ist die Zahl der Arbeitsplätze im Schiffbau in den vergangenen zwölf Monaten um 1047 gesunken. Derzeit werden 15.808 Beschäftigte im deutschen Schiffbau gezählt. Das ist ein Minus von 6,2 Prozent und ein Tiefpunkt in der deutschen Werftengeschichte. Zu diesem Ergebnis kommt die neue Schiffbauumfrage der IG Metall Küste, des Instituts Arbeit und Wirtschaft der Universität Bremen, sowie der Agentur für Struktur- und Personalentwicklung (AgS). Weitere 760 Arbeitsplätze bei der Hamburger Sietas Werft und der Volkswerft Stralsund sind akut bedroht.
Die Umfrage an der sich Betriebsräte aus 39 Unternehmen beteiligt haben, zeigt ein zweigeteiltes Bild: Während die eine Hälfte der Betriebe einen Abbau an Arbeitsplätzen meldet – so etwa durch die Insolvenzen der P+S-Werften in Stralsund und Wolgast sowie der Sietas-Werft in Hamburg –, gibt es bei der anderen Hälfte ein teilweise deutliches Plus bei der Beschäftigung. „Die Werften, die rechtzeitig auf den Spezialschiffbau umgesattelt haben, sind heute noch da“, sagte der IG Metall-Bezirksleiter, Meinhard Geigen, bei der Vorstellung der Studie am Mittwoch in Hamburg.
Am Scheideweg befinde sich hingegen die Offshore-Industrie und die damit verbundene Auftragslage der Werften. „Von der neuen Bundesregierung erwarten wir noch in diesem Jahr verlässliche gesetzliche Grundlagen, damit sich die Milliardeninvestitionen nicht weiter verzögern“, sagte Geiken mit Blick auf die Bundestagswahl am kommenden Sonntag. Durch die Verzögerungen beim Ausbau der Offshore-Windenergie sowie die unklare Haltung der alten Bundesregierung seien Investoren verunsichert und würden ihre Aufträge zurückhalten. „Viele Betriebe stehen auf Messers Schneide“, sagte Geiken mit Nachdruck und forderte die Einsetzung eines Koordinators für die Energiewende: „Die Bundesregierung muss schnell handeln, sonst gibt es an der Küste ein Desaster.“
Heino Bade, Schiffbau-Experte der IG Metall, ergänzte: „Die Mehrheit der deutsche Werften sind inzwischen von Aufträgen im Spezialschiffbau abhängig.“ Rund 25.000 Arbeitsplätze sollen nach seiner Auffassung direkt oder indirekt an der Wertschöpfungskette der Offshore-Windindustrie hängen. Ein vorläufiger Ausbaustopp der erneuerbaren Energien, wie ihn die FDP fordert, würde für viele das Ende bedeuten. „Die Werften leben von der Substanz. Sie brauchen neue Aufträge.“
Sorgen bereiten Geiken auch die hohe Zahl an Leiharbeitern und Werkverträgen an den Werften. „Mit einem Anteil von fast 30 Prozent haben Werkverträge einen erschreckend hohen Anteil an der Gesamtbeschäftigung“, sagte der Chef der IG Metall im Norden. Um einen Missbrauch von Werkverträgen auszuschließen, kündigte er an, sich die Struktur der Verträge an den einzelnen Standorten genau anschauen zu wollen. So würden teilweise ehemalige Leiharbeiter mit Scheinwerkverträgen ausgestattet, damit die Arbeitgeber tarifliche Bindungen umgehen. „Um einen Missbrauch von Werkverträgen auszuschließen, wollen wir auch auf weiteren Werften verbindliche Regelungen durchsetzen sagte Geiken. Den kürzlich beschlossenen Tarifvertrag zu den Werkverträgen mit der Meyer Werft bezeichnete er als eine gute Grundlage für die Verhandlungen in anderen Unternehmen. Laut Umfrage gibt es derzeit 2770 Leiharbeiter und 7140 Werkvertragsarbeitnehmer an den deutschen Werften.