Laut dem Gutachten würde die Rendite bei einem kompletten Rückkauf 4,57 Prozent betragen. Jens Kerstan, energiepolitischer Sprecher der Grünen, kritisiert das Handelskammer-Gutachten.

Hamburg. Einen Rückkauf der Energienetze hat die Handelskammer seit jeher abgelehnt. Nun sieht sie sich in dieser Ablehnung durch ein Gutachten bestätigt. Die Risiken, 100 Prozent der Strom-, Gas- und Fernwärmenetze wieder in die kommunale Hand zurückzuführen, seien dafür zu hoch. Hans-Jörg Schmidt-Trenz, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer, sprach von einem „hoch spekulativen“ Vorhaben. Das Gutachten, auf das er sich beruft, hat die Handelskammer selbst in Auftrag gegeben – bei der hauseigenen Hamburg School of Business Administration.

Laut dem Gutachten würde die Rendite bei einem kompletten Rückkauf 4,57 Prozent betragen. „Diese ist jedoch nicht garantiert, sondern unterliegt zahlreichen, teilweise unkalkulierbaren Risiken“, sagte Schmidt-Trenz, der gleichzeitig Präsident der Hochschule ist. Die bestehende Beteiligung der Stadt in Höhe von 25,1 Prozent werde von Vattenfall und E.on mit einer Garantiedividende von 4,2 Prozent bedient. Das sei so sicher wie ein Sparbuch und reiche aus, um die Zinsen für den Kredit zu bedienen. Daraus entstünden keine Risiken für den Haushalt.

Schmidt-Trenz wiederholte die grundsätzlich kritische Haltung der Handelskammer zum Netzerückkauf. Er hält eine kommunale Beteiligung an den Energienetzen ohnehin „für völlig sinnlos“. Der Kompromiss, den die Stadt vor zwei Jahren mit dem Netze-Deal eingegangen ist, bezeichnete er als den „politökonomischen Zwängen geschuldeten Kompromiss“. Es sei darum gegangen, den Befürwortern eines Rückkaufs die „Illusion zu geben“, es könne damit Einfluss auf die Energieproduktion nehmen „Es sind 543 Millionen Euro für eine Illusion ausgegeben worden“, so Schmidt-Trenz.

Jens Kerstan, energiepolitischer Sprecher der Grünen, kritisiert das Handelskammer-Gutachten: „Es ist leider wertlos, weil es die Fernwärme aus der Betrachtung ausklammert.“ Die Fernwärmeversorgung sei aus seiner Sicht aber der springende Punkt in der Netze-Debatte. Schließlich sei sie mehr wert als das Strom- und Gasnetz zusammen, so Kerstan. „Sie ist ein unreguliertes Monopol, mit dem Vattenfall Traumrenditen erwirtschaftet.“ Die Gutachter begründeten die Nichtbeachtung der Fernwärmenetze damit, dass diese nicht reguliert seien. Dadurch seien höhere Renditen möglich, aber auch die Risiken nochmals höher.

Davon ließ sich Kerstan nicht überzeugen. „Wer vor diesem Hintergrund lediglich auf die viel geringeren Renditen beim regulierten Strom- und Gasnetz blickt und daraus den Schluss zieht, dass der 100-Prozent-Rückkauf sich für die Stadt nicht lohnt, liegt falsch.“ Er bezeichnete das als methodischen Mangel der Studie. Wenn die Handelskammer damit in die Debatte ziehe, werde daraus „ein politisches Täuschungsmanöver“.

Ganz anders urteilt SPD-Fraktionschef Andreas Dressel: „Das Gutachten ist ein wichtiger Beitrag zur Versachlichung der Debatte.“ Es belege, dass ein Komplettrückkauf „Spekulation auf Pump“ sei. „Das sollte Hamburg nicht tun“. Ähnlich argumentiert auch Thomas-Sönke Kluth (FDP): „Das Gutachten der Handelskammer ist ein klarer Beleg, dass die Vollverstaatlichung der Netze alles andere als eine sichere Sache ist. Es steht nämlich völlig in den Sternen, wie sich die Einnahmesituation, der Investitionsaufwand und die Zinskosten zukünftig entwickeln wird.“

Manfred Braasch, Landesgeschäftsführer des BUND und Sprecher der Netze-Initiative, wollte sich inhaltlich noch nicht zu dem Gutachten äußern. „Bevor wir das tun, wollen wir es erst gründlich prüfen. Allerdings wundert das Ergebnis einen nicht, wenn man sich die Konstellation von Auftraggeber und Gutachter genau betrachtet.“