Christina Thiele ist eine von zahlreichen Dienstleistern, die sich in Hamburg um Hunde kümmern, wenn Herrchen und Frauchen keine Zeit haben. Mit ihrem Hundemobil fährt sie zum Gassigehn ins Grüne oder an die Elbe.

Hamburg Fünf Augenpaare blicken erwartungsvoll nach draußen, fünf Schwänze fangen heftig an zu wedeln. Christina Thiele öffnet die seitlichen Schiebetüren und die Heckklappe ihres silbernen Kastenwagens. Dann sperrt sie die Boxen auf, in denen fünf Hunde es kaum erwarten können, ins Freie zu springen. Nicht, dass sie nicht gerne durch die Gegend führen. Aber jetzt lockt der Elbstrand. Und der Wald. Und die Heide in Wittenbergen.

Dennoch toben die fünf Freunde nicht gleich los. Diszipliniert machen sie „Sitz“, als Christina Thiele den Finger hebt. Zini, ihr eigener Hund, ein achtjähriger Terrier-Mischling mit Fledermausohren, Margoux, ein Mix aus Border Collie und Australian Shepherd, Sookie, einst Straßenhund auf Ibiza, der kecke kleine Nino und Bewley, ein schokobrauner Labrador, heute der einzig Reinrassige im Rudel. Dann zieht der Trupp zum Strand, immer schön „bei Fuß“. Erst, als die Rudelführerin dann das Zeichen gibt, laufen die Hunde los, dem Wasser entgegen. Jagen sich, machen Luftsprünge, bleiben stehen und schnuppern, laufen wieder los und drücken dabei mit ihren Pfoten ein lustiges Wimmel-Muster in den Sand.

Christina Thiele ist eine sogenannte Dogwalkerin. Ihr Hundeausführservice „Gassikowski“ ist eines von 88 Unternehmen, die bei Hamburgs Bezirksämtern unter dem Begriff Hundebetreuung eingetragen sind. Neben Tagestätten, Schulen und Pensionen sind 26 Institutionen registriert, die Hunde ausführen. Je nach Anbieter reicht deren Service vom 90-minütigen Gassigehen im Viertel bis zum Unternehmen von mehrstündigen Ausflügen, meistens mit mehreren Hunden. Manche gehen mit ihren Schützlingen joggen, andere haben ein Grundstück angemietet, auf der die Hunde toben, baden oder relaxen können. Die Kosten liegen meistens bei zwölf bis 20 Euro pro Tag, manche Dogwalker bieten Rabatte wie Zehner- oder Monatskarten.

Täglich ab acht ist Christina Thiele unterwegs. Bis zehn Uhr hat sie ihre Schützlinge eingesammelt – je nachdem, ob sie drei, vier oder fünf Hunde abholt, und ob sie dafür nach Eppendorf, Niendorf, Schnelsen, Othmarschen oder Klein Flottbek muss. Sie selber startet mit Zini in Eimsbüttel, wo die beiden seit acht Jahren leben. Geboren und aufgewachsen ist die Hundesitterin in Ostfriesland, mit Pferden und einer Katze. „Zu meiner jetzigen Tätigkeit bin ich auf Umwegen gekommen“, sagt die 36-Jährige. Sie hat als Ergotherapeutin für Kinder und auf dem Käsehof eines Freundes gearbeitet, hat Ökotrophologie studiert und in Gastronomie und Pflege gearbeitet.

Vor einem Jahr hat sie ihren Ausführservice gegründet, vorher hat sie den Hundeführerschein und einen Erst-Hilfe-Kurs gemacht. „Ich habe gemerkt, dass es mir großen Spaß macht, mit Hunden etwas zu machen, sie auszulasten und ihnen etwas zu bieten“, sagt Thiele, die mit ihrer Zini zum Hundesport geht und sie in Eckernförde zum Suchhund ausbilden lässt. Sie nahm zuerst nur den Hund eines Nachbarn mit, dann wurden es schnell mehr. Mittlerweile hat sie sechs Hunde, die sie regelmäßig mitnimmt, und etliche, die sie nach Bedarf betreut. An manchen Tagen kommt sie mit einem Mal Gassigehen nicht aus, dann muss sie nachmittags eine Extrarunde einlegen.

„Der Bedarf an Dogwalkern ist in den letzten Jahren enorm gestiegen“, sagt Gaby Dücker, die 1997 „Hamburg Dogwalking“ gründete – einen der ersten Ausführservices in Hamburg. Mit zwei Hunden fing sie an, dann wurden es ständig mehr. Mittlerweile ist auch ihr Mann mit einem Rudel unterwegs, zusammen betreuen sie täglich knapp 20 Hunde. „Mittlerweile hat ein Hund bei vielen den gleichen Stellenwert wie ein Kind“, sagt die 55-Jährige. Ebenso normal, wie das Kind in die Kita zu geben, sei es, auch den Hund betreuen zu lassen – zumal die meisten Kunden berufstätig seien. Die Aufgaben eines Hundesitters hätten sich allerdings geändert. Heute würden sich auch Menschen einen Hund anschaffen, die das früher nicht getan hätten. „Oft nehmen sie einen Straßenhund aus dem Ausland“, sagt Gaby Dücker. „Da sind wir dann auch als Therapeuten gefragt.“ Für das Sozialverhalten der Hunde sei es gut, im Rudel zu gehen.

Christina Thiele nimmt nur Hunde, die ins Rudel passen. Doch auch bei braven Hunden können Konfliktsituationen entstehen. „Wenn man stehen bleibt, langweilen sie sich nach kurzer Zeit und machen Dummheiten“ , sagt Christina Thiele. Auf den sogenannten Hundewiesen, auf denen Herrchen und Frauchen klönen und ihre Vierbeiner sich selbst überlassen, sei das gut zu beobachten. Dort komme es immer wieder zu Streitereien unter den Hunden. Die seien auch programmiert, wenn man Bälle oder anderes Spielzeug mitnehme. „Ist doch klar, dass dann auch andere Hunde damit spielen wollen.“

Thiele hat auch selbst Spaß an Bewegung Spaß. Sie liebt lange Spaziergänge und läuft manchmal auch Halbmarathon. Auch Zini und Co haben ihren Spaß am Strand. Während die vier Kleineren herumwuseln, weiß Bewley kaum, wohin mit Kraft und Bewegungsdrang. Er hat auf dem Weg zum Strand einen Knüppel gefunden. Den schnappt er sich immer wieder und rennt mit ihm ins Wasser oder er lässt ihn fallen und buddelt ein Loch daneben. Als Rudel und Anführerin wieder abziehen, sieht der Strand aus wie ein Schweizer Käse. Die Flut wird ihn bald wieder glätten. Und Bewley wird, wie die anderen auch, zufrieden und erschöpft nach Hause kommen – hundemüde eben.